Stand: 07.09.2020 15:57 Uhr

Coronavirus: Impfstoffe in der Testphase

Ein Sprintze und Impfstoffe © Colourbox Foto: -
Aur der ganzen Welt arbeiten Forscher an der Entwicklung eines Impfstoffs gegen das Coronavirus.

Weltweit läuft die Suche nach einem Impfstoff gegen Covid-19 auf Hochtouren. Noch gibt es ihn nicht, aber die meisten Wissenschaftler sind optimistisch. Denn das Coronavirus eignet sich im Prinzip gut für die Entwicklung eines Impfstoffs: Es hat Merkmale auf seiner Oberfläche, die unser Immunsystem gut erkennen kann und die sich nicht so stark verändern. Deshalb sind die Chancen für die Entwicklung wirksamer Vakazine gut. Um eine möglichst große Chance auf einen wirksamen Impfstoff zu sichern, verfolgen die Forscher in aller Welt mehrere Ansätze parallel.

Impfstoff-Zulassung läuft in drei Stufen ab

Eine Impfung soll den Körper scharf machen gegen Viren: Das Immunsystem soll lernen, neue Erreger zu erkennen und unschädlich zu machen, bevor sie krank machen.

Die Zulassung eines neuen Impfstoffs ist ein aufwendiger Prozess, der in drei Phasen verläuft:

  • In Phase 1 wird die Sicherheit des Mittels an einer kleinen Gruppe Freiwilliger geprüft.
  • In Phase 2 dann geht es bei mehreren Hundert Probanden um die richtige Dosierung und die Wirkungen auf das Immunsystem.
  • Erst in Phase 3 mit einem Test an Tausenden von Menschen zeigt sich, wie gut ein Impfstoff tatsächlich schützt.

Bevor der Impfstoff eingesetzt wird, muss er noch von einer der zuständigen Behörden - in Deutschland dem Paul-Ehrlich-Institut - zugelassen werden. Dafür prüfen diese staatlichen Stellen die vorliegenden Studienergebnisse. Normalerweise laufen bei der Entwicklung von Impfstoffen die Phasen nacheinander ab, aktuell jedoch oft gleichzeitig, um den Prozess zu beschleunigen. Weltweit suchen mehr als 160 Forscherteams nach einem Corona-Impfstoff, mehrere sind bereits in Phase 3.

Vektor-Impfstoff: Briten sind in Phase 3

Es gibt verschiedene Wege, einen Impfstoff zu entwickeln. Am Deutschen Zentrum für Infektionsforschung benutzen Wissenschaftler harmlose Viren als Transporter. Die Schwachstelle der Coronaviren sind ihre Stacheln. Diese Spikes brauchen sie, um Zellen infizieren zu können. Die Forscher nehmen den genetischen Bauplan für die Spikes, die Boten-RNA, und bauen ihn in die unschädlichen Impfviren ein. Die präparierten Viren sind der Impfstoff. Er wird in einen Muskel gespritzt. Im Körper infizieren die Viren Muskelzellen und bringen sie dazu, jetzt den Baustoff für die Corona-Spikes zu produzieren. Diese Bausteine, Eiweißmoleküle, kann das Immunsystem des Geimpften erkennen und dagegen reagieren. Es entstehen spezifische Antikörper und Killerzellen. Jetzt ist das Immunsystem gegen die Coronaviren scharfgeschaltet.

An der Universität Oxford in England ist die Erforschung eines Vektor-Impfstoffs schon am weitesten fortgeschritten. Er ist schon in Phase 3 und wird derzeit an 30.000 Menschen getestet. Dabei nutzen die Briten ein anderes Virus als Vehikel als die deutschen Wissenschaftler. So werden weitere wichtige Erkenntnisse gewonnen.

Erbsubstanz der Coronaviren als Impfstoff

Einen ganz anderen Weg verfolgen zwei deutsche Firmen. Dabei dient die pure Erbsubstanz der Coronaviren als Impfstoff - ein ganz neues Prinzip. Bei dieser Methode verwenden die Forscher ebenfalls den Bauplan für das Spike-Protein der Coronaviren. Aber sie benutzen keine Impfviren, sondern verabreichen die Boten-RNA direkt als Impfstoff. Auch diese nackte Erbsubstanz dringt in Zellen ein, die jetzt das Spike-Eiweiß produzieren. Das Immunsystem bildet die spezifischen Antikörper und Immunzellen. Wenn sich eine geimpfte Person später mit Coronaviren infiziert, erkennt das sensibilisierte Immunsystem die Eindringlinge sofort, Antikörper und Zellen machen sie unschädlich - eine Erkrankung wird verhindert.

Ein großer Vorteil der RNA-Impfstoffe ist, dass sie sich sehr schnell in großer Menge herstellen ließen, zu vergleichsweise geringen Kosten. Auch hier befinden sich die Forscher bereits in Phase 3 mit ebenfalls 30.000 Probanden.

Russland preschte bei Zulassung vor

Im August preschte Russland mit der Meldung vor, einen Corona-Impfstoff wegen der Dringlichkeit schon ohne der üblichen Erprobung an vielen Menschen zuzulassen. Das stieß in anderen Ländern auf Skepsis. Ob und wie der Impfstoff beim Menschen wirkt, ist nach aktueller Lage nicht klar, denn die Phase 3 wird erst jetzt durchgeführt.

Weitere Informationen
Laborszene mit Spritze. © picture alliance / Klaus Ohlenschläger

AstraZeneca setzt Impfstoff-Tests aus

Bei der Suche nach einem Impfstoff gegen Corona gibt es einen möglichen Dämpfer. Der Pharmakonzern AstraZeneca hat die letzte Testphase gestoppt, weil ein Proband erkrankt ist. extern

Forscher in weißen Kitteln klettern einen Berg hoch, auf dessen Spitze eine Spritze steht.

Die Jagd nach dem Impfstoff

Wer forscht zu Corona-Impfstoffen? Wie funktionieren sie? Wer bekommt sie zuerst? Wer finanziert die Forschung, wer profitiert? mehr

Experten zum Thema

Prof. Klaus Cichutek, Biochemiker
Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts
Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel
Paul-Ehrlich-Straße 51-59
63225 Langen
www.pei.de

Prof. Dr. Marylyn Addo
Leiterin Sektion Infektiologie
I. Medizinische Klinik und Poliklinik
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Martinistraße 52
20246 Hamburg
www.uke.de

Dr. Peggy Riese
Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung
Inhoffenstraße 7
38124 Braunschweig
www.helmholtz-hzi.de

Ugur Sahin
Vorstandsvorsitzender BioNTech
An der Goldgrube 12
55131 Mainz
biontech.de (engl.)

Weitere Informationen
Übersicht der Weltgesundheitsorganisation WHO zu Impfstoffprojekten, die in Phase 2 sind:
www.who.int

Informationen zu Sars-CoV-2 (ständig aktualisiert) beim Robert Koch-Institut (RKI)
www.rki.de

Informationen zu Sars-CoV-2 beim Deutschen Zentrum für Infektionsforschung
www.dzif.de

Dieses Thema im Programm:

Visite | 08.09.2020 | 20:15 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Infektion

Coronavirus

Mehr Gesundheitsthemen

Ein Arzt hält eine Röntgenaufnahme einer Hüfte in der Hand. © Colourbox Foto: Syda Production

Hüft-TEP OP: Wann beide Gelenke gleichzeitig operieren?

Etwa zehn Prozent der Betroffenen benötigen gleichzeitig auf beiden Seiten eine neue Hüfte. Für wen kommt diese OP infrage? mehr

Gesundheits-Themen

Ratgeber

Das Logo von #NDRfragt auf blauem Hintergrund. © NDR

Umfrage zum Fachkräftemangel: Müssen wir alle länger arbeiten?