Dieselskandal: Umwelthilfe klagt mit Erfolg
Mehrere Golf-Modelle schalten die Abgasreinigung zu oft ab, urteilte das Verwaltungsgericht in Schleswig. Die Deutsche Umwelthilfe fordert, insgesamt 119 Modelle mehrerer Hersteller nachzurüsten.
Mehr als sieben Jahre nach Bekanntwerden des Dieselskandals kann die Deutsche Umwelthilfe einen Erfolg verbuchen. Lange hatte sie darum gekämpft, überhaupt eine Klageberechtigung zu erhalten. Nun hat das Verwaltungsgericht in Schleswig entschieden, dass das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) keine korrekte Zulassung für mehrere VW-Modelle erteilt hat. Diese hatten zwar ein Software-Update bekommen, sodass sie nicht mehr erkennen können, ob sie sich auf einem Fahrzeug-Prüfstand befinden. Doch weiterhin ist die Reinigung der Abgase bei kühleren Temperaturen reduziert, wodurch mehr Schadstoffe ausgestoßen würden. Dieses Verhalten wird als Thermofenster bezeichnet.
Da sich die Klage gegen das Kraftfahrt-Bundesamt richtet, das seinen Sitz in Flensburg hat, wurde der Rechtsstreit nun in Schleswig-Holstein verhandelt. Im November 2022 kam der Europäische Gerichtshof (EuGH) zu dem Urteil, dass die Umwelthilfe klageberechtigt ist. Nun war das Verwaltungsgericht in Schleswig am Zug.
Musterklage zu VW Golf-Modellen
Zunächst geht es um bestimmte VW Golf-Modelle, die das KBA 2008 und 2009 zugelassen hatte. Die Deutsche Umwelthilfe sieht das Verfahren allerdings als Musterklage, die sich auf 119 Modelle verschiedener Automarken auswirken könne. Die Fahrzeuge nach Euro-5-Norm wurden bis zum Jahr 2015 gebaut, einige haben aber bereits das Ende ihrer Nutzungsdauer erreicht. Die Umwelthilfe spricht von insgesamt fünf Millionen betroffenen Pkw in Deutschland.
Mögliche Lösung: Katalysatoren für rund 1.000 Euro
In den USA ließen die Hersteller sogenannte SCR-Katalysatoren einbauen. Kosten laut Umwelthilfe: rund 1.000 Euro pro Pkw, die die Hersteller tragen müssten. Welchen Weg das Kraftfahrtbundesamt aber nun wählt, damit die Fahrzeuge wieder den Vorschriften entsprechen, stellte das Gericht frei.
Im Kern geht es um die Frage, wie der Ausstoß klima- und gesundheitsschädlicher Stickoxide vermieden werden kann. Hierbei werden die Abgase zur vollständigen Verbrennung in den Motor zurückgeführt. VW scheue den Einbau der SCR-Katalysatoren in Europa aus wirtschaftlichen Gründen, sagte der Bundesgeschäftsführer der Umwelthilfe, Jürgen Resch. Aus seiner Sicht besteht zudem eine zu große Nähe zwischen KBA und Autoherstellern.
Europäischer Gerichtshof: Verminderte Abgasreinigung nur im Ausnahmefall erlaubt
Die Schleswiger Richter hatten den EuGH um Auslegung der Gesetze gebeten. Von dort kam die Antwort, dass die verminderte Abgasreinigung nur im Ausnahmefall erlaubt sei - wenn sonst schwere Schäden an Motoren drohen. Nach den Angaben der Volkswagen AG ist eine Verringerung der Abgasrückführung insbesondere bei niedrigen Temperaturen aus Gründen des Motorschutzes erforderlich, erläuterten VW-Anwälte vor Gericht. Es drohe die Gefahr von Ablagerungen. Das Unternehmen ist in dem Verfahren beigeladen.
Abgasreinigung steigert Brandgefahr
Zudem argumentiert VW, die europäische Durchschnittstemperatur liege bei 12 Grad. Diese steige durch den Klimawandel sogar, führte VW-Anwalt Benedikt Wolfers an. Da das Thermofenster erst unterhalb einer Außentemperatur von 10 Grad einsetze, arbeite die Technik im Regelfall korrekt. Bei starkem Frost schaltet sie gänzlich ab, auch bei hohen Temperaturen geraten mehr Abgase in die Luft. Im schlimmsten Fall könne der Dieselpartikelfilter ohne das Thermofenster in Brand geraten, betont VW. Daher sei die Abschalteinrichtung bis heute unverzichtbar, wenngleich sie bei neueren Modellen tatsächlich nur noch bei Extremtemperaturen einsetzt.
Reduzierte Wirkung in vielen Situationen
In der Praxis wird die Reinigung der Abgase auch in weiteren Situationen reduziert: Laut Gericht bereits ab 250 Höhenmetern aufgrund des Luftdrucks. Gänzlich setzt sie oberhalb von 1000 Metern, bei kurzfristigen Belastungen sowie bei der sogenannten Taxischaltung aus, wenn der Diesel mehr als 15 Minuten im Leerlauf ist.
Die Entscheidung ist aber noch nicht rechtskräftig. Das Gericht ließ Sprungrevision zu, so dass das Thema als nächstes beim Bundesverwaltungsgericht landen könnte.