Lehrer-Verteilungsprogramm "Abordnung Plus" in der Kritik

Stand: 20.03.2025 18:23 Uhr

Mit "Abordnung Plus" verpflichten sich angehende Lehrerinnen und Lehrer, für drei Jahre an Schulen mit hohem Bedarf zu unterrichten. Anschließend dürfen sie dauerhaft an ihrer favorisierten Schule arbeiten.

von Bastian Pöhls

Der Bildschirm im Lehrerzimmer der Gemeinschaftsschule "Achter de Weiden" in Schenefeld (Kreis Pinneberg) erinnert ein bisschen an eine Abflugtafel auf dem Flughafen. Mit Kürzeln für Klassen, Fächer und Lehrkräfte ist auf der Tabelle erkennbar, wer heute fehlt und wer als Vertretung einspringt. Nicht selten steht auf dem Vertretungsplan das Wort "Entfall" - also ein Ausfall der Unterrichtsstunden. Damit das nicht mehr so oft passiert, sucht Schulleiter Dirk Ziegenhagen aktuell vier bis fünf neue Lehrerinnen beziehungsweise Lehrer. Doch es mangelt an Bewerbungen.

Bedarfsregion im Süden Schleswig-Holsteins

Ziegenhagen sieht die Lage Schenefelds im Süden des Landes als Nachteil gegenüber anderen Orten in Schleswig-Holstein. Schulen, die sich in der Nähe der Universitäten mit Lehramts-Studiengängen befinden, hätten nicht mit dem Lehrermangel zu kämpfen: "Die haben genügend Lehrkräfte, weil sie sich in Raum Flensburg/Kiel bewegen. Dort, wo die jungen Studentinnen und Studenten nach der Ausbildung auch gerne bleiben möchten." Auch aus dem benachbarten Hamburg gebe es kaum Bewerbungen für seine Schule. Denn die Hansestadt als eigenständiges Bundesland gebe ihre Lehrkräfte vielfach nicht frei.

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"Abordnung Plus" soll Abhilfe schaffen

Die Gemeinschaftsschule ist seit dem 1. Februar Teil des Programms "Abordnung Plus" mit sogenannten abgebenden und aufnehmenden Schulen. Eine Schule, die genügend Bewerbungen hat, bekommt eine Schule mit hohem Bedarf zugeteilt. Angehende Lehrkräfte, die sich an einer abgebenden Schule bewerben, verpflichten sich, zuerst für drei Jahre an der aufnehmenden Schule zu unterrichten. Nach Ablauf der drei Jahre dürfen sie dauerhaft an ihrer Wunsch-Schule arbeiten. Die abgebende Schule für Schenefeld ist die Gemeinschaftsschule Altenholz (Kreis Rendsburg-Eckernförde). Ab dem 1. April wird eine Lehrerin für Biologie und Wirtschaft/Politik das Kollegium von Dirk Ziegenhagen verstärken. Sie hat sich in Altenholz beworben und sich bereit erklärt, zuerst drei Jahre in Schenefeld zu arbeiten.

SPD: Schlechte Umsetzung des Programms

Der bildungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im schleswig-holsteinischen Landtag, Martin Habersaat, kritisiert, dass sich bisher nur wenige Lehrerinnen und Lehrer für "Abordnung Plus" beworben hätten. Unter anderem bemängelt er, dass die Zuordnung einer abgebenden zu einer aufnehmenden Schule zu starr sei. Außerdem habe das Ministerium das Programm erst sehr spät bekannt gemacht. Habersaat sagt: "Es wurde erst am 27.1. offiziell über eine Änderung informiert, die fünf Tage später, nämlich zum 1.2. in Kraft trat. Bis dahin muss Verunsicherung bei den Nachwuchslehrkräften geherrscht haben."

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Karin Prien: "Guter Erfolg für neue Initiative"

Bildungsministerin Karin Prien (CDU) kann die Kritik nicht nachvollziehen. Im Gespräch mit NDR Schleswig-Holstein sagt sie, dass die Schulen frühzeitig informiert worden seien. Und die Bewerberzahlen sind aus ihrer Sicht nicht zu niedrig: "Auf 47 Ausschreibungen haben wir 26 Bewerbungen schon nach kürzester Zeit gehabt. Inzwischen haben wir dreizehn Kolleginnen und Kollegen im Rahmen des Programms gewinnen können, in Bedarfsregionen zu gehen. Das werden wir jetzt weiter fortfahren. Ich würde sagen, das ist ein guter Erfolg für eine neue Initiative."

Steigende Bewerberzahlen im Sommer erwartet

Dirk Ziegenhagen freut sich, wenn das Programm langfristig fortgesetzt wird und sich mehr angehende Lehrerinnen und Lehrer bewerben. Zum Start des neuen Schuljahres im September hofft er auf mehr Personal durch "Abordnung Plus". Aktuell müsse er viele freie Stellen mit Vertretungslehrerinnen und -lehrern besetzen, die aber in der Regel nicht lange an einer Schule bleiben. Eine von ihnen ist Kimberly Warnecke, die gerade ihr Studium abgeschlossen hat. Auch sie kann sich grundsätzlich vorstellen, an dem Programm teilzunehmen: "Je nachdem, wie weit der Arbeitsort vom eigenen Wohnort entfernt ist. Und es hängt davon ab, in welcher Lebenssituation ich mich gerade befinde."

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 20.03.2025 | 19:30 Uhr

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