Unterrichtsausfall: Regierungsfraktionen verteidigen Sparpläne
Die Opposition im schleswig-holsteinischen Landtag fordert vom Land mehr Bemühungen gegen den Unterrichtsausfall - und für die Gesundheit von Lehrern. Die Bildungsministerin kündigt eine neue Einstellungspraxis an.
Kristin Piehl unterrichtet seit 15 Jahren an der Boy Lornsen Grundschule Brunsbüttel (Kreis Dithmarschen). Ein Ort an der Westküste, an dem es schwer ist, Lehrkräfte zu finden. Sie ist Lehrerin der 2c, stellvertretende Schulleiterin und in der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) aktiv. Eine zusätzliche Belastung durch den Lehrermangel sieht sie vor allem bei den Dingen, die außerhalb des Unterrichts anfallen: "Das heißt ganz konkret, dass wir mehr Aufsichten haben, und dass man noch weniger Pausen hat zwischen den Stunden", sagt Piehl.
Ausfallen darf der Unterricht an Grundschulen nicht - deswegen müssen bei Personalmangel andere Lehrkräfte einspringen - manchmal kommen sie von anderen Schulen, manchmal müssen Kollegen mehr arbeiten.
Bericht: Erkrankte Lehrkräfte häufigster Grund für Ausfall
Laut dem Bericht der Landesregierung über die Unterrichtssituation 2023/24 sind im vergangenen Schuljahr 0,4 Prozent der Unterrichtsstunden an Grundschulen ersatzlos ausgefallen. Der Anteil nicht planmäßig erteilter Unterrichtsstunden - also Vertretungsstunden - lag bei zehn Prozent. An Gymnasien und Gemeinschaftsschulen lag die Ausfallquote höher, nämlich bei 3 drei bis vier Prozent. Am häufigsten liegt das an erkrankten Lehrkräften.
Im Landtag haben die Oppositionsfraktionen am Donnerstag die Landesregierung aufgefordert, mehr gegen den Unterrichtsausfall zu unternehmen. Etwa, indem mehr für die Gesundheit von Lehrkräften getan wird - und stärker um Lehrkräfte geworben wird. Die Sparpläne der Landesregierung allerdings, heißt es im Antrag von SPD, SSW und FDP, "würden den oben genannten Maßnahmen entgegenwirken und eine verbindliche Unterrichtsversorgung in Schleswig-Holstein gefährden."
SPD, SSW und FDP: Land spart an der falschen Stelle
Der bildungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Martin Habersaat, kritisiert, bei steigenden Schülerzahlen gebe es weniger Lehrerstellen. Und: "Der Lehrkräftemangel ist inzwischen so gravierend, dass mehr als jede zehnte Lehrkraft an Schulen keine voll ausgebildete Lehrkraft ist. Wir können uns einen schlechten Umgang mit den vorhandenen Lehrkräften nicht leisten", mahnt Habersaat.
Anne Riecke von der FDP fürchtet Auswirkungen auf die Unterrichtsqualität. Und Jette Waldinger-Thiering vom SSW weist auf die Belastung für die Schülerinnen und Schüler hin: "Letztendlich müssen Schülerinnen und Schüler den Lernausfall kompensieren, um ihren Leistungsstand zu halten."
Die Regierungsfraktionen verteidigen ihre Pläne - und verweisen auf die Sparzwänge. Im Bildungsbereich, sagen sie aber, gebe man insgesamt mehr Geld aus als im Vorjahr. Der gemeinsame Antrag der Oppositionsfraktionen wird am Donnerstag abgelehnt.
Bildungsministerium will unterversorgte Regionen stärken
Bildungsministerin Karin Prien (CDU) sieht die Entwicklung beim Unterrichtsausfall deutlich positiver: Schließlich komme man von einer Quote von unter 100 Prozent - zu Zeiten der Küstenkoalition aus SPD, Grünen und SSW. "Die Richtung stimmt", sagt die Ministerin. Sie verweist außerdem auf zusätzliche Stellen für die Grundschulen.
Neue Praxis bei der Einstellung von Lehrkräften
Außerdem sollen mehr Lehrkräfte in unterversorgte Regionen des Landes gebracht werden. Dafür will das Land die Einstellungspraxis ändern. Konkret soll das neue Verfahren namens "Abordnung Plus" so laufen:
- Wer sich an einer sehr gefragten Schule bewirbt, wird dort eingestellt, gleichzeitig aber - befristet auf drei Jahre - an eine andere Schule abgeordnet, die in einer Region mit Lehrkräftebedarf liegt.
- Etwa 90 Schulen zählen zu denen mit guter Besetzungsquote - sie sollen Bewerber abordnen.
- "Abordnende" Schulen schreiben ihre zu besetzenden Stellen aus. In der Stellenausschreibung wird definiert, unter welchen Voraussetzungen die Einstellung stattfindet und welche Schule die "aufnehmende" Schule ist. Das heißt: Es gibt ein Matching zwischen zwei Schulen, an denen gleiche oder ähnliche Fächerkombinationen gebraucht werden.
- Die neuen Lehrkräfte sollen so etwa in den Kreisen Dithmarschen, Steinburg, Segeberg, Herzogtum Lauenburg, Pinneberg und in Neumünster eingesetzt werden.
- Im Bewerbungsverfahren für den Einstellungstermin zum 2. Halbjahr sind bei 47 Ausschreibungen derzeit auf 15 Ausschreibungen insgesamt 26 Bewerbungen eingegangen. Die meisten Ausschreibungen laufen noch bis Anfang Februar.
Bis Kristin Piehl und ihre Kolleginnen und Kollegen zum Beispiel von der "Abordnung Plus" profitieren werden, müssen sie vorerst wohl weiterhin den Mangel verwalten.