Trump-Selenskyj-Eklat: Beunruhigung in SH - Krisenforscher entwarnen
Nach einem beispiellosen Streit vor Kameras zwischen US-Präsident Trump und seinem ukrainischen Kollegen Selenskyj herrscht Verunsicherung in Schleswig-Holstein. Krisenforscher sagen aber: Auf die USA könne man sich weiter verlassen.
Der US-Präsident Donald Trump überzieht den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj bei seinem Besuch im Weißen Haus am Wochenende mit Vorwürfen: Dieser riskiere einen Dritten Weltkrieg und die USA wollen das Land nicht mehr unterstützen, einzige Option: Kapitulation. Das macht viele Menschen in Schleswig-Holstein fassungslos.
"Hier zeigt sich jemand, der die Seiten gewechselt hat"
"Ich kann mein Entsetzen gar nicht genügend ausdrücken", sagt Norbert Scharbach bei einer Meinungsumfrage auf der Straße in Kiel. "Hier zeigt sich jemand, der die Seiten gewechselt hat, der mit Putin zusammenarbeitet." Aus Sicht von Norbert Raun wurde der Eklat von amerikanischer Seite provoziert: "Ich hatte nicht das Gefühl, dass in dem, was der Selenskyj gesagt hat, die Amerikaner in irgendeiner Weise provoziert hat." Gay Spiegel hat ein ungutes Bauchgefühl: "Ich muss mich immer zwingen, nicht darüber nachzudenken." Positiv blickt Annabell Brausewetter auf die Reaktionen nach dem Eklat: "Ich finde gut, wie stark sich Europa hinter Selenskyj gestellt und gesagt hat, Support kommt immer noch."
Angstforscher: Trotz Drohungen bleibt die Beziehung zu den USA normal
Hinter den Sorgen der Menschen steckt die Erkenntnis, dass viele, und vor allem die Politik, jetzt realisieren, dass man man sich auf den langjährigen Partner USA nicht mehr verlassen kann, "aber ganz ohne ihn geht es auch nicht mehr", sagt der Diskursforscher Prof. Dr. Ulrich Hoinkes - in diesem Zwiespalt werde vielen Menschen bewusst, dass die Gesellschaft eine sehr ernsthafte und längerfristige Umorientierung vor sich hätte. Seit 2015 leitet Hoinkes das Anxiety Culture Projekt, das ein internationales Projekt zwischen der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und der Columbia University in New York (Vereinigte Staaten) ist und zu nicht geklärten Zukunftsfragen und der Angstkultur aus den Perspektiven Politik, Wirtschaft oder Sprache erforscht.
"Man kann das nicht abtun als etwas, was jetzt nun mal so passiert ist - da sind jemandem die Nerven durchgegangen. Das hat alles eine Strategie. Und diese Strategie, auf die muss Europa reagieren." Prof. Dr. Ulrich Hoinkes, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Hoinkes beobachtet, dass Gefühle, Emotionen, Affekte eine große Rolle in unserer Welt spielen würden und dass damit Politik gemacht werde - das verängstige Leute gerade bei so ernsthaften Fragestellungen zurecht, so Hoinkes. Der Angstforscher geht aber davon aus, dass die Beziehung zu den USA in vielen Bereichen relativ normal bleiben werden, weil nicht nur Trump, sondern auch andere Sprecher oder Mittelsmänner verhandeln.
In Europa sei man am wenigsten auf grundlegende Änderungen vorbereitet: Die NATO oder die Zusammenarbeit mit der EU hätten sich in den vergangenen Jahren etabliert. "Das ist halt alles neu zu durchdenken, wie das jetzt funktioniert unter dem Sicherheitsaspekt. Und da, glaube ich, stehen wir noch am Anfang. Da sind wir alle sehr verwirrt", so Hoinkes. Eine Politik, die jetzt etwas längerfristige Ziele ins Auge fasst, sei in dem Fall eine gute Politik - mit einer möglichen großen Koalition in Deutschland gebe es gute Chancen darauf, so Hoinkes weiter.
Krisenforscher: Deutschland hat seine Hausaufgaben nicht gemacht
Für den Kieler Krisenforscher Frank Roselieb war das Gespräch nicht überraschend: "Das Provokationsniveau der neuen US-Regierung ist in Deutschland hinlänglich bekannt." Roselieb geht davon aus, dass die USA auch nach der Aussage Trumps weiter fest an der Seite Deutschlands stehen - einen solchen Versuch der Abkapselung habe man in der Vergangenheit unter anderem auch beim ehemaligen US-Präsidenten John F. Kennedy und der Nicht-Intervention beim DDR-Mauerbau beobachten können.
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geschäftsführender Direktor und Sprecher des
Kieler Instituts für Krisenforschung ("Krisennavigator"),
der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Frank Roselieb ist
geschäftsführender Direktor und Sprecher des
Kieler Instituts für Krisenforschung ("Krisennavigator"),
der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. © Krisennavigator, Kiel / Hamburg. Foto: Krisennavigator, Kiel / Hamburg."
Dennoch: "Deutschland - damit auch Schleswig Holstein - hat in den zurückliegenden Jahren einfach seine Hausaufgaben nicht gemacht", sagt Roselieb weiter. In benachbarten Ländern habe es mehr Fortschritte gegeben. So wurde in Dänemark die Wehrpflicht von vier auf elf Monate verlängert und auch die Wehrpflicht für Frauen eingeführt: "Dagegen diskutieren wir in Deutschland immer noch über die Wiedereinführung der vor vielen Jahren bereits abgeschafften oder ausgesetzten Wehrpflicht für Männer." In Sachen Schutzräume führt Roselieb Schweden an: Dort habe man deutlich mehr Schutzräume für die Bevölkerung. Wenn die Hausaufgaben in Deutschland gemacht werden, ist sich Roselieb sicher, dass die Amerikaner weiter an der Seite Deutschlands stehen.
US-Amerikaner in SH: "Ein peinlicher Tag für die USA"
"Ich fand es sehr peinlich für die USA und auch für mich persönlich als Amerikaner", sagt der Englischlehrer Hank Leathers. Er stammt aus den USA und arbeitet in Kiel. "Wir hatten Trump für vier Jahre und wir haben gar nichts gelernt - das nervt mich." Leathers sieht darin auch Probleme für den künftigen Austausch mit Europa: Die USA seien zu chaotisch, um mit ihnen zusammenzuarbeiten. Die US-amerikanische Studentin Lindsey Merritt findet das Verhalten von Trump gefährlich für die ganze Welt. Die 25-Jährige findet es schade, dass Selenskyj eingeknickt ist, nachdem Trumps Vize J.D. Vance ihm fehlende Dankbarkeit für die US-Militärhilfe vorgeworfen hat: "Ich sehe einen Präsident, der wirklich für seine politische Gesellschaft, seine Leute regiert. Ich sehe, dass er seinen Stolz hat, aber der geht nicht über sein Ego - anders ist es bei Trump."
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