Gebrauchte Elektroautos sind Ladenhüter: Händler setzen auf Politik
Viele Menschen schrecken vor dem Kauf von Elektroautos zurück. Das betrifft neben neuen E-Autos insbesondere den Gebrauchtwagenmarkt. Händler in Schleswig-Holstein sind besorgt und hoffen auf die Politik.
Es ist ein wolkenloser Frühlingstag in Bad Oldesloe (Kreis Stormarn). Die Sonne spiegelt sich in den Karosserien der Autos, die bei Werner Blohm auf dem Parkplatz stehen. Kleine und große, neue und gebrauchte Wagen, Einsteigermodelle und höherpreisige Fahrzeuge. Sie alle warten hier auf neue Besitzerinnen und Besitzer. Das ist Blohms Reich: sein Autohaus, das er von seinem Vater übernommen hat.
An diesem Tag nimmt er sich Zeit für ein Interview, in dem es um etwas gehen soll, über das viele Autohändler nur ungern reden: Geschäfte, die nicht so laufen wie gewünscht. Genauer gesagt: den schleppenden Handel mit gebrauchten E-Autos. "Das Problem kennt eigentlich jedes Autohaus", sagt Blohm. Die Fahrzeuge stünden im Schnitt 20 bis 30 Prozent länger auf dem Hof als Autos mit Verbrennungsmotor, erklärt er. Das sei ein erhebliches Problem: "Je länger ein Gebrauchtwagen hier rumsteht, desto höher sind unsere Kosten", sagt Blohm.
Kfz-Verband: Tausende Euro Verlust pro gebrauchtem E-Auto
Dass die Erfahrungen des Bad Oldesloer Autohändlers kein Einzelfall sind, bestätigt der Verband des Kfz-Gewerbes in Schleswig-Holstein. "60 bis 70 Prozent der Händler berichten von schwierigen Geschäften mit gebrauchten E-Autos", sagt Geschäftsführer Jan-Nikolas Sontag. Um ihre Fahrzeuge loszuwerden, müssten die Händler mitunter große Nachlässe gewähren. Unterm Strich würden oft mehrere Tausend Euro Verlust pro Gebrauchtwagen stehen. "Das ist eine dramatische Belastung."
Dass E-Autos auf dem deutschen Gebrauchtwagenmarkt nur eine kleine Rolle spielen, zeigen aktuelle Zahlen des Kraftfahrtbundesamtes: Im Februar lag ihr Anteil bei etwa 3,1 Prozent. Immerhin: Im Jahr 2023 waren es nur rund 1,6 Prozent. Der Markt wächst also - wenn auch deutlich langsamer als die Branche sich das erhofft hatte. Darüber hinaus sind die Zahlen bei den Neuzulassungen vollelektrischer Autos auf einem niedrigen Niveau: 2024 sanken sie in Schleswig-Holstein von 18,4 auf 13,5 Prozent.
Gebrauchtwagenmarkt: Elektroautos viel teurer als Verbrenner
Es gebe viele Gründe, weshalb der Handel - insbesondere mit elektrischen Gebrauchtwagen - nicht gut laufe, erklärt Verbandsgeschäftsführer Sontag. Viele Menschen hätten Befürchtungen, dass die Batterie eines Elektrofahrzeugs nach einigen Jahren nicht mehr leistungsfähig sei. Dazu kämen generelle Vorbehalte gegenüber der Elektromobilität: Kunden würden sich sorgen, ob die Reichweiten der Autos und die Ladeinfrastruktur ausreichen würden. Außerdem seien die Preise für Elektroautos und damit auch für elektrische Gebrauchtwagen deutlich höher als die für Verbrenner.
Dass der Anschaffungspreis auf viele Interessenten abschreckend wirken dürfte, wird bei einem Blick auf eine Statistik deutlich, die das Portal Autoscout24 veröffentlicht hat: Demnach kosteten elektrische Gebrauchte auf dem europäischen Markt zuletzt im Schnitt mehr als 31.000 Euro. Bei Verbrennern waren es gut 23.000 Euro - also 8.000 Euro weniger. Am teuersten waren gebrauchte Hybridfahrzeuge mit einem Durchschnittspreis von fast 37.000 Euro.
Nur knapp 70.000 reine Elektrofahrzeuge in Schleswig-Holstein
Um gebrauchte E-Autos attraktiver zu machen, wünscht sich der Landesverband des Kfz-Gewerbes neue Kaufanreize von der künftigen Bundesregierung. Sontag wirbt dafür, dass der Staat den Käuferinnen und Käufern solcher Gebrauchtwagen in Zukunft ein Ladeguthaben zur Verfügung stellt. "Wir brauchen eine gute Förderung für den Gebrauchtmarkt. Es ist wichtig, dass die gebrauchten Fahrzeuge nicht einfach rumstehen", sagt er. Die Politik müsse dabei helfen, den Markt wieder anzukurbeln, um zumindest in die Nähe der politisch ausgegebenen Zielmarke zu kommen.
So hatte sich die Bundesregierung das Ziel gesetzt, dass im Jahr 2030 mindestens 15 Millionen elektrische Fahrzeuge auf den Straßen in Deutschland unterwegs sind. Davon ist Deutschland weit entfernt. Aktuell sind es rund 1,65 Millionen. Zum Vergleich: In Schleswig-Holstein sind zurzeit nur knapp 70.000 reine Stromer und knapp 30.000 Hybride zugelassen - bei einer Gesamtzahl von etwa 1,8 Millionen Pkw.
ADAC-Empfehlung: Batterie vorm Kauf testen
Dabei steht für den ADAC in Schleswig-Holstein fest: Gebrauchte E-Autos sind oft besser als ihr Ruf. ADAC-Sprecher Reiner Pregla meint: Die Sorge, dass die Batterie eines gebrauchten Elektrofahrzeugs schon nach wenigen Jahren den Geist aufgeben könnte, sei in der Regel nicht berechtigt. "Unsere Tests haben ergeben: Die meisten Fahrzeuge, selbst wenn sie jenseits der 100.000 Kilometer Laufleistung sind, haben noch eine Batteriekapazität von über 80 Prozent." Zudem würden die meisten Hersteller eine umfangreiche Garantie auf die Batterie geben.
Dennoch sei es sinnvoll, erklärt der ADAC-Sprecher, die Leistungsfähigkeit der Batterie vorm Gebrauchtwagenkauf zu überprüfen. Dazu werde ein kleines Gerät am Auto angeschlossen, das über mehrere Tage hinweg den Gesundheitszustand der Batterie analysiere. "Diese Art von Test können wir nur empfehlen, weil ich dann wirklich die Gewissheit habe: Das teuerste Bauteil ist in Ordnung." Die Kosten für einen solchen Test lägen bei circa 100 Euro, sagt Pregla. Die meisten Autohäuser bieten diesen Service laut dem Verband des Kfz-Gewerbes ohnehin mit an.
Prognose: Preise könnten bald sinken
Auf die hohen Anschaffungspreise für elektrische Gebrauchtwagen angesprochen, meint Pregla: "Wir gehen davon aus, dass die Preise in den nächsten zwei Jahren nach unten gehen." Denn es würden immer günstigere neue Modelle auf den Markt drängen, was sich wiederum auf den Gebrauchtmarkt auswirken dürfte. "Das wird das gesamte Preisgefüge massiv verändern", prognostiziert der Sprecher.
Dass der Markt für gebrauchte und neue E-Autos wieder auf die Beine kommen wird, da ist der Bad Oldesloer Autohändler Werner Blohm ziemlich optimistisch. Zwar herrsche zurzeit große Unsicherheit bei Autohäusern und Kunden, wie die nächste Bundesregierung die Elektromobilität konkret fördern wolle. Aber: Ungeachtet der politischen Debatte wachse das Vertrauen der Menschen in die Technologie, meint Blohm: "Ich beobachte, dass sich immer mehr Leute vorstellen können, elektrisch zu fahren. Deswegen glaube ich auf jeden Fall, dass die Lage auf dem Markt besser werden wird."
