Ob mit oder ohne Northvolt: Batterien in Europa gefragt
Eine neue Studie vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) sagt eine große Nachfrage in der EU nach E-Auto-Batterien bis 2030 voraus. Welche Rolle spielt Northvolt dabei?
Für die Verkehrswende und den klimafreundlichen Verkehr werden Batterien für Elektroautos auch in der EU immer wichtiger. Die Automobilhersteller brauchen zunehmend Batterien für ihre neuen E-Fahrzeuge. Bislang werden die Akkus überwiegend in Asien produziert. Die EU hat sich das Ziel gesetzt, bis 2030 rund 90 Prozent des Bedarfs in Europa zu produzieren. Doch das dürfte laut einer neuen Studie vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung nicht so einfach werden. Die Studie hat 1.000 mögliche Szenarien durchgespielt und in der Hälfte der Fälle schafft Europa es nicht, die 90 Prozent zu erreichen.
Die Studien-Autoren, darunter Patrick Plötz vom Fraunhofer ISI, rechnen damit, dass es in Europa bis zu 35 Fabriken geben wird. Darunter ist auch die Produktionsstätte von Northvolt bei Heide (Kreis Dithmarschen). Der schwedische Hersteller steckt jedoch in der Krise und es ist unklar, ob er sein Werk in Dithmarschen überhaupt fertig bauen kann. Experten sprechen dabei vom sogenannten Markthochlauf. Damit meinen sie den völlig neuen Aufbau einer Produktion - und die möglichen Probleme und Hindernisse. Europa hinkt den asiatischen Herstellern technologisch aber hinterher.
NDR Schleswig-Holstein: Herr Plötz, was sind die zentralen Schwierigkeiten bei den europäischen Herstellern?
Patrick Plötz: Bei den Fabriken, die realisiert werden, ist immer noch die Frage, mit welcher Auslastung werden die dann in welchem Jahr betrieben? Da gibt es große Unsicherheiten, die wir mit berücksichtigt haben. Und auf der Nachfrageseite ist der größte Treiber der Markthochlauf der Elektrofahrzeuge, sowohl Pkw als auch Lkw. Da haben wir jetzt das Ziel von 100 Prozent batterieelektrischer Neuzulassungen in 2035 für Pkw festgehalten in den Simulationen. Aber der Weg dahin kann natürlich schneller oder langsamer verlaufen. Und auch die Batterien in den Elektrofahrzeugen können ein bisschen kleiner oder ein bisschen größer sein. Also da gibt es sozusagen in der Geschwindigkeit des Markthochlaufs der Elektromobilität als zentraler Treiber gewisse Unsicherheiten.
Welche Rolle spielt Northvolt zum Erreichen des Ziels der EU, 90 Prozent der Nachfrage in Europa zu produzieren?
Plötz: Ich denke mittelfristig ist die eine Northvolt-Fabrik in Norddeutschland für die erwartete Batterieproduktion in Europa zahlenmäßig von der Kapazität her nicht entscheidend. Aber politisch und symbolisch wäre es natürlich schon ein deutlicher Dämpfer, wenn eines der deutschen und europäischen Vorzeigeprojekte für eine eigene Batterieproduktion doch nicht wie geplant umgesetzt werden kann. Allerdings würde ich davon ausgehen, dass die Baustelle für die Batteriefabrik, selbst wenn die Firma Northvolt eine zukünftige Fabrik nicht betreiben sollte, vermutlich von einem anderen Batteriehersteller übernommen und umgesetzt werden könnte.
Zum Beispiel von einem chinesischen Hersteller?
Plötz: Das ist schwer zu sagen. Da wird man dann gucken, wer da mit bietet. Ich halte es für naheliegend, dass es unter deutscher Beteiligung oder auch eine europäische Firma sein könnte, weil der Standort ja weiterhin attraktiv ist durch die erneuerbaren Energien und Energiekosten dort vor Ort, durch gutes Personal in Deutschland.
Mit wie vielen Batteriefabriken rechnen Sie in Zukunft in Europa?
Plötz: Deutlich mehr als zehn Fabriken, Richtung 20, 30, 35 halte ich schon für sehr plausibel. Nach unseren Rechnungen sollten bis 2030 ungefähr die Hälfte der Fabriken in Europa durch europäischen Firmen und die andere Hälfte von asiatischen Firmen betrieben werden. Das sind dann Unternehmen aus China, Südkorea oder Japan.
Inwieweit ist Europa dann überhaupt unabhängig?
Plötz: Gerade die chinesischen Hersteller sind sehr innovativ, bauen die neuesten, besten und günstigsten Batterien. Ich denke, dass die Vorreiterrolle sicherlich noch einige Jahre anhalten wird und es eher so ist, dass wir auf europäischer Seite viel von den asiatischen Herstellern lernen können. Es war viele Jahre so, dass beispielsweise die Chinesen europäischen Herstellern den Markt angeboten haben, wenn diese Joint-Ventures mit chinesischen Firmen bilden. Das heißt, die chinesische Automobilindustrie hat von der europäischen Automobilindustrie sehr viel gelernt. Das könnte man sich vielleicht zum Vorbild nehmen und bei Batterien umgekehrt machen.
Was kann die Politik laut Studie tun?
Plötz: Die Nationalstaaten können mit Kaufpreis-Anreizen oder höherer Besteuerung fossiler Pkw-Zulassungen einen Beitrag leisten. Auf europäischer Ebene wäre es wichtig, ambitionierte CO2-Flottengrenzwerte (für die Automobilhersteller, Anmerkung der Redaktion) nicht nur für 2035, sondern auch für 2025 und 2030 beizubehalten und nicht aufzuweichen. Die EU-Kommission hat jetzt einen Vorschlag gemacht, der die Automobilindustrie fördern soll. Darin sind Maßnahmen enthalten, für starke europäische Unterstützung für den Ausbau von Batteriefabriken. Allerdings eben auch eine Aufweichung der CO2-Flottengrenzwerte. Ich denke, dass wir da vielleicht in einigen Monaten, aber definitiv noch in diesem Jahr, mehr wissen sollten.
Das Interview führte Jonas Salto, NDR Schleswig-Holstein.
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