Automobilexperte zu Northvolt-Entwicklungen: "Brauchen längeren Atem"
Laut Stefan Bratzel, Automobilexperte vom "Center of Automotive Management", muss beim Thema Elektromobilität langfristiger gedacht werden. Das bedeute auch Rückschläge. Sorgen um Northvolt macht er sich jedoch nicht.
Die Nachricht, dass der schwedische Batteriezellenhersteller Northvolt seine Ausbau-Pläne überdenken und gegebenenfalls auf die Bremse treten will, hat für viel Aufruhr gesorgt. Inzwischen hat das Unternehmen mitgeteilt, dass die Entscheidung keinen Baustopp für das geplante Werk in Heide (Kreis Dithmarschen) bedeuten soll. Für Automobilexperte Stefan Bratzel ist die Entwicklung ein Zeichen dafür, das Northvolt zu schnell wachsen wollte. Es brauche solche Unternehmen, betont er im Interview mit NDR Schleswig-Holstein - doch noch müssten Prozesse optimiert und dabei auch Rückschläge einkalkuliert werden.
NDR Schleswig-Holstein: Herr Bratzel, der CEO von Northvolt hat in einem Interview in Schweden gesagt, dass man zwar keine Krise habe, aber trotzdem umplanen müsse. Ist das jetzt eine bedrohliche Situation, in der sich Northvolt befindet?
Stefan Bratzel: Ich glaube, das Northvolt ein Akteur ist, der im Vergleich zum internationalen Wettbewerb, insbesondere aus China, eben noch deutlich dazulernen muss. Es zeigt sich, dass die Geschwindigkeit, in der Northvolt vorgeht, vielleicht ein Stück weit überschätzt wurde. Man muss es schaffen, zu vergleichbaren Kosten wie der Wettbewerb zu produzieren. Es geht in den nächsten Monaten, vielleicht sogar Jahren darum, die Prozesse stabiler hinzubekommen, um eben in einer vernünftigen, vergleichbaren Weise auch die Kosten pro Kilowattstunde realisieren zu können.
NDR Schleswig-Holstein: Sind das Kinderkrankheiten eines Konzerns, der mit seinem Erfolg vielleicht schon überfordert ist?
Bratzel: Es geht tatsächlich darum, dass ein vergleichsweise junges Unternehmen, das schnell wächst, jetzt lernen muss, seine Prozesse in den Griff zu bekommen. Es gibt Zeitpläne, die man nicht einhält. Es gibt sicherlich auch Prozessverbesserungen, die noch umgesetzt werden müssen, um in der entsprechenden Qualität zu bestimmten Preisen die Zellen zu produzieren. Ich gehe schon davon aus, dass die nächsten zwei, drei, vier Jahre bei Northvolt nicht ganz einfach werden.
NDR Schleswig-Holstein: Nun haben ja viele Menschen in Heide und Schleswig-Holstein die Hoffnung, dass Northvolt ein Vorreiter ist und für noch mehr Ansiedlungen in der Region sorgt. Ist das Ganze jetzt in Gefahr, muss man sich vor Ort Sorgen machen?
Bratzel: Ich glaube nicht, dass man sich konkret schon Sorgen machen muss. Aber man muss vielleicht in längeren Zeiträumen rechnen. Das Thema Elektromobilität ist ein Langfrist-Thema, ist ein Marathon. Wir haben enormen Wettbewerb - im Moment, insbesondere eben auch aus China. Das bedeutet für einen Standort und für die Player dort vor Ort, dass es Rückschläge geben wird. Mittel- und langfristig führt an dem Thema Elektromobilität aber kein Weg vorbei. Wir brauchen ein Unternehmen wie Northvolt, das Batteriezellen in Deutschland produziert - also europäische Akteure, mit denen wir ein Stück weit die Konkurrenz von chinesischen Playern etwas egalisieren können. Insofern mache ich mir nicht grundsätzlich Sorgen über den Standort von Northvolt in Heide, aber wir müssen einen längeren Atem haben, um tatsächlich diese Transformation hinzubekommen.
NDR Schleswig-Holstein: Also so schnell, wie Northvolt das am Anfang wollte, funktioniert es nicht - und das merkt dieses aufstrebende Unternehmen jetzt?
Bratzel: Ja, ich glaube, das ist eine große Erkenntnis, dass man zwar große Wachstumspläne hat - die sind auch richtig - aber man muss auch Rückschläge mit einkalkulieren. Man braucht längere Zeit um den Kompetenzrückstand, den man in Europa im Vergleich etwa zu China hat, aufzuholen. Das kann und wird gelingen. Aber man muss hier deutlich längere Zeiträume einplanen.
Das Gespräch führte NDR-Reporter Tobias Gellert.