Keine Gemeinde will den Sachsenwald haben

Stand: 15.04.2025 19:21 Uhr

Der Sachsenwald der Familie von Bismarck ist ein gemeindefreies Gebiet. Das will das Land ändern und hat den umliegenden Kommunen bis Ostern Zeit gegeben, sich für eine freiwillige Eingemeindung zu entscheiden. Nach NDR Recherchen hat jedoch keine Kommune Interesse.

von Hauke von Hallern

Der Sachsenwald ist Schleswig-Holsteins größtes zusammenhängendes Waldgebiet. Das 70 Quadratkilometer große Gebiet liegt im Lauenburgischen, östlich von Hamburg. Seit 1871 ist der Wald im Besitz der Familie von Bismarck. Er ist ein gemeindefreies Gebiet mit einem uralten Privileg: Der Eigentümer kümmert sich um Wege, Straßen und Brücken, darf aber auch Gewerbesteuer kassieren.

Verträumte Stimmung im Sachsenwald bei Dassendorf. © Klaus Jornitz Foto: Klaus Jornitz
Der Sachsenwald ist Schleswig-Holsteins größtes zusammenhängendes Waldgebiet

Von Bismarck lockt Firmen mit einem niedrigen Steuersatz. In einer Hütte mitten im Sachsenwald hatten bis zu 20 Unternehmen ihren Sitz. Laut Landesregierung hat von Bismarck seit 2017 rund 2,3 Millionen Euro Gewerbesteuer kassiert. Dem will das Land ein Ende setzen, das Gebiet eingemeinden. Vom Innenministerium hieß es - Freiwillige vor. Nun ist klar: es gibt keine Freiwilligen. "Wir haben uns einstimmig dazu entschlossen, das erst mal nicht freiwillig zu machen, weil es Unwägbarkeiten gibt, die wir noch nicht voraussehen können", erklärt der Bürgermeister von Aumühle, Knut Suhk (Grüne).

Das Straßen- und Wegenetz verursacht Kosten

Eine Luftbildaufnahme eines Waldes © NDR Foto: NDR Screenshot
Laut Bürgermeister Knut Suhk sind die Wege und Straßen im Wald insgesamt 50 Kilometer lang.

Das hat für ihn drei wesentliche Gründe. Dazu gehört das Straßen- und Wegenetz im Sachsenwald. Laut Bürgermeister ist das Wegenetz im Sachsenwald 50 Kilometer lang. Die Instandhaltung von wenigen hundert Metern Gehweg koste schnell 65.000 Euro und mehr, sagt er. Die Gemeinde müsste sich aber nur um die öffentlichen Wege kümmern. "Letztendlich ist die große Frage, ob es reine Privatwege sind, dann hätten wir damit nichts zu tun, dann muss sich halt der Eigentümer kümmern. Dann sind wir raus aus der Verkehrssicherungspflicht." Doch oft seien die Wege nicht rein privat, zumindest für die Eigentümer. Ein Streitpunkt der schon programmiert sei, meint Suhk. Denn: Nicht nur den von Bismarcks gehört der Wald - sondern noch 19 weiteren Privateigentümern.

Viele historische Brücken im Sachsenwald

Ein weiterer Grund sind die Brücken: Durch den Sachsenwald fließen die Bille und die Schwarze Au. Die Instandsetzung einer zehn Meter langen Brücke über die Schwarze Au hat zum Beispiel 250.000 Euro gekostet. Ein schwer zu kalkulierender Kostenfaktor, meint Suhk.

Eine Brücke spannt sich über einen Fluss © NDR Foto: NDR Screenshot
Die Sanierung dieser Brücke hat 250.000 Euro gekostet.

Der nächste Knackpunkt ist der Brandschutz. Bis jetzt kümmert sich darum die Gemeinde Aumühle und wird dafür vom Eigentümer bezahlt. "Das würde in Zukunft dann wegfallen, weil dann wäre es Gemeindegebiet und wir wären originär dafür zuständig, den Sachsenwald zu sichern", erklärt Suhk. Gemeindeeinnahmen von 10.000 Euro jährlich würden wegfallen.

Kostenrisiko für klamme Gemeindekassen

Nach Angaben von Christoph Mager, Landrat im Kreis Herzogtum Lauenburg, spielen die Kosten für die Gemeinde eine entscheidende Rolle. "Wenn man sich anschaut, was die Städte und Gemeinden hier im Kreis auch zu bewerkstelligen haben, sei es bei der Sanierung von Schulen oder sei es bei der Sanierung von Feuerwehrgerätehäusern, dann ist das jetzt natürlich ein Faktor mit dem Sachsenwald, der die Risiken verstärkt", meint der Landrat. Vor dem Hintergrund könne er sich vorstellen, dass einige Gemeindevertreter sich dagegen ausgesprochen hätten, freiwillig diese zusätzlichen Pflichten auf sich zu nehmen.

Kommunen fordern finanzielle Unterstützung vom Land

Das "Nein" zur freiwilligen Eingemeindung hat nach Meinung von Bürgermeister Suhk aber auch einen Zweck. "Letztendlich muss es das Land dann machen. Wenn sie uns irgendetwas aufoktroyieren, dann sind sie natürlich auch für die Kosten zuständig, das ist die sogenannte Konnexität", meint der Aumühler Bürgermeister. Das sei letztendlich auch das Anliegen dabei. "Es kann nicht sein, dass wir einfach etwas übergestülpt kriegen, ohne dass es dabei einen Ausgleich oder Sonstiges gibt."

Die entscheidende Frage für die Gemeinden: Bringt die Gewerbesteuer mehr Geld ein, als der Sachsenwald sie kosten würde? Denn einige Firmen haben ihren Sitz in der Waldhütte bereits wieder abgemeldet. Der Eigentümer großer Teile des Sachsenwaldes, von Bismarck, hat NDR Anfragen zur Diskussion um das gemeindefreie Gebiet unbeantwortet gelassen. Das Land möchte sich aktuell noch nicht äußern, weil es von den Kommunen noch keine offizielle Absage erhalten hat. Es hat aber bereits angekündigt, dass es das Gebiet notfalls per Gesetz zwangseingemeinden will. Am 21. Mai soll es einen weiteren Gesprächstermin mit den umliegenden Gemeinden geben.

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 15.04.2025 | 19:30 Uhr

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