Der Weg der "Leopard"-Panzer: Über Flensburg in die Ukraine

Stand: 13.03.2023 13:58 Uhr

Drei Länder wollen die Ukraine mit "Leopard 1"-Panzern unterstützen. Ein großer Teil wird in Flensburg fit gemacht. Doch was bringen die Fahrzeuge? Und wie funktioniert das Geschäft?

von Tim Diedrichs und Jörg Jacobsen

Es ist eine ruhige Wohnstraße mit vielen Einfamilienhäusern im Norden Flensburgs, nur drei Kilometer entfernt von der dänischen Grenze. Gegenüber vom Spielplatz stehen hinter einem grauen Maschendrahtzaun Dutzende alte Panzer. Die meisten sind eingehüllt in Planen, die früher mal eine Farbe hatten, aber jetzt stark ausgeblichen sind. Andere sind in einer weißen Leichtbauhalle versteckt vor neugierigen Blicken. Die Panzer gehören seit einigen Jahren der Flensburger Fahrzeugbau Gesellschaft (FFG) und sollen jetzt wieder in den Einsatz - in die Ukraine. "'Leopard 1'-Panzer sind einfach eine entscheidende Waffe", sagt der ehemalige dänische Offizier Eigil Schjønning. "In einigen Gebieten können sie die Kampfhandlungen für die Ukrainer entscheiden."

Ex-Offizier: "Diese Panzer könnten Krieg entscheiden"

Kaum jemand kennt die 99 "Leopard 1"-Panzer, die in Flensburg stehen, besser als Eigil Schjønning. Jahrelang ist der heute 65-Jährige selbst in den Panzern gefahren, bevor sie das dänische Militär an das Flensburger Unternehmen verkauft hat. Im Bosnienkrieg war Schjønning als Kampfgruppenführer für den weltweit ersten Kampfeinsatz der "Leopard 1"-Panzer verantwortlich. Er ist davon überzeugt, dass die Panzer in der Ukraine sogar für eine Entscheidung des Krieges sorgen könnten. "Die 'Leopard 1'-Panzer werden neue Bewegung in den Konflikt bringen. Es ist möglich, dass diese Bewegung dann auch zum Ende des Krieges führen wird."

Kieler Institutsleiter: Panzer werden nur im Kollektiv einen Unterschied machen

Ganz so optimistisch ist man am Kieler Institut für Sicherheitspolitik (ISPK) noch nicht. "Die Panzer müssen im Kollektiv funktionieren. Alleine retten die Panzer aus Flensburg die Ukraine nicht", so der Leiter, Professor Dr. Joachim Krause. Trotzdem sehen die Wissenschaftler die Anfang Februar verkündete Exportgenehmigung der "Leopard 1"-Panzer als gutes und wichtiges Zeichen. "Sie bringt der Ukraine mehr Sicherheit und damit auch uns."

Welchen Einfluss die Panzerlieferungen für den Ausgang des Krieges haben wird, hänge auch sehr stark von den weiteren Entscheidungen ab. "In einer Zeit, in der die ukrainischen Panzer immer weiter abgenutzt sind, ist es dringend geboten, dass es neue Waffen für die Ukraine gibt. Ansonsten geht der Krieg für die Ukraine vielleicht verloren", sagt Krause.

Millionengeschäft für Flensburger Unternehmen 

Blick durch Stacheldrahtzaun auf mehre Kampfpanzer "Leopard 1" auf dem Werksgelände der Flensburger Fahrzeugbau Gesellschaft (FFG) © picture alliance/dpa Foto: picture alliance/dpa | Axel Heimken
Auf dem Gelände der Flensburger Fahrzeugbau Gesellschaft stehen Dutzende alte Panzer.

Für den Flensburger Mittelständler FFG wird sich der Verkauf der "Leopard 1"-Panzer vermutlich finanziell lohnen. 2010 soll die FFG die ausgemusterten Panzer nach dänischen Medienberichten für umgerechnet rund 13.000 Euro pro Fahrzeug vom dänischen Militär gekauft haben. Das dürfte in etwa dem Schrottwert entsprochen haben. Nach Informationen von NDR Schleswig-Holstein kosten sie jetzt ein Vielfaches des ursprünglichen Preises. Die Regierungen von Deutschland und Dänemark haben nach Angaben des dänischen Brigadegenerals Jakob Henius vereinbart, sich die Kosten für die Panzer aus Flensburg zu teilen.

Wie viel die beiden Länder zahlen werden, ist nicht bekannt. "Ich habe eine E-Mail von einer Quelle erhalten. Die Mail sagt, dass die dänische Regierung in Betracht zieht, rund 130 Millionen Euro zu investieren, um die alten Panzer zurückzukaufen und wieder einsatzbereit zu machen", sagt der Fachjournalist Peter Rasmussen aus Kopenhagen im Gespräch mit dem NDR. Er ist sich sicher, dass die Informationen stimmen und pro Fahrzeug ein Preis von rund einer Million Euro gezahlt werde. In der von Dänemark veranschlagten Summe von umgerechnet 130 Millionen Euro dürften auch Kosten für den Transport, Ersatzteile, Munition und die Ausbildung von ukrainischen Soldaten inbegriffen sein. Das dänische Verteidigungsministerium wollte die genannten Summe nicht bestätigen. Die Flensburger Fahrzeugbau Gesellschaft lehnte eine Stellungnahme ebenfalls ab. Ob das Geschäft schon besiegelt ist, ist ebenfalls offen.

Drei Länder stehen hinter der Initaive

Fest steht: Eine Gruppe europäischer Staaten will zusammen mindestens 100 Panzer liefern. Bis zu 187 Stück könnten es gemäß der Genehmigung des Bundeswirtschaftsministeriums werden. "Dänemark, Deutschland und die Niederlande stellen instandgesetzte 'Leopard 1A5' aus Industriebeständen zur Verfügung", hieß es Anfang Februar in einer gemeinsamen Mitteilung der Verteidigungsministerien der drei Staaten. Die "Leo 1A5 Initiative" sei für weitere Partnerländer offen, heißt es weiter. Belgien soll bereits Interesse bekundet haben.

Belgische Ministerin kritisiert Preisvorstellung

In Belgien sind die außer Dienst gestellten "Leopard 1"-Panzer des Militärs ebenfalls in Privatbesitz. Allerdings gehen das Verteidigungsministerium und der Rüstungsunternehmer deutlich offener mit dem Deal um und streiten öffentlich über den Preis. "Sie verlangen bis zu 500.000 Euro für einen Panzer, den wir für 15.000 Euro verkauft haben. Und sie sind immer noch in der gleichen schlechten Verfassung wie damals", sagte Verteidigungsministerin Ludivine Dedonder dem öffentlich-rechtlichen Sender "VRT".

Waffenhändler: "Willst du sie umsonst nehmen?"

Der belgische Waffenhändler Freddy Versluys zeigte dem Sender VRT Dutzende Panzer, die eng aneinander geparkt in einer Lagerhalle stehen. Er bestreitet im Interview, dass er "zu teuer" sei. "Was willst du, willst du sie umsonst nehmen?", fragt Versluys den Reporter und nennt interessante Details zu den Instandsetzungskosten. Allein neue Stoßdämpfer würden ihm zufolge 36.000 Euro kosten, Ketten 120.000 Euro, ein überholter Motor 185.000 Euro und das Feuerleitsystem 500.000 Euro. Was wirklich ausgetauscht oder gewartet werden muss, dürfte sich von Fahrzeug zu Fahrzeug unterscheiden.

Der Zustand der alten Panzer in Flensburg soll nach Informationen von NDR Schleswig-Holstein vergleichsweise gut sein, einsatzbereit seien die Panzer aber derzeit noch nicht. Bis in den kommenden Monaten die ersten Panzer an die Ukraine geliefert werden, sollen noch umfassende Reparaturen anstehen. Die mehr als 500 Beschäftigten der FFG dürften also gut zu tun haben. Auch zu dieser Frage äußert sich die Firma auf Anfrage nicht.

Ist der alte "Leo" noch zeitgemäß?

Obwohl der Panzertyp inzwischen fast 60 Jahre alt und mit seiner 105-mm-Kanone deutlich schwächer bewaffnet ist, hat er nach Meinung von Fachleuten auch Vorteile im Vergleich zu moderneren Panzern. "Die Digitalisierung ist bei den alten Panzern natürlich noch nicht so weit fortgeschritten, wie bei modernen Panzern. Das macht es einfacher, ukrainische Soldaten an den Panzern auszubilden", meint Professor Joachim Krause vom Kieler Institut für Sicherheitspolitik.

Der "Leopard 1" ist mit seinen 42 Tonnen Gesamtgewicht deutlich leichter als der "Leopard 2" und dadurch flexibler einsetzbar. "Das Gewicht macht einen großen Unterschied, wenn man überlegt, dass die Panzer über die ukrainischen Brücken und Straßen müssen", so der ehemalige dänische Offizier Eigil Schjønning. "Für mich war es wie ein Wunder, dass die Panzer noch in Flensburg stehen und viele von der Firma sogar wieder einsatzbereit gemacht werden können. Diese Panzer sind einfach für den Krieg gemacht."  


13.03.2023 13:58 Uhr

Hinweis der Redaktion: In einer vorherigen Version dieses Artikels hieß es, dass Dänemark die Panzer aus Flensburg zurückkaufen wird. Inzwischen haben wir die Information erhalten, dass Deutschland und Dänemark sich die Kosten teilen werden. Wir haben die Angaben dazu im Text präzisiert.

 

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 20.02.2023 | 08:00 Uhr

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