VIDEO: Bruch der Ampel-Koalition: So reagiert der Norden (2 Min)

Nach Ampel-Aus - Nord-Politiker uneins über die Zukunft im Bund

Stand: 07.11.2024 21:11 Uhr

Nach der Entlassung von Finanzminister Lindner und dem Bruch der Ampelkoalition läuft die Debatte um die zukünftige Bundespolitik. SPD- und Grünen-Politiker aus Norddeutschland unterstützen den Plan von Kanzler Scholz für die Vertrauensfrage im Januar. CDU- und FDP-Politiker fordern mehr Tempo beim Neustart.

Kanzler Scholz (SPD) hatte am Mittwochabend Finanzminister Lindner gefeuert - es war der negative Höhepunkt monatelanger Streitigkeiten zwischen SPD, Grünen und FDP. In einem Statement im Kanzleramt sagte Scholz, das Vertrauensverhältnis zum FDP-Chef sei zerrüttet, ernsthafte Regierungsarbeit nicht mehr möglich.

In dem Richtungsstreit in der rot-grün-gelben Bundesregierung ging es zuletzt vor allem um den Kurs in der Wirtschafts- und Haushaltspolitik. Im Koalitionsausschuss hatten nach Angaben der Beteiligten verschiedene Kompromissvorschläge zur Fortsetzung der Zusammenarbeit auf dem Tisch gelegen. Eine Einigung kam aber nicht zustande. Scholz wollte mit Blick auch auf die Folgen des Ukraine-Krieges ein Aussetzen der Schuldenbremse. Das lehnte die FDP ab.

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Lindner: Scholz trägt Schuld für Ampel-Aus

Lindner gab Scholz die Schuld am Ampel-Crash. Der Kanzler habe einen kalkulierten Bruch der Koalition herbeigeführt - und "die wirtschaftlichen Sorgen der Bürgerinnen und Bürger lange verharmlost". Der Kanzler habe nicht die Kraft, Deutschland einen neuen Aufbruch zu ermöglichen.

Am Tag nach dem Ampel-Crash forderte Lindner die sofortige Vertrauensfrage von Scholz im Bundestag. Neuer Finanzminister ist Jörg Kukies, der bisher Staatssekretär im Kanzleramt war. Verkehrsminister Volker Wissing bleibt überraschend im Amt. Um keine Belastung für seine Partei zu sein, werde er aus der FDP austreten.

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Hamburgs Bürgermeister Tschentscher: Lindner zu Recht entlassen

Aus Sicht von Hamburgs Erstem Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) hatte sich Lindner in eine "finanzpolitische Sackgasse bewegt". Mit "unkontrolliertem Verhalten" hätten der bisherige Minister und die FDP Deutschland "in einer kritischen wirtschaftlichen und geopolitischen Lage zusätzlich geschwächt". Kanzler Scholz habe deshalb mit der Entlassung Lindners folgerichtig gehandelt. Forderungen nach einer schnelleren Neuwahl nannte Tschentscher "verantwortungslos".

Hamburgs Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) postete bereits am Mittwoch auf X mit Blick auf Lindner: "Zum Wesen der Demokratie gehört der Kompromiss. Wer dazu nicht in der Lage ist, mit dem ist kein Staat zu machen." Stabilität und Sicherheit in unsicheren Zeiten zu geben, sei mit dem bisherigen Finanzminister nicht mehr möglich gewesen.

CDU-Chef Dennis Thering sprach von einem "Totalausfall der Ampel". Diese Koalition sei Geschichte. Er forderte schnelle Neuwahlen. FDP-Landeschefin Sonja Jacobsen sagte, SPD und Grünen im Bund hätten Mut und Kraft zu dringend notwendigen Reformen gefehlt. 

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Niedersachsens Ministerpräsident Weil: Koalition war Belastung

"Das ist mit Sicherheit eine äußerst schwierige, aber am Ende richtige Entscheidung", teilte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) in einem Statement mit. "In diesen Zeiten ist eine Koalition, die sich nur streitet, eher eine Belastung als eine Unterstützung." Weiter schrieb Weil: "Regierungen sind kein Selbstzweck, sie müssen dem Land und den Menschen helfen."

FDP-Landeschef Patrick Döring nimmt nach dem Lindner- und Ampel-Aus bisher keinen Frust aus seiner Partei wahr: "Mein erster Eindruck ist nicht, dass die FDP-Anhänger mit dieser Entscheidung fremdeln, sondern mit ihr sehr gut umgehen können und die Argumentation von Christian Lindner auch nachvollziehen", sagte er dem NDR Niedersachsen.

Niedersachsens stellvertretende Ministerpräsidentin und Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne) bezeichnete die Entscheidung von Kanzler Scholz als folgerichtig. "Am Ende bleibt die Erkenntnis, dass es Christian Lindner und der FDP nur um das Überleben der eigenen Partei geht." Der Finanzminister habe staatspolitische Verantwortung vermissen lassen.

Niedersachsens CDU-Chef Sebastian Lechner meint, es sei gut für Deutschland, "dass das Ampel-Chaos ein Ende hat. Wir brauchen jetzt zügig Neuwahlen." Deutschland brauche schnell eine neue handlungsfähige Regierung unter Führung von CDU-Chef Merz.

Niedersachsens AfD-Chef Ansgar Schledde forderte, dass "jetzt ohne weitere Verzögerungen ein endgültiger Schlussstrich gezogen" wird.

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SH-Ministerpräsident Günther: Scholz macht es sich zu einfach

Aus Sicht von Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) mache es sich Kanzler Scholz zu einfach, die Schuld für das Ampel-Aus einseitig Lindner zu geben. "Ich glaube, das entspricht mitnichten den wirklichen Verhältnissen. Es ist die Gesamtverantwortung aller drei Parteien, dass sie es nicht geschafft haben, in einer solchen Krisenzeit auch gemeinsam Verantwortung für Deutschland zu übernehmen." Günther fordert von Scholz, auf "taktische Spielchen" zu verzichten. Vertrauensfrage und Neuwahlen müssten sobald wie möglich kommen.

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Die SPD-Landesvorsitzende Serpil Midyatli verteidigte das Vorgehen von Scholz. Die Basis für eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der FDP sei leider nicht mehr gegeben, vor allem nicht mit Lindner.

Grünen-Fraktionschef Lasse Petersdotter sagte, es sei gut, endlich Klarheit zur Zukunft der Ampel zu haben. "Mit der FDP war kein verantwortungsbewusster Haushalt zu machen. Ich freue mich jetzt auf einen heißen Winterwahlkampf. Ich freue mich darauf, Wahlkampf für Robert Habeck zu machen."

Christopher Vogt, Fraktionschef der FDP im Landtag in Kiel, sagte, es sei offensichtlich gewesen, dass man zuletzt bei der elementaren Frage, wie man den Wohlstand in Deutschland sichern kann, nicht mehr zusammengekommen sei. Jetzt sei es gut, dass der Weg für Neuwahlen frei ist.

MV-Ministerpräsidentin Schwesig: Scholz hat richtig entschieden

Auch Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig hält den Bruch der Ampel-Koalition im Bund für richtig. Scholz habe Klartext gesprochen. "Der Dauerstreit musste ein Ende haben", teilte die SPD-Politikerin mit. Der soziale Zusammenhalt im Land dürfe nicht verloren gehen.

Linken-Landeschef Hennis Herbst beklagte eine Verantwortungslosigkeit der Ampel-Koalition. In Zeiten großer Unsicherheit, einer Wirtschaftskrise und der Wahl Trumps hätte die Regierung mehr Führungsstärke beweisen müssen. 

René Domke, FDP-Fraktionschef in Mecklenburg-Vorpommern, verteidigte das Vorgehen seiner Parteifreunde in Berlin. Eine Koalition, in der Finanzminister Lindner vom SPD-Kanzler aufgefordert worden sei, "verfassungswidrig gegen die Schuldenbremse zu verstoßen, kann keinen Bestand haben".

Der CDU-Fraktionschef im Schweriner Landtag, Daniel Peters, sagte, das Ampel-Aus dürfe die Krise in Deutschland nicht verschärfen, auch deshalb müsse es schnell Neuwahlen geben. Allerdings werde sich die Union bis dahin einzelne, schon geplante Vorhaben "sicher genau anschauen".

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Philipp Amthor aus Greifswald nannte in einem NDR Interview Scholz' Aufforderung nach einer Unterstützung von Rot-Grün "völlig absurd". Er fordert Neuwahlen im Januar. Was Deutschland brauche, sei "eine stabile und handlungsfähige Regierung und nicht irgendwelche wechselnden Mehrheiten".

Die Grünen-Spitze im Land fordert angesichts der Regierungskrise "einen geordneten Übergang, damit unser Land handlungsfähig bleibt". Es sei klar, dass Deutschland nach der Wahl von Donald Trump nun eine entschiedenere Führungsrolle in der Unterstützung der Ukraine übernehmen müsse, so der Landesvorsitzende Ole Krüger.

Der AfD-Landesvorsitzende und Bundestagsabgeordnete Leif-Erik Holm sprach nach dem Ampel-Aus von "einer guten Nachricht für Deutschland". Es werde große Anstrengungen kosten, die Schäden zu reparieren und das Chaos zu beseitigen, das die Ampel hinterlassen habe.

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Merz fordert von Scholz sofortige Vertrauensfrage

SPD und Grüne bleiben bis auf Weiteres Koalitionspartner - sie wollen bis Weihnachten noch mehrere Gesetze im Bundestag zur Abstimmung stellen. Scholz und Oppositionsführer Friedrich Merz trafen sich am Donnerstagmittag für etwa 30 Minuten, um über das weitere Vorgehen zu sprechen.

Der CDU-Politiker hatte vorab von Scholz gefordert, die Vertrauensfrage spätestens in der kommenden Woche zu stellen. Es brauche jetzt eine Neuwahl. Ähnlich äußerte sich CSU-Chef Markus Söder. Vor der wahrscheinlich vorgezogenen Bundestagswahl will das neue Bündnis Sahra Wagenknecht schnell in vier Bundesländern seine letzten Landesverbände gründen, wie eine Sprecherin mitteilte. Parteistrukturen fehlen demnach noch in Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg und Bayern.

In der ARD-Sendung "Mitreden! Deutschland diskutiert" erklärte Saskia Esken, Bundesvorsitzende der SPD, dass es eine Entscheidung des Bundeskanzlers sei, wann er die Vertrauensfrage stellt. "Warum am 15. Januar? Wir sind mitten in einer Legislatur, wir haben wichtige Finanzierungsfragen zu klären, bevor die Vertrauensfrage gestellt wird", sagte Esken.

Verkehrsminister Wissing bleibt im Amt

Nach dem Aus für Lindner traten Justizminister Marco Buschmann und Bildungsministerin Bettina Stark Watzinger zurück. Verkehrsminister Wissing übernimmt bis auf Weiteres das Justizministerium, Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) zusätzlich das Bildungs- und Forschungsministerium.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier rief die Parteien im Bundestag mit Blick auf das Ende der Ampel zu Vernunft und Verantwortung auf. Am Nachmittag überreichte er die Entlassungsurkunden an Lindner, Buschmann und Stark-Watzinger.

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NDR Info | Aktuell | 07.11.2024 | 17:20 Uhr

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