Bürgergeld scheitert im Bundesrat: Keine Zustimmung der Union
Der Bundesrat hat dem vom Bundestag beschlossenen Bürgergeld am Montag nicht zugestimmt, weil die Unions-regierten Länder nicht mitzogen. Die Bundesregierung will nun den Vermittlungsausschuss anrufen.
Die Union hatte im Vorfeld bereits angekündigt, dass die von ihr geführten oder mitregierten Länder gegen das Gesetz stimmen beziehungsweise sich enthalten würden. CDU-Generalsekretär Mario Czaja warf der Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP vor, mit der Reform der Hartz-IV-Grundsicherung zum Bürgergeld das Prinzip von Fordern und Fördern aufzugeben. Es gebe keinen Druck, diese Reform im Eilverfahren durch das Parlament zu bringen, so Czaja.
Das Bürgergeld soll nach einem Beschluss des Bundestages ab 2023 die Hartz-IV-Leistungen ablösen. In der etwa einstündigen Debatte im Bundesrat sagte die baden-württembergische Arbeitsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU), das Bürgergeld benötige die Akzeptanz von denen, die es finanzieren. Sie kritisierte die vorgesehene Höhe des Schonvermögens und die geplanten Karenzzeiten, in denen es weniger Sanktionen gegen Arbeitslose, die ihre Mitwirkung verweigern, geben soll.
Heil: Bis zur Bundesratssitzung am 25. November Einigung finden
Der Bundestag hatte das Bürgergeld am Donnerstag beschlossen. Das Gesetz kann aber nur mit Zustimmung des Bundesrates in Kraft treten. Dort war und ist die Ampel auch auf Ja-Stimmen der Unions-regierten Länder angewiesen. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte vor der Abstimmung im Bundesrat um die Zustimmung der Union geworben und ankündigt, anderenfalls werde die Bundesregierung sofort den Vermittlungsausschuss anrufen. Ziel sei es, bis zur nächsten regulären Bundesratssitzung am 25. November zu einer Einigung zu kommen. "Meine Hand zur Lösung ist ausgestreckt", sagte Heil. Er halte Kompromiss für kein Schimpfwort. Die Bundesagentur für Arbeit warnte, dass eine Auszahlung von höheren Leistungen zum Jahresbeginn nicht gewährleistet sei, wenn sie nicht bis Ende November Klarheit habe.
MV-CDU-Chef Liskow: Ablehnung war richtig
Der CDU-Vorsitzende in Mecklenburg-Vorpommern, Franz-Robert Liskow, sagte nach der Sitzung, er finde die Ablehnung richtig. Er sehe im jetzigen geplanten Bürgergeld eine Abkehr vom Grundsatz "Fordern und Fördern" und das sei das völlig falsche Signal an die arbeitende Bevölkerung. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) hatte zuvor im Bundesrat dazu aufgerufen, eine zügige Kompromisslösung zu suchen. "Der Vermittlungsausschuss hat schon mehrfach bewiesen, dass er große Themen einigen kann", sagte sie.
Kritik von Opposition in Schleswig-Holstein
Der sozialpolitische Sprecher der Kieler FDP-Landtagsfraktion, Heiner Garg, bedauerte, dass auch Schleswig-Holstein sich daran beteiligt habe, dass das Bürgergeld nicht die nötige Zustimmung erhielt. Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung enthalte eine Reihe positiver Elemente, darunter erhöhte Regelsätze, bessere Hinzuverdienstregeln und stärkere Förderung von Qualifikationen und Berufsabschlüssen. "Im Sinne der Millionen leistungsberechtigten Menschen erwarte ich gerade in dieser Situation ein zügiges und konstruktives Vermittlungsausschussverfahren", sagte Garg. Für den SSW kritisierte der Abgeordnete Christian Dirschauer, die CDU-geführten Länder spielten die Armen gegen die Ärmsten aus: "Das ist unanständig und trägt lediglich dazu bei, die gesellschaftliche Spaltung weiter voran zu treiben." Das Bürgergeld sei nötig, auch wenn es in der Höhe immer noch nicht ausreichend sei. Aus Sicht des SSW gehörten Sanktionen ganz abgeschafft, so Dirschauer.
Tschentscher: Vermittlungsausschuss muss schnelle Einigung erzielen
Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) drängt auf eine rasche Lösung im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat. Das Bürgergeld sei "eine wichtige Entlastung für Millionen Menschen, die in schwierigen Zeiten auf Unterstützung angewiesen sind", schrieb der Bundesratspräsident bei Twitter. "Der Vermittlungsausschuss muss jetzt schnell zusammenkommen, um eine Einigung zu erzielen", forderte er. Auch Hamburgs Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) forderte eine rasche Einigung. Im Vermittlungsausschuss müssten "jetzt schnell pragmatische Kompromisse" gefunden werden, um das Bürgergeld zum 1. Januar auf den Weg zu bringen, twitterte sie . "Das Nein der Union ist eine schlechte Nachricht. In diesen Zeiten brauchen wir mehr gesellschaftlichen Zusammenhalt, keine Neiddebatten", so Fegebank.
Union lehnt vor allem höheres "Schonvermögen" ab
Das Bürgergeld soll das 2005 eingeführte Arbeitslosengeld II (Hartz IV) ersetzen. Die Reform soll eine Vermittlung der Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt erleichtern, unter anderem durch mehr Qualifizierung und Weiterbildung. Auch die Möglichkeiten für Zuverdienste mit geringeren Abzügen beim Bürgergeld werden erweitert. Die Erhöhung der Zahlungen will die Union mittragen. Sie lehnt aber vor allem die geplante Erhöhung des sogenannten Schonvermögens ab. Diese finanziellen Reserven müssen Bedürftige nicht antasten, wenn sie Bürgergeld bekommen wollen. MV-Ministerpräsidentin Schwesig hatte die Kritik am Montagmorgen auf NDR Info zurückgewiesen. Auch das neue Bürgergeld beinhalte den Grundsatz, dass der, der arbeite, auch mehr habe, als der, der nicht arbeite, sagte Schwesig.
Die Linkspartei und Sozialverbände kritisieren das Bürgergeld grundsätzlich als zu niedrig.
Die wichtigsten Punkte des geplanten Bürgergelds im Überblick
- Erhöhung der Regelsätze: Der heutige Hartz-IV-Regelsatz von 449 Euro für Alleinstehende soll auf 502 Euro pro Monat angehoben werden. Für Erwachsene unter 25, die noch bei ihren Eltern leben, erhöht sich der Betrag auf 402 Euro, für Jugendliche zwischen 14 und 18 liegt er künftig bei 420 Euro, für Kinder von sechs bis 14 bei 348 Euro. Bei Kindern unter sechs Jahren sind es 318 Euro.
- Weniger Sanktionen: Betroffene sollen sich stärker um Weiterbildung und Arbeitssuche kümmern können und dabei von Behörden weniger unter Druck gesetzt werden. In einer sechsmonatigen "Vertrauenszeit" zu Beginn der Arbeitslosigkeit sollen Empfängern nur eingeschränkt Leistungskürzungen drohen, etwa, wenn sie mehrfach einen Termin beim Jobcenter verpassen.
- Berechtigte: Berechtigt sind erwerbstätige Personen ab 15 Jahren, Hilfebedürftige unter 15 und über 65 Jahren sowie Personen, die ihren Lebensunterhalt nicht alleine decken können. Personen, deren Leistungen nach dem Arbeitslosengeld I auslaufen, haben ebenfalls Anrecht auf das Bürgergeld.
- Weiterbildung: Zusätzlich zum Bürgergeld soll es 150 Euro Weiterbildungsgeld pro Monat geben, wenn jemand einen Berufsabschluss nachholt oder 75 Euro zusätzlich, wenn andere Weiterbildungsmaßnahmen angenommen werden.
- "Schonvermögen": Für das erste Jahr, die sogenannte "Karenzzeit", müssen Bürgergeldempfänger ein Vermögen bis zu einer Höhe von 40.000 Euro nicht antasten, plus 15.000 Euro für jedes weitere Haushaltsmitglied. Die "Karenzzeit" betrifft auch Anlagen zur Altersvorsorge oder Eigenheime bis 140 und Eigentumswohnungen bis 130 Quadratmetern.
- Wohnung: Empfänger des Bürgergelds sollen im ersten Jahr nicht in eine kleinere Wohnung umziehen müssen.
- Zuverdienst: Von einem Verdienst zwischen 520 und 1.000 Euro sollen 30 Prozent (statt bisher 20 Prozent) behalten werden dürfen. Zudem sollen Schülerinnen und Schüler aus Bürgergeld-Familien ihre Einkommen aus Minijobs in voller Höhe (bis zu 520 Euro) behalten können.