Mutter vor Augen der Kinder getötet: Lebenslange Haft für Täter

Stand: 20.02.2025 19:00 Uhr

Das Landgericht Göttingen hat heute einen 40-Jährigen zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Richter waren davon überzeugt, dass der Mann seine Ehefrau vor den Augen der eigenen Kinder mit 23 Messerstichen getötet hat.

"Wir haben feststellen können, dass bei Ihnen eine paranoid-narzisstische Persönlichkeitsstörung vorliegt", sagte der Richter bei der Urteilsverkündung. Trotz der Persönlichkeitsstörung sei der Mann aus Sicht des Gerichts voll schuldfähig. Die Anklage hatte zudem gefordert, die besondere Schwere der Schuld festzustellen, weil die Kinder die Tat ja teilweise mit ansehen mussten. Dem folgte das Gericht nicht. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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Porträtfoto von Wieland Gabcke. © NDR

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Mordmerkmal der Heimtücke erfüllt

Die Staatsanwaltschaft hatte im Prozess dargelegt, dass der Beschuldigte im Mai 2024 gegen drei Uhr morgens ein am Vortag geschärftes Messer aus der Küche geholt und seine Frau mit mindestens 23 Stichen getötet hat. Am Tag vor der Tat habe der Mann eine elektrische Schleifmaschine gekauft. Aufgrund der Wehrlosigkeit des Opfers hatte die Staatsanwaltschaft das Mordmerkmal der Heimtücke als erfüllt angesehen. Dieser Einschätzung folgte das Gericht.

Vor einem Wohnhaus in Göttingen wurden Blumen nach einem Tötungsdelikt abgelegt. © NDR Foto: Wieland Gabcke
Nach dem Mord wurden bei Gedenkveranstaltungen Blumen vor dem Wohnhaus des Opfers abgelegt. Die getötete Frau war Mutter von vier Kindern. (Archivfoto)
Kinder nennen den Vater nicht mehr "Vater"

Zum Auftakt des Prozesses hatte der Angeklagte die Tat bestritten. Laut Aussagen der Polizei haben der Angeklagte selbst sowie eines der vier Kinder nach der Tat die Polizei gerufen. Die Kinder im Alter zwischen zwei und 16 Jahren seien durch die Schreie ihrer Mutter geweckt worden und mussten die Tat teils mit ansehen. Helen Wienands, die Anwältin der Nebenklage, bezeichnete den gesundheitlichen Zustand der vier Kinder als "schlecht". Unter anderem seien die Kinder in Sorge, dass man sie eventuell trennen könnte. Es sei 2024 ein Antrag auf Familiennachzug gestellt worden, damit die Großmutter aus Syrien zur Betreuung nach Deutschland kommen kann. Der Antrag sei noch nicht bearbeitet. Den Kindern sei es im Vorfeld des Urteils wichtig gewesen, dass der Vater zu lebenslänglicher Haft verurteilt werde, so Wienands. Sie würden ihren Vater auch nicht mehr "Vater" nennen, sondern nur noch beim Vornamen.

Urteilsverkündung hatte sich verschoben

Ursprünglich sollte das Urteil bereits Mitte Dezember gesprochen werden. Die Urteilsverkündung verschob sich, weil die Polizei eine Tonaufnahme auswerten musste. Die Aufnahme soll die getötete Ehefrau bereits im Januar 2024 heimlich gemacht haben. Darin habe der Mann angedroht, ihr ein "Verbrechen anzutun, das die Welt noch nicht gesehen habe", sagte die Anwältin der Nebenklage dem NDR Niedersachsen. Darin drücke sich ein weiteres Mordmerkmal aus - niedere Beweggründe, so die Anwältin. Der Angeklagte sei davon überzeugt gewesen, wegen patriarchalen Besitzdenkens Kontrolle über die Frau ausüben und über ihr Leben bestimmen zu können.

Menschen gedenken den Opfern von Femiziden vor dem Landgericht in Göttingen. © NDR Foto: Jan Fragel
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Gedenken an Opfer von Femizid

Wegen häuslicher Gewalt und Körperverletzung war der Angeklagte bereits polizeibekannt. Bevor seine Familie nach Deutschland nachziehen konnte, soll er in Schleswig-Holstein eine Beziehung zu einer Flüchtlingshelferin unterhalten haben. Diese hatte in ihrer Zeugenaussage vor Gericht angegeben, dass der Angeklagte auch ihr gegenüber gewalttätig geworden sei. Einmal habe er sie nach einem Streit an den Haaren aus der Wohnung gezogen und die Treppe hinuntergeworfen. Als sie Ende 2019 von ihm schwanger war, habe der Arzt ihr Ruhe verordnet und dringend angeraten, keinen Geschlechtsverkehr zu haben. Der Angeklagte habe sie aber noch am gleichen Abend zum Sex genötigt. Zwei Tage später habe sie das Kind verloren. Frauenorganisationen aus Göttingen bezeichnen die jüngste Tat als Femizid. Zum Prozessauftakt sowie kurz nach der Tat im Mai und zur Urteilsverkündung hatten das Göttinger Bündnis gegen Femizide, der Frauennotruf und das Göttinger Frauenhaus jeweils eine Gedenkveranstaltung organisiert.

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Hallo Niedersachsen | 20.02.2025 | 19:30 Uhr

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