Bauernproteste am Mittwoch: Landwirte blockieren erneut Straßen
Tag drei der Bauernproteste: Auch im Norden blockieren Landwirte am Mittwoch wieder Straßen. In Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern gab es bereits viele Aktionen.
Trotz des Einlenkens der Ampel-Koalition beim Agrardiesel und der Kfz-Steuer halten die Bauern an ihrer Protestwoche fest. Ihnen gehe es insgesamt um eine "vernünftige, nachhaltige Politik" für die Landwirtschaft, teilten die Bauern mit. Zum Auftakt am Montag war es durch Blockaden und Sternfahrten zu teils erheblichen Verkehrsproblemen in Norddeutschland gekommen. Auch am Dienstag gab es viele Aktionen im Norden.
Niedersachsen: Erneut Straßenblockaden und Bummelfahrten
In Niedersachsen kam es am Mittwochmorgen unter anderem in Cuxhaven zu erheblichen Verkehrsbehinderungen, da Trecker die Straßen blockierten. In Delmenhorst waren Traktoren in betont langsamem Tempo unterwegs. In Hatten wurde laut Polizei die Auffahrt auf die A28 blockiert. Auch in Meppen, Nordhorn, Herzlake und Haselünne gab es Proteste. In Vechta versammelten sich Landwirte mit ihren Treckern auf dem Europaplatz. Angeschlossen haben sich auch Protestierende des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga). Aufgrund der Versammlung kam es in Vechtas Innenstadt zu Verkehrsbehinderungen. Auch in anderen Landesteilen kam es laut Polizei zu Aktionen der Landwirte.
100 Trecker blockieren Containerterminal in Bremerhaven
In Bremerhaven und im Überseehafengebiet kam es am Mittwoch infolge der Bauern-Proteste zu erheblichen Verkehrseinschränkungen. Laut Polizei war das Containerterminal komplett abgeriegelt durch rund hundert Traktoren. "Der Hafen steht", sagte ein Bremenports-Sprecher. Die zwei Zugangsstraßen zum Terminal waren demnach blockiert. Da auch der Schienenverkehr durch den GDL-Streik eingeschränkt war, konnten Schiffe den Hafen nicht verlassen, weil sie auf Ladung warten mussten. Andere Schiffe konnten nicht einfahren, weil der Hafen belegt sei.
Schleswig-Holstein: Lübeck und Flensburg im Fokus
In Schleswig-Holstein gab es am Mittwoch eine Staffelfahrt von Landwirten nach Lübeck. Vier Konvois aus den Kreisen Stormarn, Herzogtum Lauenburg und Ostholstein trafen am Nachmittag in der Hansestadt ein - und sorgten dort für Verkehrsbehinderungen. Am Abend sprach die Polizei von bis zu 1.600 teilnehmenden Treckern.
In Flensburg waren nach Angaben eines Stadtsprechers etwa 2.000 Traktoren und andere Fahrzeuge im Rahmen des Landwirte-Protestes unterwegs. Teilweise staute sich der Verkehr dort bis zur Autobahn zurück, wie ein NDR Reporter berichtete. Die Polizei leitete einige Trecker inzwischen um. Zeitweise war der Konvoi einem Stadtsprecher zufolge 15 bis 20 Kilometer lang. Am Vormittag waren die Landwirtinnen und Landwirte nach Polizeiangaben sternförmig nach Flensburg gefahren. Auch vor dem Wahlkreisbüro von Wirtschaftsminister Robert Habeck fuhren Trecker vorbei - der Grünen-Politiker war aber nicht vor Ort.
Am Freitag soll es aus den Kreisen Plön, Rendsburg-Eckernförde und aus Lübeck einen Demonstrationszug nach Kiel geben. Auf dem Exerzierplatz planen die Organisatoren eine Kundgebung.
Mecklenburg-Vorpommern: Trecker sorgen auf Weg nach Schwerin für Stau
Auch in MV protestierten die Landwirte weiter: Wie eine Polizeisprecherin sagte, fuhren am Mittwochmorgen Landwirte aus dem Landkreis Ludwigslust-Parchim mit etwa 40 Traktoren nach Schwerin. Auch aus Richtung Norden seien Bauern mit ihren Fahrzeugen gekommen. Auf einigen Zufahrtsstraßen hätten sich Staus gebildet. Diese hätten sich aber rasch aufgelöst, nachdem die Traktoren an der vierspurigen Ludwigsluster Chaussee abgestellt wurden. Vor dem Wirtschaftsministerium in Schwerin gab es eine Kundgebung. Vor dem Landtag protestierten am Morgen zudem Jäger gegen das neue Jagdgesetz.
Minister Backhaus stellt Kompromisspapier vor
Mecklenburg-Vorpommerns Landwirtschaftsminister Till Backhaus (SPD) und Vertreter der Bauern- und Fischereiverbände des Landes legten am Mittwochabend ein Kompromisspapier zur Beendigung der Proteste vor. Gemeinsam appellierten sie an die Bundesregierung, die Vorschläge aufzugreifen und schleunigst mit dem Bauernverband Verhandlungen aufzunehmen. "Mit unseren Vorschlägen wollen wir eine Brücke bauen", sagte Backhaus.
Dem Kompromissvorschlag zufolge soll die Steuerbefreiung für Agrarfahrzeuge erst ab 2028 statt 2025 stufenweise abgeschafft werden. Parallel soll ein Anreizprogramm für den Einsatz von Biodiesel und Biogas aufgelegt werden, die aus heimischen Pflanzen gewonnen werden. Die Bauern würden bis 2028 auf die Steuerrückerstattung von jährlich 40 Millionen Euro verzichten. Das entspräche etwa zehn Prozent der aktuellen Rückerstattung von rund 400 Millionen Euro pro Jahr. Zudem werden alternative Einsparmöglichkeiten für den Bundeshaushalt genannt. Dazu gehören laut Backhaus unter anderem die eingeplanten Zuschüsse für tiergerechtere Schweineställe oder das Dienstwagenprivileg für Hybridfahrzeuge. "Auch im Umweltbereich kann im Interesse des sozialen Friedens gespart werden", sagte Backhaus. Als Beispiel nannte er Umweltprojekte, die mit Mitteln aus den Auktionserlösen für Offshore-Windparks finanziert werden sollen. Für die Fischer habe es da bereits einseitige Kürzungen gegeben.
Die Spitzenvertreter der an dem Gespräch beteiligten Verbände tragen nach eigenen Angaben die Vorschläge mit. "Wir stellen uns den Herausforderungen, die mit der Transformation in der Landwirtschaft verbunden sind, und haben auch schon große Einschnitte hingenommen. Das passierte immer im Dialog. Die aktuelle Situation ist entstanden, weil die Bundesregierung diesem Dialog aus dem Weg gegangen ist", sagte der Präsident des Landesbauernverbandes, Detlef Kurreck.
Landvolk Niedersachsen kündigt für Zukunft weitere Aktionen an
Holger Hennies, der Präsident des Landvolks Niedersachsen, kündigte am Mittwoch auch über die "Aktionswoche" hinaus Proteste der Bauern an. "Wir Landwirte haben einen langen Atem und werden unsere Aktionen auf jeden Fall fortsetzen - länger als es der Ampel-Koalition in Berlin lieb ist", sagte Hennies im Gespräch mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung". "Der Winter ist noch lang. Ich kann die Politik nur davor warnen, weiter so durchzuregieren, wie sie es momentan tut."
Protest gegen Kürzungen und für Bauern-freundliche Politik - Abgrenzung nach rechts
Die Protestierenden wenden sich gegen die Abschaffung der Steuervorteile bei Agrardiesel, aber auch gegen ihrer Ansicht nach überbordende Bürokratie und zu viel Regulierung. Sie wünschen sich mehr Vertrauen und "eine vernünftige, nachhaltige Politik mit Nachsicht für uns Landwirte", so Landwirt Otto Rogali aus Bobitz in Mecklenburg-Vorpommern. Dass die Proteste der Landwirte teilweise von Rechtsextremen für ihre Zwecke missbraucht werden, nimmt Rogali mit Unbehagen wahr. "Wir wollen einen friedlichen, vernünftigen, demokratischen Weg. Wir wollen die Regierung nicht stürzen. Wir wollen einfach Flagge zeigen, dass es so nicht weitergehen kann."
Der niedersächsische Verfassungsschutz teilte mit, eine organisierte Teilnahme von Rechtsextremisten an den Bauernprotesten könne in Niedersachsen bisher nicht beobachtet werden. Vereinzelt habe es Versuche von Rechtsextremisten und sogenannten Reichsbürgern gegeben, sich unter die Proteste zu mischen. Die Demos seien davon aber nicht geprägt gewesen.