Bundesregierung rudert bei Agrar-Kürzungen teilweise zurück
Angesichts massiver Proteste von Landwirten nimmt die Bundesregierung einen Teil ihrer Kürzungspläne im Haushalt 2024 zurück. Die Kfz-Steuerbefreiung für Landwirte soll nun doch bestehen bleiben und die Steuerbegünstigung beim Agrardiesel soll nicht mehr auf einen Schlag, sondern schrittweise bis 2026 wegfallen.
Ungeachtet der Zugeständnisse des Bundes will der Deutsche Bauernverband an der Aktionswoche mit Demonstrationen festhalten, die am Montag beginnen soll. Als Begründung erklärte der Verband, der Kompromissvorschlag sei unzureichend. "Unsere Position bleibt unverändert: Beide Kürzungsvorschläge müssen vom Tisch", sagte Präsident Joachim Rukwied am Donnerstag. Ansonsten würden die für kommende Woche bundesweit geplanten Aktionen wie angekündigt durchgeführt. Unter anderem werden am Montag rund 1.000 Landwirte mit ihren Treckern zu einer Sternfahrt nach Bremen erwartet.
Weil und Staudte auf Seite der Agrarbranche
Niedersachsens Agrarministerin Miriam Staudte hält die angekündigten Nachbesserungen der Bundesregierung ebenfalls für nicht ausreichend. "Dass die Agrardieselbeihilfe nun in mehreren Schritten reduziert werden und bis 2027 ganz wegfallen soll, kann uns nicht zufriedenstellen", sagte die Grünen-Politikerin. "Aus meiner Sicht ist dieser Zeitraum zu kurz, um bis dahin Alternativen zu entwickeln und ganz von den fossilen Brennstoffen wegzukommen." Dennoch begrüßte sie die Entscheidung der Ampelkoalition als "Schritt in die richtige Richtung, der dazu beiträgt, die überproportionale Belastung der Land- und Forstwirtschaft etwas abzufedern."
Zuvor hatte sie sich gemeinsam mit Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und fünf Bauernverbänden demonstrativ auf die Seite der Agrarbranche gestellt und die Regierungsfraktionen im Bundestag in einer Erklärung aufgefordert, die Steuervergünstigungen für die Landwirte beizubehalten. Weil zeigte Verständnis für die Demos, mahnte aber, die Proteste müssten im gesetzlichen Rahmen bleiben. In der Erklärung ist vor diesem Hintergrund eine Distanzierung von "nicht angemessenen Verhaltensweisen" bei den Kundgebungen enthalten. Proteste vor Privathäusern werden darin ausdrücklich als Beispiel genannt, ebenso wie das Zeigen von Galgen und das Verbrennen von Strohpuppen.
Landwirte hindern Minister Habeck am Verlassen einer Fähre
Dass solche Appelle notwendig sind, zeigt ein Beispiel aus Schleswig-Holstein: Dort versuchten Landwirte am Donnerstag, auf eine Fähre zu gelangen, auf der Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) aus dem Urlaub zurückkehrte. Sie blockierten den Anleger in Schlüttsiel und forderten ein Gespräch mit Habeck. Nach Angaben der Polizei handelte es sich um mehr als hundert Demonstranten. Rund 30 Beamte seien im Einsatz gewesen. Sie hätten auch Pfefferspray eingesetzt. Eine Sprecherin Habecks sagte, der Minister sei bereit gewesen, mit den Landwirten zu sprechen. "Leider ließ die Sicherheitslage ein Gespräch mit allen Landwirten nicht zu, das gemachte Gesprächsangebot mit einzelnen Landwirten wurde leider nicht angenommen." Laut Polizei beruhigte sich die Lage schnell, als die Fähre mit Habeck an Bord wieder in Richtung Hallig Hooge ablegte.
Schwesig begrüßt Nachbesserungen der Bundesregierung
Mecklenburg-Vorpommerns Regierungschefin Manuela Schwesig begrüßte derweil die angekündigten Nachbesserungen der Bundesregierung. "Es ist gut, dass die Bundesregierung auf den Protest der Landwirte reagiert", sagte die SPD-Politikerin. "Wir unterstützen die Landwirte darin, dass es zu keinen weiteren Belastungen kommen darf. Deshalb ist es gut, dass die erste Forderung von uns erfüllt ist. Die Kfz-Steuer ist vom Tisch." Mit Blick auf die geplanten Proteste ab kommendem Montag sagte sie: "Die Landwirtinnen und Landwirte haben das Recht zu protestieren und auch auf ihre Lage aufmerksam zu machen".
Proteste gegen die Beschlüsse aus Berlin dürfte es auch im Nordosten geben. Sie deute die ersten Zeichen so, dass das, was in Berlin auf den Tisch gelegt wurde, nichts an den Protestplänen ändere, sagte eine Sprecherin des Landesbauernverbandes. Derzeit tage der Landesvorstand und verständige sich dazu. Man wolle am Freitag weiter informieren.
Schleswig-Holstein: Proteste trotz Kompromissvorschlag
Auch Schleswig-Holsteins Agrarminister Werner Schwarz (CDU) äußerte sich positiv zu den geplanten Schritten der Bundesregierung. "Das Einlenken der Bundesregierung kann nur ein Anfang sein", mahnte er jedoch. Der deutschen Landwirtschaft fehlten durch den schrittweisen Wegfall der Steuerbegünstigung beim Agrardiesel rund 200 Millionen Euro. Die Bundesregierung müsse schnellstmöglich Lösungen aufzeigen, wie diese fehlenden Mittel gegebenenfalls auch an anderer Stelle kompensiert werden könnten, sagte Schwarz.
An den Protesten gegen die Sparbeschlüsse wollen sich in der kommenden Woche auch viele Landwirte aus Schleswig-Holstein beteiligen. Im ganzen Land soll es an drei Tagen Demonstrationen geben, kündigte der Präsident des Bauernverbands Schleswig-Holstein, Klaus-Peter Lucht, an. Auch er kritisierte die angekündigte, schrittweise Reduzierung bei der Teil-Rückerstattung der Mineralölsteuer als "nicht zufriedenstellend".
Verkehrsbehinderungen im Hamburger Stadtgebiet erwartet
Die Hamburger Polizei rechnet wegen der Trecker-Demos am Montag mit erheblichen Verkehrsbehinderungen im gesamten Stadtgebiet sowie auf Ausweichstrecken. Jeweils 250 bis 300 Traktoren sollen nach den Plänen der Anmelder aus Schleswig-Holstein kommend in Langenhorn, Rahlstedt und Bergedorf die Landesgrenze passieren und zu einer Abschlusskundgebung in der Hamburger Innenstadt fahren, wie die Polizei mitteilte. Im Süden würden fünf Trecker-Kolonnen mit jeweils mindestens 25 Fahrzeugen aus dem Bereich Seevetal erwartet.