Bauern wehren sich gegen rechte Stimmungsmacher bei Protesten

Stand: 10.01.2024 17:48 Uhr

Galgen, an denen eine Ampel aufgehängt wird oder rot, gelb und grün gefärbte Strohballen, die zerhäckselt werden: Die Stimmung brodelt unter den Landwirten. Es gibt immer wieder rechte Parolen - aber andere Bauern wehren sich gegen Extremismus.

von Konstanze Nastarowitz

Bernhard Barkmann ist Landwirt in Niedersachsen und bloggt zu Agrar-Themen. Manche Protest-Symbole, wie zum Beispiel die Galgen, findet er "martialisch" und für rechte Gruppierungen anschlussfähig. Das sollten die Bauern vermeiden, findet der Landwirt, der sich in der CDU engagiert. "Sollten diese Anwanzungsversuche von rechts erfolgreich sein, dann wird nur noch über diese rechte Einvernahme gesprochen." Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer (Grüne) hatte vor einigen Tagen auf X (ehemals Twitter) auf solche Galgen-Symbole aufmerksam gemacht: "Das kommt von der Verharmlosung rechter Hetze gegen Demokrat*innen."

Rechte Meinungsmacher im Netz

In den sozialen Medien war in den vergangenen Tagen und Wochen zu beobachten, wie rechte Meinungsmacher versuchen, bei den Bauernprotesten mitzumischen. Das extremistische Magazin "Compact" mobilisiert intensiv für die Bauernproteste, die Videos tragen Titel wie "Vom Acker in den Widerstand" und "Robert Habeck zittert vor Bauern-Umsturz". Auf X wiederum kursierten im Vorfeld Bilder, die offenbar von einer KI generiert wurden: Sie zeigen eine große Anzahl Trecker, in einem jubelnden Meer von Deutschland-Flaggen.

"Landwirtschaft ist bunt und nicht braun"

Landwirt Barkmann versucht, der Entwicklung etwas entgegenzusetzen. Um der Bauernschaft bei den Demos auch ein optisches Signal mit auf den Weg zu geben, hat der Blogger auf seiner Website große, bunte Banner zum Herunterladen bereitgestellt: "Landwirtschaft ist bunt und nicht braun" steht darauf. Die Nachfrage sei laufend da, berichtet Barkmann: "Das ist eine relativ einfache Möglichkeit, auch nach außen hin klarzumachen: Wir stehen in der Mitte der Gesellschaft, und wir rücken nicht nach rechts und rücken auch nicht nach links."

Erzählungen über die Eliten

Die Wissenschaftlerin Janna Luisa Pieper von der Universität Göttingen beobachtet die Bauernproteste schon länger. Sie stellt fest, dass Formulierungen über angebliche Eliten, die sich gegen die Landwirte und Landwirtinnen verschworen hätten, bei einigen Bauern immer wieder vorkommen: "Das sind eben Erzählungen, die auch im Rechtspopulismus eine große Rolle spielen." Zusätzlich gebe es aber auch Erzählungen über die Medien, die sich gegen sie verschworen hätten und gegen die Landwirtschaft arbeiten würden. Mit Blick auf die Mediennutzung der Bauernschaft kommt sie zu dem Schluss, dass viele sich in Gruppen bei WhatsApp und Telegram verbinden - Gruppen, die "auch einen gewissen Effekt haben, wenn es darum geht, bestimmte Meinungen zu pushen".

"Grüne Welle brechen, Ampel stoppen" steht auf einem Plakat der Bewegung "Land schafft Verbindung" (LSV) an einem Kreuz mit einem Gummistiefel an der Spitze. © dpa Foto: Lars Penning
AUDIO: Wer radikalisiert die Bauernproteste? (4 Min)

Der Durchschnitt der Landwirtschaft auf den Straßen

Auf den Straßen sei gerade aber ein großes Meinungsspektrum der Bauernschaft vertreten, quasi der Durchschnitt der Landwirtschaft. Das verdeutliche, wie ernst die Lage empfunden werde. Viele Landwirte und Landwirtinnen fühlten sich nicht mehr wertgeschätzt: "Und um das zu erlangen, passieren jetzt die Proteste. Im Prinzip ist es so eine Art Abstiegskampf."

Für Bauer Barkmann aus Niedersachsen ist klar: Die Konsequenz dürfe jetzt nicht sein, gar nicht mehr zu demonstrieren: "Eine schlechte Reaktion der demonstrationswilligen Bauern wäre es, wenn sie jetzt den Rechten das Feld freigeben würden. Das wäre das Allerschlimmste."

Gegenbewegung in den sozialen Medien

Zwei Traktoren mit Protestplakaten bei Nacht. © NDR Foto: Maren Osterbuar
Immer mehr Landwirte stellen sich bei Demos gegen rechte Parolen.

In den sozialen Medien kann man mittlerweile auch eine Art Gegenbewegung zu den rechten Vereinnahmungsversuchen beobachten - Landwirte und Landwirtinnen teilen Fotos von bunten Protestplakaten, die junge Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft verbreitete bei Instagram ein Video mit der Botschaft: "Wir brauchen keine gewalttätigen Umsturzfantasien von rechts". Besonders kreativ ist das Video eines Bauernhof-Accounts bei Instagram. Musikalisch untermalt wird hier wird unter dem Motto "Landwirtschaft ist bunt nicht braun" der Vergleich aufgemacht: Bunte Lebensmittel wie Salami, Gurke, Salat - gegen fauliges Obst.

Weitere Informationen
Bei einer Großkundgebung in Berlin halten einige Landwirte Protest-Schilder hoch. © dpa Foto: Monika Skolimowska

Aufgeheizte Stimmung bei Bauernprotesten - Entlastungen angekündigt

Aus dem Norden haben sich Tausende Landwirte am Großprotest in Berlin beteiligt. In Niedersachsen blockierten Landwirte Supermärkte mit Treckern. mehr

Teilnehmende einer Demonstration in Anklam am Tag der Bauernproteste in MV. © NDR MV Foto: NDR MV

Gekaperter Protest? Rechtsextremisten scheitern offenbar in Anklam

Der Anklamer Bürgermeister Galander vermutet, dass die Organisatoren der Grund dafür waren, dass viele Protestierende der Demo fernblieben. mehr

Politikwissenschaftler Prof. Jochen Müller, Universität Greifswald © Screenshot NDR Foto: Screenshot NDR MV Live

Bauernproteste: Radikalisieren sich die Landwirte?

Prof. Jochen Müller von der Universität Greifswald schätzt den Bauernprotest im Interview mit NDR MV Live ein. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Aktuell | 09.01.2024 | 16:00 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Landwirtschaft

Ein Smartphone mit einem eingeblendeten NDR Screenshot (Montage) © Colourbox Foto: Blackzheep

NDR Info auf WhatsApp - wie abonniere ich die norddeutschen News?

Informieren Sie sich auf dem WhatsApp-Kanal von NDR Info über die wichtigsten Nachrichten und Dokus aus Norddeutschland. mehr

Eine Frau hält ein Smarthphone in die Kamera, auf dem Display steht "#NDRfragt" © PantherMedia Foto: Yuri Arcurs

#NDRfragt - das Meinungsbarometer für den Norden

Wir wollen wissen, was die Menschen in Norddeutschland bewegt. Registrieren Sie sich jetzt für das Dialog- und Umfrageportal des NDR! mehr

Mehr Nachrichten

Polizeifahrzeuge stehen am Weihnachtsmarkt vor dem Hamburger Rathaus. © picture alliance / ABBFoto

Anschlag in Magdeburg: Mehr Polizei auf Weihnachtsmärkten im Norden

Die Sicherheitsmaßnahmen auf norddeutschen Märkten sollen überprüft werden. Niedersachsens Ministerpräsident Weil sagte, hundertprozentigen Schutz gebe es nicht. mehr