Bauernprotest in Schleswig-Holstein: Die "Nicht-Protestler"
Die Bauernproteste in Schleswig-Holstein gehen auch am Mittwoch unter großer Beteiligung der Bauern im Land weiter. Aber einige Landwirte haben ein Problem mit ihrer Standesvertretung, dem Deutschen Bauernverband. Auch deshalb beteiligen sie sich nicht an den Protesten.
Mitte Dezember hatte der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, der Regierungskoalition mit markigen Worten eine "Kampfansage" gemacht. Es werde ein "heißer Januar", wenn nicht alle Sparbeschlüsse der Bundesregierung für die Landwirtschaft zurück genommen würden. Was als Drohung zu verstehen war, erreichte auch andere unzufriedene Berufsgruppen, die jetzt mit den Landwirten auf die Straße gehen. Rukwieds Rede befeuerte eine ohnehin explosive Stimmung.
"Zu spät" von rechten Gruppierungen distanziert
Brandgefährlich findet das der Landwirt Alfons Wiesler-Trapp. Er bewirtschaftet einen Öko-Hof im Kreis Herzogtum Lauenburg: 160 Hektar Acker und Grünland mit Vieh. Er bleibt auf dem Hof - auch, weil er Sorge vor Ausschreitungen habe und vor Trittbrettfahrern aus dem rechten Spektrum. "Der Deutsche Bauernverband hat sich viel zu spät von solchen Gruppierungen distanziert", sagt er. Er und sein Berufskollege Arne Sierck, der auf seinem etwas 130 Hektar großen Hof in der Nähe von Kropp (Kreis Rendsburg-Eckernförde) mit konventioneller Landwirtschaft Milch, Rindfleisch und Futtermittel produziert, haben aber noch ein anderes Problem mit den Protesten, zu denen der Bauernverband aufruft: Die Verbandspolitik unterstütze vor allem die großen Betriebe. Wiesler-Trapp meint: "Ich fürchte, dass sich die kleinen Betriebe eigentlich ein bisschen vor deren Karren spannen lassen."
Agrardiesel: Wer profitiert am meisten?
Über die Agrardiesel-Rückvergütung bekommen großflächig strukturierte landwirtschaftliche Betriebe in Deutschland bis zu sechsstellige Summen vom Steuerzahler. Das soll 2026 beendet werden. Für Großbauern also ein deutlicher Verlust in der Bilanz ihrer Unternehmen. Den mittelständischen Betrieben von Arne Sierck und Alfons Wiesler-Trapp wird eine Summe von etwa 3.000 Euro in den Bilanzen fehlen. Das sei schmerzhaft, sagen beide, gefährde aber nicht die Existenz ihrer Höfe.
Kritik am "Gießkannen-Prinzip"
Auch Sierck und Wiesler-Trapp sind nicht einverstanden mit der aktuellen Agrarpolitik. Sie kritisieren das "Gießkannen-Prinzip" und damit auch die Agrardiesel-Rückvergütung: Wer mehr habe und mehr verbrauche, bekomme auch mehr. Es gehe zu wenig um Strukturwandel und eine zukunftsfähige Landwirtschaft, beispielsweise mit neuer, klimafreundlicher Technologie. Und: Die Politik setze sich zu wenig dafür ein, dass die gestiegenen Lebensmittelpreise auch bei den Landwirten ankommen. In Sachen Agrardiesel kritisiert Wiesler-Trapp, dass die Ampelregierung die Landwirte vor vollendete Tatsachen gestellt habe - ohne jede Debatte.
Bauern machen sich Sorgen wegen aufgeheizter Stimmung
NDR SH hat mit mehreren Landwirten gesprochen, die nicht protestieren. Die meisten wollten nicht vor ein Mikrofon: Zu groß die Sorge vor Restriktionen der Berufskolleginnen- und -kollegen. Die Stimmung sei derzeit zu aufgeheizt. Bisher verliefen die Schlepper-Blockaden friedlich. Aber im Netz wird Stimmung gemacht. Die Bauern-Proteste stehen inzwischen stellvertretend für die Unzufriedenheit vieler Bürger - auch deshalb bleiben einige Landwirte wie Arne Sierck und Alfons Wiesler-Trapp lieber auf dem Hof.