Habeck-Blockade: Rechte Szene nutzt offenbar Bauernproteste für sich
Rechtsextreme Gruppen machen in sozialen Medien Stimmung gegen Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), die Wut entlädt sich am Fähranleger - genau das sei das Ziel der radikalen Rechten, meinen Extremismusexperten.
"Ich weigere mich im Moment noch zu glauben, dass dies repräsentativ ist für die Stimmung in der Landwirtschaft und bei den Bauern", sagt Wilhelm Knelangen, Politikwissenschaftler und Professor an der Uni Kiel. Trotzdem müsse man die aufgeheizte Stimmung ernst nehmen. "Wirtschaftsminister Habeck kommt aus Schleswig-Holstein, kennt sich hier aus und die Leute wussten ganz offensichtlich, wo er sich aufhält." Für viele sei Habeck ein Feindbild für Klimapolitik und Energiekosten geworden, so Knelangen weiter. "Das nutzen Rechtsaußen-Parteien wie die AfD für sich, sie versuchen ganz offensichtlich, die Bauern und Bäuerinnen zu instrumentalisieren."
Journalist: Rechte Gruppierungen machen gezielt Stimmung
"Die, die zur Gewalt aufrufen, haben kein Interesse daran, den Landwirten zu helfen. Im Gegenteil, die Bauern und Bäuerinnen werden benutzt", sagt Julian Feldmann, NDR Journalist und Experte für Rechtsextremismus. Aktionen wie am Fähranleger sollen seiner Meinung nach gezielt Angst verbreiten, so wie Fackelmärsche vor Häusern von Politikerinnen und Politikern. "Da wird in Telegramm-Kanälen von rechten Gruppen Stimmung gemacht, wie wir es schon aus der Querdenken-Szene kennen", meint Feldmann. Dort würden gezielt Aufrufe von Reichsbürgern und Rechtsextremen gestreut, die keine Landwirte seien. "Die wollen das ganze Land lahmlegen. Es kann sein, dass da ein paar Bauern dabei sind, aber ganz sicher nicht die Mehrheit", ist sich Feldmann sicher. Solche Aufrufe führten dann häufig zu Gruppendynamiken wie bei der Blockade gegen Vizekanzler Robert Habeck - genau das sei das Ziel der radikalen Rechten und anderer Verfassungsfeinde.
Landwirt: Stimmung unter Bauern ist schlecht
Schleswig-Holsteins Bauernpräsident Klaus-Peter Lucht distanzierte sich von der Aktion und sagte, dass sei keine gute Form des Protestes, er lehne Gewalt ab. Auch Bauer Dirk Andresen aus Schleswig (Kreis Schleswig-Flensburg) spricht sich gegen diese Art von Protesten aus, die Landwirte dürften sich nicht instrumentalisieren lassen. "Wir sind alle ein bisschen entsetzt über die Blockade-Aktion, weil sie sich natürlich nicht im demokratischen Miteinander wiederfindet, sondern dass letztendlich eine schlechte Laune ausgelebt wird", sagt der Landwirt. Es werde von rechtsextremen Gruppen versucht, den Protest der Landwirte zu vereinnahmen.
Gleichzeitig sieht Andresen auch die Regierung in der Verantwortung, die nicht alle Menschen abhole und so die rechten politischen Ränder stärke. Die Stimmung unter den Landwirten sei schlecht: "Der Frust ist einfach da, weil die Bedingungen eben nicht dazu beitragen, dass Landwirtschaft regional in Deutschland unterstützt wird. Es wird immer mehr, auch vonseiten der Politik, den Landwirten aufgebürdet." Das führe dazu, dass allein in seiner Gemeinde viele Betriebe aufgeben mussten, sagt Andresen. Von 20 Betrieben seien in den letzten 20 Jahren nur noch drei übriggeblieben.
Rechte Strukturen - aber nicht nur von außen
"Die angekündigte Demo nächste Woche geht von den großen Verbänden aus. Aber es gibt auch kleine Strukturen innerhalb der Landwirtschaft, wo wir immer wieder erleben, dass es dort auch eine offene rechte Flanke gibt", sagt Journalist und Autor Andreas Speit. "Bei den Landwirten hat es auch Veranstaltungen mit Hans-Georg Maaßen gegeben, es wurde Verschwörungstheoretikerinnen und Verschwörungstheoretikern eine Bühne geboten sowie Corona-Leugnerinnen und -Leugnern." Bei der Radikalisierung der Bauernproteste diene laut Speit die Niederlande als Vorbild. "Man sollte sich auch nichts vormachen - natürlich war schon immer dieser gesellschaftliche Bereich eher konservativ ausgerichtet und teilweise rechts offen", sagt Speit.
In Schleswig-Holstein gab es in den 1920er-Jahren eine Landvolkbewegung, die damals Sprengstoffanschläge verübt hat oder Steuerboykotte gegen die Weimarer Republik organisiert hat. Diese Bewegung sei absolut anti-demokratisch und antisemitisch gewesen, sagt Speit. "Die Symbole der völkischen Landvolkbewegung, Pflug und Schwert, sind in den letzten Jahren in Protesten wieder aufgetaucht", so Speit. Viele Landwirte distanzierten sich davon, dennoch sei eine Abgrenzung nach rechts oft noch zu gering.