Fähre mit Habeck an Bord von Bauern blockiert: Politik empört
Eine wütende Menschengruppe hat am Donnerstag Vizekanzler Robert Habeck in Schlüttsiel am Verlassen einer Fähre gehindert. Landes- und Bundespolitiker verurteilen den Vorfall.
Nachdem Hunderte aufgebrachte Menschen am Donnerstag den Fähranleger in Schlüttsiel (Kreis Nordfriesland) blockiert haben, als eine Fähre von der Hallig Hooge mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ankam, gibt es nun weitere Reaktionen aus der Politik.
Kanzler Scholz: "Verrohung politischer Sitten"
Über seinen Regierungssprecher teilte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) über den Kurznachrichtendienst X mit, dass er den Vorfall in Schlüttsiel "beschämend" findet. Eine solche "Verrohung der politischen Sitten" solle keinem egal sein.
Auch Habecks Parteikollegin, Außenministerin Annalena Baerbock, sagte am späten Donnerstagabend via X, es sei eine Grenze überschritten worden.
Özdemir: Vorfall inakzeptabel
"Das sind Leute, denen geht es nicht um die deutsche Landwirtschaft", sagte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) am Freitag im ARD Morgenmagazin. Der Vorfall sei inakzeptabel - die Bauern, die Habeck am Verlassen der Fähre gehindert haben, hätten "feuchte Träume von Umstürzen", doch diese werde es nicht geben, so Özdemir weiter.
Bauernverband: "Blockade war ein No-Go"
Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes, distanzierte sich am Freitag von der Aktion in Schlüttsiel. "Blockaden dieser Art sind ein No-Go. Wir sind ein Verband, der die demokratischen Gepflogenheiten wahrt. Persönliche Angriffe, Beleidigungen, Bedrohungen, Nötigung oder Gewalt gehen gar nicht."
Auch der Präsident des Landesbauerbverbandes Schleswig-Holstein, Klaus-Peter Lucht, distanzierte sich von der Aktion und sagte, das sei keine gute Form des Protestes, er lehne Gewalt ab. Als Bauernverband sei man daran interessiert, friedlich auf die eigenen Anliegen aufmerksam zu machen.
Daniel Günther verurteilt Vorfall in Schlüttsiel scharf
"Diese Chaoten schaden dem eigentlichen Anliegen", sagte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU). Jeder Protest habe Grenzen - diese seien weit überschritten worden. "Bei allem Verständnis für den Unmut der Landwirte: So ein Gebaren hat in Schleswig-Holstein nichts zu suchen." Günther sprach weiter von bitteren Bildern, die man zu sehen bekam. "Und diese Chaoten, die dort unterwegs waren, haben dem Anliegen dort wirklich einen Bärendienst erwiesen. Das war völlig inakzeptabel - völlig neben der Spur und nicht zu tolerieren."
Innenministerin: Extremisten versuchen, Proteste für eigene Zwecke zu nutzen
Schleswig-Holsteins Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) sagte: "Die Blockade hatte nicht im Entferntesten etwas mit legitimem Protest zu tun. Die Einschätzung des Verfassungsschutzes, dass Extremisten versuchen, größere politisch-gesellschaftliche Proteste für eigene Zwecke zu nutzen und Anschluss in das vorwiegend demokratisch bürgerlich-konservative Spektrum zu erhalten, hat sich durch die Aktion bestätigt." Zu der Aktion im Fährhafen habe offensichtlich auch ein Eintrag in dem der verfassungsfeindlichen Delegitimierer-Szene zuzuordnenden Telegram-Kanal "Freie Schleswig-Holsteiner" am 4. Januar beigetragen. "Darin wurde dazu aufgerufen, zur Ankunft von Vizekanzler Habeck 'mit allem zu kommen, was Räder hat'", so die Ministerin. Diese Form von Mobilisierungsaufrufen sei typisch in der Szene. Sütterlin-Waack appellierte für die kommende Woche: "Behalten Sie Maß und Mitte bei, verhalten Sie sich angemessen und lassen Sie sich nicht instrumentalisieren."
Schwarz: Gewalt hat in politischer Auseinandersetzung nichts zu suchen
Auch Werner Schwarz, Landwirtschaftsminister in Schleswig-Holstein, sprach von Grenzen, die am Abend in Schlüttsiel überschritten wurden. "Gewalt gegen Menschen oder Sachen hat in der politischen Auseinandersetzung nichts verloren. Von daher verurteile ich die Ereignisse." Weiter appelliert CDU-Politiker Schwarz an die Demonstranten, die sich an der anstehenden Protestwoche beteiligen wollen, sich friedlich zu verhalten.
Bauernverband auch in Hamburg empört
"Das mit Habeck geht gar nicht!" entrüstete sich auch der Präsident des Bauernverbands Hamburg Martin Lüdeke. Er sagte NDR 90,3: "Wir distanzieren uns klar davon, dass Protest in Gewalt umschlägt. Das überschreitet demokratische Grenzen." Und die Demokratie habe sich doch vorher als funktionsfähig erwiesen, ergänzt der Landwirt. Die Bundesregierung habe ja auf die Bauernproteste reagiert. Die Befreiung von der Kfz-Steuer bleibt nun doch und die Steuererhöhung beim Agrardiesel kommt nur schrittweise.
Kritik am abgelehnten Gesprächsangebot
Der ehemalige CDU-Fraktionsvorsitzende in Schleswig-Holstein, Johann Wadephul, schrieb in der Nacht zu Freitag auf X: "Das ist nicht Schleswig-Holstein." Man lasse es nicht zu, dass ein solches Verhalten im Land zum Stil werde. Weiter kritisierte der Bundestagsabgeordnete, dass man ein Gesprächsangebot eines Ministers anzunehmen habe.