Der Bauernverband Schleswig-Holstein sowie Land schafft Verbindung SH+HH e.V. haben zu Demofahrten durchs gesamte Land aufgerufen. Mit Traktoren und großen, schweren Fahrzeugen sollen so Autobahnzufahrten, Bundesstraßen sowie Zufahrten zu Bahnhöfen, Flughäfen und Häfen verstopft und blockiert werden. In Schleswig-Holstein gab es nach dem Auftakt am Montag auch am Mittwoch einen Protesttag des Landesbauernverbands. Heute, am Freitag den 12. Januar, soll ein weiterer stattfinden. Außerdem ist für den 15. Januar wieder eine Demonstration nach und in Berlin geplant.
Der Bauernverband Schleswig-Holstein sowie Land schafft Verbindung SH+HH e.V. haben für heute zu einer zentralen Demo in Kiel aufgerufen. Landwirte aus allen Kreisen wollen sich auf den Weg in die Landeshauptstadt machen. Mit Traktoren und großen, schweren Fahrzeugen werden voraussichtlich wieder Bundesstraßen verstopft und blockiert werden. Die Schwerpunkte liegen in den Kreisen Plön, Rendsburg-Eckernförde, Lübeck und Kiel.
Heute ist für Kiel eine große Demo auf dem Exerzierplatz angekündigt. Dafür machen sich Kolonnen aus dem ganzen Land auf den Weg. Der Protestzug beginnt am Westring, der B76 und führt zum Holstein Stadion. Ab 11 Uhr fahren die Bauern ab dem Holstein Stadion über Projensdorfer Straße über Elendsredder und Kiellinie in Richtung Exerzierplatz und Wilhelmplatz. Dort soll die Kundgebungen starten ab 13 Uhr. Der Exerzierplatz sowie der Wilhelmplatz sind ab 6 Uhr gesperrt. Auch der an der Straße Exerzierplatz zwischen Damm- und Rathausstraße muss der Parkstreifen frei gehalten werden. Die Stadt rechnet mit 1.500 Teilnehmenden.
Am heutigen Freitag machen sich voraussichtlich 500 Traktoren von 11 Startpunkten aus auf den Weg nach Kiel. Das sind Eckernförde, Gettdorf, Groß Wittensee, Dätgen, Grevenkrug, Rendsburg, Wasbek, Hanerau-Hademarschen, Jevenstedt, Alsen, Osterstedt und Bredenbek. Die Fahrten sind zwischen 8.30 und 11 Uhr geplant. Diese Bundestraßen sind betroffen: B76, B77, B203, B430. Auch auf den Landestraßen und Kreisstraßen kann es voll werden. Ab Grevenkrug wollen sich Landwirte aus dem Kreis Segeberg anschließen.
Es wird heute eine Demonstration von 500 Fahrzeugen von Trenter Berg über Schönkirchen und Klein Barkau in Richtung Kiel erwartet. Die Strecken führen über die B76, die B404 und die B502. Auch Landwirte aus anderen Kreisen wollen sich in Klein Barkau der Demonstration anschließen.
Bis zum 15. Januar sollen im ganzen Land Mahnfeuer stattfinden. Außerdem sollen Traktoren mit Rundumleuchten an Hof- Und Feldeinfahrten geparkt werden. Die Feuer finden ab 16 Uhr statt. Dabei wollen sich die Bauern vernetzen und auch Interessierte sind zu Gesprächen eingeladen. Das Ganze findet an festen Punkten statt. Es soll keine Beeinträchtigungen für den Verkehr geben.
Die Logistikbranche hat ihre Solidarität zu den Bauernprotesten erklärt und wird sich an den Demos beteiligen. Der Branchenverband hat außerdem eigene Forderungen aufgestellt. Sie protestieren gegen die Erhöhung der Maut und die höhere CO2-Abgabe bei Kraftstoffen. Die Logistikfirmen wollen sich mit ihren Lkw in die entsprechenden Konvois einreihen. Pferdezüchter und Reiterhöfe wurden zur Beteiligung aufgerufen. Ebenso der Gaststättenverband DEHOGA. Auch die Fischerei hat sich solidarisch erklärt und wird am 15. Januar an der Demonstration in Berlin teilnehmen. Außerdem hat der Landesfischereiverband angekündigt, heute in Büsum die Schleuse zu blockieren.
Die Demonstrationen wurden zu Beginn als Generalstreik angekündigt. Dieser ist im Gegensatz zu beispielsweise Frankreich in Deutschland nicht erlaubt. Der Arbeitskampf bzw. Streik muss in Deutschland tarifvertraglich berechtigt sein. Das heißt, für einen Generalstreik müssten sich alle Gewerkschaften für einen gemeinsamen Tarifstreit zusammenschließen. Diese Praxis gibt es in Deutschland nicht und ist sehr unwahrscheinlich. Deshalb wird ein Generalstreik als politischer Streik gesehen und ist nicht erlaubt.
Die Landwirte wollen den Verkehr nicht komplett zum Erliegen bringen, sondern nur extrem verlangsamen. Den meisten landwirtschaftlichen Fahrzeugen ist es nicht gestattet auf Autobahnen und bestimmten Bundesstraßen zu fahren, auf denen mindestens 60 km/h gefahren werden müssen. Sonst gelten die Trecker und Zugmaschinen als Straßenblockaden und es werden mindestens 20 Euro Verwarnungsgeld fällig. Auf der Autobahn wurden am Montag rund 100 Traktoren an einer Raststätte gestoppt und kontrolliert. Dabei habe es erste Anzeigen wegen Ordnungswidrigkeiten gegeben, da die Fahrzeuge nicht für die Autobahn zugelassen seien, sagte ein Polizeisprecher.
Die Bauernverbände haben sich gegenüber den Rettungskräften außerdem verpflichtet, in Notfällen eine Rettungsgasse und Fluchtwege einzuhalten, beziehungsweise Einsatzfahrzeugen Vorrang zu gewähren. Die Polizei plant ihre Einsatzkräfte an den Brennpunkten einzusetzen, um die Protestaktionen zu begleiten und Maßnahmen zur Verkehrssicherheit zu treffen. Außerdem sollen zusätzlich alle Querstraßen entlang der Demonstrationsrouten abgesichert werden. Die Routen wurden in den Kreisen den entsprechenden Behörden vorgelegt. Eine Genehmigung der Demonstrationen muss nicht erfolgen.
Die Landes- und Kreisbauernverbände demonstrieren gegen eine weitere steuerliche Belastung der Landwirtschaft. Es geht um den Erhalt des sogenannten "Agrardiesels", das heißt um eine Teil-Rückerstattung der Mineralölsteuer. Außerdem soll die Befreiung von der Kfz-Steuer für land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge erhalten bleiben.
Ursprünglich ging es den Landwirtinnen und Landwirten vor allem um einen Protest gegen die weitere steuerliche Belastung der Landwirtschaft. Mittlerweile hat die Bundesregierung die geplanten Kürzungen im Agrar-Bereich allerdings teilweise wieder zurück genommen. Die Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer soll bestehen bleiben und der Abbau der Agrardiesel-Subventionen soll nicht in einem Schritt erfolgen. Diese Zugeständnisse reichen aus Sicht des Bauernverbands Schleswig-Holstein aber nicht. Sie wollen eine vollständige Rücknahme der Kürzungen.
Neben den konkreten Forderungen der landwirtschaftlichen Betriebe tauchen in den Sozialen Medien auch immer wieder weitergehende Forderungen wie zum Beispiel nach einem Rücktritt der gesamten Bundesregierung auf. Verbandspräsident Lucht distanziert sich von extremen Randgruppen und vom Rechtsbruch: "Wir bringen unsere Anliegen klar und hart in der Sache vor, als Unternehmerverband aber immer parteipolitisch unabhängig und rechtskonform".
Bei der Teilerstattung des Agrardiesels geht es um mehr als 25 Euro pro Hektar im Jahr. Das errechnet sich aus 21,48 Cent Erstattung auf rund 120 Liter Verbrauch eines Traktors. Nach Einschätzung von Agrarpolitik-Experten macht das rund 1 Prozent das Jahresumsatzes eines landwirtschaflichen Betriebs aus. Inzwischen hat die Bundesregierung die Streichung der Kfz-Steuerbefreiung wieder zurück genommen.
Laut Prof. Dr. Christian Henning vom Agrarwissenschaftlichen Institut der Universität Kiel ist der Protest um den Agrardiesel nur der Anstoß für die anstehenden Proteste. Aus wissenschaftlicher Sicht wären die Gegebenheiten zur Umstrukturierung der Landwirtschaft im Sinne des "Green Deals" fast perfekt. Vonseiten der Politik kämen dafür aber keine konkreten Maßnahmen und Anreize für die Landwirte. Im Gegenteil: Den Landwirten werde die alleinige Finanzierung für klimafreundliche Landwirtschaft zugeschoben. Die aktuell geplanten Kürzungen bei Agrardiesel würden aber keinen Hof an den finanziellen Ruin bringen, wie es zum Teil formuliert wird.