Bauern-Proteste in SH: So verliefen die Demos am Montag
An vielen Orten im Land hat es am Montag rollende Demonstrationen von Landwirten gegeben. Die Polizei zählte 2.000 Fahrzeuge, der Bauernverband sprach von 3.000. Die Polizei sprach von weitestgehend friedlichen Protesten.
Am frühen Morgen begannen die angekündigten Proteste der Bauern gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung. Wegen der Aktionen und Demonstrationen ist es in ganz Schleswig-Holstein zu teils erheblichen Verkehrsbeeinträchtigungen gekommen. Das Innenministerium in Kiel hatte zu vor die Verantwortlichen gemahnt, die Auswirkungen auf die Bevölkerung nicht zu groß werden zu lassen.
Proteste größtenteils friedlich
Die meisten Aktionen und Kundgebungen sind friedlich verlaufen. Die Polizei sprach dabei von einer guten Kommunikation. "Das hat bis jetzt hervorragend funktioniert und alle Absprachen sind eingehalten worden", sagte der leitende Polizeidirektor in Itzehoe, Frank Matthiesen am Mittag. Landwirt Harro Petersen von der Organisation "Land schafft Verbindung" bestätigte das: "Wir haben auch schon sehr erfreuliche Nachrichten gehabt, dass zum Beispiel Hochschwangere durchgelassen wurden." Die Vorgabe sei klar: Rettungsdienste würden durchgelassen. Laut Petersen wolle man sich den Rückhalt aus der Bevölkerung nicht verspielen.
A1 bei Neustadt: Traktoren unerlaubt auf Autobahn
Allerdings gab es auch Vorfälle, bei denen von den Protestierenden geltendes Recht missachtet wurde. Nach Angaben der Polizei schafften es bei Neustadt in Holstein (Kreis Ostholstein) einige demonstrierende Landwirte auf die Autobahn 1. Zahlreiche Traktoren seien an einer Raststätte gestoppt und kontrolliert worden. Dabei habe es erste Anzeigen wegen Ordnungswidrigkeiten gegeben, da die Fahrzeuge nicht für die Autobahn zugelassen seien, sagte ein Polizeisprecher.
Unterstützung erhalten die Landwirtinnen und Landwirte auch aus verschiedenen anderen Branchen. So beteiligten sich zum Beispiel auch Speditionen und Lkw-Fahrer an den Kolonnen. Handwerksbetriebe bekundeten ihre Solidarität mit den Bauern. Fahrschulen und Bauunternehmer schlossen sich einem Demonstrationszug auf der B207 im Kreis Herzogtum Lauenburg angeschlossen. In Niebüll (Kreis Nordfriesland) waren einige Reiter und Reiterinnen zu Pferd unterwegs, um ihre Unterstützung zu zeigen.
Landeshauptstadt Kiel: Etwa 1.400 Fahrzeuge im Stadtgebiet
In Kiel waren am Montag nach Schätzung der Polizei etwa 1.400 Fahrzeuge wegen der Bauernproteste auf den Straßen unterwegs. Dabei handelte es sich um Traktoren, Autos und Lastwagen. Etwa 700 Traktoren sammelten sich auf dem Exerzierplatz und auch vor dem Landeshaus gab es Versammlungen. Im gesamten Stadtgebiet mussten Einschränkungen im Verkehr hingenommen werden.
Hunderte Teilnehmer bei Kundgebung in Itzehoe
Mehrere Hundert Bauern versammelten sich in Itzehoe (Kreis Steinburg). Dort fand eine der größten Kundgebungen der Landwirte auf den Malzmüllerwiesen statt, die sogar größer ausfiel als erwartet. Angemeldet waren 250 Fahrzeuge. Tatsächlich aber waren es nach Schätzungen des Ordnungsamtes mehr als 800 Fahrzeuge. Darunter hauptsächlich Bauern mit Traktoren und auch einige Handwerker, die sich mit ihren Fahrzeugen der Demo angeschlossen haben.
Autobahnen im Land: Auffahrten blockiert
Auf der Bundesstraße von Meldorf (Kreis Dithmarschen) zur A23 fanden Blockaden in beiden Richtungen statt. In Trappenkamp gab es Verkehrsbehinderungen an der Auffahrt der A21, bei Bad Bramstedt (alle Kreis Segeberg) in beide Richtungen und bei Neumünster-Nord wurden die Auffahrten blockiert. Auf der A1 bei Bargteheide und der A24 bei Schwarzenbek-Talkau gab es laut Polizei zudem langsam fahrende Lkw-Konvois.
Autobahn-Blockaden: Verwaltungsgericht bestätigt Beschränkungen
Am Nachmittag bestätigte das Verwaltungsgericht Schleswig-Holstein, dass die Kreise den Landwirten einige Mahnwachen an den A7-Auffahrten untersagen durften. Konkret ging es um die Anschlussstellen Schuby Nord, Rendsburg-Büdelsdorf, Bordesholm, Neumünster Nord und Warder. Die Polizei löste daraufhin Blockaden auf. Ursprünglich hatten die Landwirte für alle Autobahnauffahrten von der dänischen Grenze bis nach Hamburg Protestaktionen angemeldet. Die Versammlungsbehörden der Kreise Rendsburg-Eckernförde und Schleswig-Flensburg hatten die Blockaden an jeder zweiten Auffahrt untersagt. Dagegen hatten der Verein "Land schafft Verbindung" Eilanträge eingereicht. Diese wies das Verwaltungsgericht zurück. Die öffentliche Sicherheit überwiege das Interesse an ungestörter Versammlung, hieß es in der Begründung.
Fehmarn: Unangemeldete Kolonne sorgt für Behinderungen
Laut Polizei sind am Mittag etwa 15 Trecker von Großenbrode (Kreis Ostholstein) auf die Insel Fehmarn gefahren. Ebensoviele starteten in die Gegenrichtung über die Fehmarnsundbrücke. Auf der Insel sei es zu kleineren Blockaden gekommen. "Auf Ansprache zeigten sich die Verantwortlichen zwar kooperativ, dennoch kam es zu einer unangemeldeten Kolonnenfahrt und zu langen Staubildungen und Verkehrsbehinderungen", teilte die Polizei mit.
Auch im Kreis Segeberg ist es zu erheblichen Verkehrsbehinderungen gekommen. Ein Demonstrations-Konvoi erreichte eine Länge von 18 Kilometern und reichte von der Ulzburgerstraße in Norderstedt bis nach Nahe.
Nord-Ostsee-Kanal: Fähren und Rendsburger Kanaltunnel teils blockiert
Zusätzlich blockierten die Bauern mit ihren Traktoren die Auffahrten zu den Fähren über den Nord-Ostsee-Kanal. Auch am Nachmittag und Abend musste laut Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt (WSA) noch mit Einschränkungen an allen Fährstellen der Weststrecke gerechnet werden. Fußgänger, Radfahrer, Hebammen, Krankenhauspersonal, Pflegedienste, Feuerwehr, Ärzte sowie Rettungswagen können damnach übergesetzt werden.
Laut Polizei Neumünster hatte sich am Montagmorgen außerdem der Kanaltunnel geschlossen, nachdem eine Trecker-Kolonne von Jevenstedt (Kreis Rendsburg-Eckernförde) über die B77 nach Rendsburg gefahren und den Tunnel passiert hatte. Wegen der zu hohen Abgaswerte, schloss sich der Tunnel vorübergehend. Am Sonntagabend hatten die Ordnungsbehörden eine geplante Blockade des Rendsburger Kanaltunnels sowie der A7-Anschlussstellen Bordesholm und Neumünster-Mitte untersagt.
Die Elbfähre Glückstadt-Wischhafen war von Landwirten auf niedersächsischer Seite am Vormittag blockiert worden. Reisende konnten die Fähre zeitweise nicht verlassen. Wie ein FRS-Sprecher mitteilte, wurde die Blockade am Mittag aufgehoben.
Gemischte Reaktionen bei Betroffenen
Viele Autofahrer zeigten Verständnis für die Wut der Landwirtinnen und Landwirte. Andere sahen darin eher eine Verschwendung von Kraftstoff. Manche fühlten sich durch die großen Maschinen sogar eingeschüchtert. Rein juristisch betrachtet seien die Aktionen von Klimaaktivisten und die Bauernproteste insofern vergleichbar, als dass man beide als "strafbare Nötigung" werten könne, sagt der Kölner Strafrechtsexperte Christian Kemperdick dem WDR.
Erster Schultag in SH kaum durch Proteste beeinträchtigt
Trotz Protesten der Landwirtinnen und Landwirte habe es in den Schulen keine besonderen Vorkommnisse gegeben, sagte eine Sprecherin des Bildungsministeriums am Montag. "Einige Schülerinnen und Schüler kamen zwar zu spät, aber das wurde nicht vermerkt und es gab auch welche, die heute von den Eltern entschuldigt waren, zum Teil auch wegen der Witterung." Die Schulen seien souverän mit der Situation umgegangen und hätten ihre Info-Kanäle genutzt, so die Sprecherin. Das Verfahren gilt demnach auch für die kommenden Tage, an denen weitere Proteste angekündigt sind.
Ministerpräsident Günther: "Ich kann Proteste nachvollziehen"
Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) traf mit Landwirten vor dem Landeshaus zusammen. "Ich wollte mit meinem Besuch hier deutlich machen: Ich unterstütze die Forderungen, die hier aufgestellt werden." Man sei auf die Landwirte angewiesen, so Günther weiter. Er halte die Entscheidungen der Bundesregierung für dramatische Fehlentscheidungen, die in Gänze zurückgenommen werden müssten.
Weitere Reaktionen auf die Bauern-Proteste aus SH
Auch der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Lasse Petersdotter, sprach mit teilnehmenden Landwirtinnen und Landwirten. Er sagte: "Der Protest, den ich hier heute erlebt habe, ist zum einen sehr konstruktiv und sehr friedlich. Ich kann das nachvollziehen, dass einen unterschiedliche Gründe auf die Straße bringen. Das gehört zu einer Demokratie dazu und bleibt auch weiterhin wichtig." Nun müsse man darauf schauen, was die tiefer gehenden Probleme seien. "Und ich glaube, da müssen wir rangehen. Da ist gerade einiges im Argen, und darüber müssen wir reden", so Petersdotter weiter.
Auch Landwirtschaftsminister Werner Schwarz (CDU) zeigte sich solidarisch mit den Bauern. Er ist überzeugt, dass die Pläne der Ampel das Fass der ohnehin schon frustrierten Bauern zum Überlaufen gebracht haben: "Es ist in der Vergangenheit sehr viel zusätzliche Bürokratie auf die Landwirte zugekommen und auch sehr viele andere Auflagen, Klimaschutz, Umweltschutz, die die Landwirte auch erfüllen. Aber irgendwann ist auch mal das Maß voll." Er erwarte, dass die Bundesregierung schnellstmöglich Lösungen aufzeige, die die fehlenden Mittel kompensiere.
Der Fraktionsvorsitzende der FDP im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Christopher Vogt, hat ebenfalls Verständnis für die Landwirte gezeigt. "Es ist das gute demokratische Recht von Landwirten, Gastronomen und auch der Logistikbranche, für ihre Interessen zu demonstrieren", teilte er mit. Auch brauche der Mittelstand laut Vogt insgesamt bessere Rahmenbedingungen und weniger Bürokratie.
"Wir setzen uns als FDP- Landtagsfraktion weiterhin dafür ein, dass sich die Bundespolitik deutlich mittelstandsfreundlicher aufstellt", sagt Vogt. Er sieht auch die Landesregierung in der Pflicht.
Landespolizei wegen der Bauern-Proteste mit mehr Personal im Einsatz
Die Landespolizei begleitete die Bauern-Proteste in Schleswig-Holstein mit viel Personal. Zulässige Versammlungen sollen sicher durchgeführt, unzulässige Demonstrationen und Blockaden dagegen aufgelöst werden. Das teilte die Polizei mit. "Meinungsäußerung, friedlich und ohne Waffen, kann dabei nur die rechtliche Maxime sein. Rechtsverstöße und Straftaten werden selbstverständlich geahndet", sagte der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Torsten Jäger.
Hintergrund: Kürzungen von Agrarsubventionen
Die Bauernproteste richten sich gegen die Kürzungspläne von Agrarsubventionen der Bundesregierung, auch wenn diese teilweise zurückgenommen wurden. So soll die Befreiung von der Kfz-Steuer für Landwirtschaftsfahrzeuge weiter gelten. Weiter festhalten will die Regierung am Wegfall der Subventionen des Agrardiesels. Diese sollen nun allerdings, anders als zunächst geplant, schrittweise zurückgefahren werden.