"Subventionierung des Agrardiesels hat keine Zukunft"
Landwirtinnen und Landwirte wollen vom 8. Januar an gegen geplante Kürzungen demonstrieren - auch mit Blockaden. Im Interview: Agrarökonom Sebastian Lakner zu der Frage, wie hart die Kürzungen die Landwirtschaft treffen und wie Subventionen in Zukunft eingesetzt werden sollten.
Beim Bemühen, sich auf einen gemeinsamen Haushalt zu einigen, hat die Ampel-Regierung die Streichung von Subventionen in der Forst- und Landwirtschaft teilweise wieder zurückgenommen. Dem Deutschen Bauernverband reicht das nicht. Die Landwirte fordern, die geplanten Kürzungen ganz zurückzunehmen. Und sie halten an ihrem Plan fest, die ganze nächste Woche deutschlandweit zu demonstrieren. Wie berechtigt sind diese Proteste? Wie schwer treffen die geplanten Subventionskürzungen die Landwirte überhaupt? Fragen dazu hat Sebastian Lakner, Professor für Agrarökonomie an der Universität Rostock, im Interview auf NDR Info beantwortet.
Nach der Blockade von Wirtschaftsminister Habecks Fähre in Schleswig-Holstein ist die Sorge gewachsen, dass die Proteste mancherorts auch aus dem Ruder laufen können. Wenn wir jetzt auf die kommende Woche schauen, halten Sie die Proteste für angemessen?
Sebastian Lakner: Ob diese Proteste angemessen sind oder nicht, das ist ja eine politische Frage. Und das kann ich ja erst mal als Wissenschaftler so nicht beurteilen. Man muss vielleicht erst mal versuchen zu verstehen, woher kommt der Ärger? Sie haben die Kürzungen schon angesprochen: Die Ampel musste im Dezember sehr, sehr kurzfristig 17 Milliarden Euro im Haushalt kürzen und hat dann wahrscheinlich einfach geguckt - dabei waren der Agrardiesel und der Verzicht auf die Kfz-Steuer für landwirtschaftliche Fahrzeuge natürlich Posten in einer Kürzungsrunde. Es geht um etwa 450 beziehungsweise 480 Millionen Euro, also in der Summe schon mal eine Milliarde Euro. Der Punkt war: Das Ganze war hauptsächlich finanzpolitisch begründet. Es gab dahinter kein agrarpolitisches Konzept. Und das hat bei vielen Landwirten für Verärgerung gesorgt, weil sie so das Gefühl hatten "Bei uns wird jetzt hier ganz viel gekürzt. Aber an andere Bereiche will man dann trotzdem nicht ran."
Nun sind ja einige Kürzungen wieder zurückgenommen worden. Der stellvertretende bayerische Ministerpräsident Hubert Aiwanger sagt, er habe Verständnis für die Wut der Landwirte. Er argumentiert, dass die Politik der Ampelkoalition existenzgefährdend sei für die Landwirte und dass die angekündigten Einschnitte sie mit Tausenden Euro mehr belastet würden. Stimmt das? Ist das in der Größenordnung existenzgefährdend?
Lakner: Den Punkt "Existenzgefährdung" können wir ja mal versuchen einzuordnen. Im Agrarbericht des Landwirtschaftsministeriums gibt es dazu Zahlen: Ein durchschnittlicher landwirtschaftlicher Betrieb bekommt im Jahr etwa 2.900 Euro mithilfe dieser Agrardiesel-Erstattung zurück. Das sind im Durchschnitt etwa vier bis fünf Prozent der Betriebsgewinne - und das ist nur ein kleiner Teil der Subventionen. Die viel wichtigeren Subventionen sind die im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU, die etwa 25.000 Euro im Jahr bedeuten. Also insofern sehe ich da keine Existenzgefährdung.
Das ist hart, das ist merkbar, wenn mir am Ende des Jahres 3.000 Euro fehlen. Aber Wut ist an der Stelle, glaube ich, auch nicht der richtige Berater. Wir müssten da noch mal anders drüber nachdenken und überlegen, was ist zukunftsweisend an den landwirtschaftlichen Subventionen?
Ihr Kollege, der Agrarwissenschaftler Stephan von Cramon-Taubadel an der Uni Göttingen, sagt, Subventionen für Agrardiesel seien einfach nicht mehr zeitgemäß. Wenn man den landwirtschaftlichen Betrieben helfen wolle, dann müsse man andere, gezieltere Wege finden. Was meinen Sie?
Lakner: Ja, dem kann ich mich nur anschließen. Das ist genau die richtige Grundfrage, die hier gestellt wird. Welche Ziele wollen wir bei der Subventionierung der Landwirtschaft aus gesellschaftlicher Sicht erreichen? Was ist der gesellschaftliche Mehrwert, wenn wir Steuermittel für Subventionen verwenden? Und wie machen wir auch die Betriebe fit für die Zukunft? Wir haben den Klimawandel, die Biodiversität geht zurück, die Gesellschaft will mehr Tierwohl und Moorvernässung. Aber die Betriebe müssen auch in Zukunft am Weltmarkt bestehen. All das muss man unter einen Hut kriegen. Und die Frage ist jetzt: Was sind die wichtigen Projekte? Wohin soll das Geld fließen? Ist es der zum Beispiel der Umbau der Tierhaltung? Der Schutz der Biodiversität? Oder wollen wir weiterhin Agrardiesel fördern? Und da glaube ich, hat letzteres wenig Zukunft.
Zurück zur Ausgangssituation: Die Bundesregierung muss sparen, hat jetzt diesen Weg gefunden, der auf so viel Protest stößt. Wie geht das denn zusammen? Einerseits sparen, andererseits die Landwirte sinnvoller unterstützen?
Bisher war das Bundeslandwirtschaftsministerium unter Cem Özdemir nicht richtig klar in dem, wie man die Landwirte wirklich mitnimmt bei einer Transformation. Wenn ich Ziele in der Landwirtschaftspolitik verfolge, da muss ich das anders kommunizieren. Da würde ich sehr dringend raten: Wenn man die Akzeptanz erhöhen will, dann sollte man wirklich für die zweite Hälfte der Legislatur noch mal einen Plan vorlegen. Was wollen wir wirklich machen? Was sind die Zukunftsprojekte? Und wie finanzieren wir diese? Das wäre die Aufgabe der Bundesregierung, das besser zu kommunizieren und die Landwirtinnen und Landwirte mitzunehmen auf diesem Weg.
Umgekehrt muss der Bauernverband wirklich gucken bei den - in einer Demokratie legitimen und wichtigen - Protesten nächste Woche, wie ich diese Sorgen, diesen Zorn vortrage. Wie halte ich Extremisten raus? Darauf müssen Bauernverband und die Organisatorinnen und Organisatoren der Demos sehr genau gucken. Und wie kriegt man die eigenen Forderungen so vorgetragen, dass eben die Bevölkerung auch zuhört und Verständnis empfindet? Das ist keine leichte Aufgabe.
Das Interview führte Ulrike Heckmann, NDR Info