Bauernproteste am Freitag: Tausende Trecker bei Demo in Kiel
Bei der Aktionswoche der Landwirte gegen die Agrarpolitik der Regierung stand im Norden am Freitag Kiel im Fokus - dort legten mehr als 3.000 Traktoren den Verkehr lahm auf dem Weg zu einer großen Kundgebung. Auch in Niedersachsen und in MV wurde erneut protestiert.
Nach einer Sternfahrt von 16 angemeldeten Trecker-Konvois aus den Kreisen Plön und Rendsburg-Eckernförde haben sich am Freitagmittag Tausende Landwirte in Kiel zusammengefunden. In der Landeshauptstadt nahmen sie mit mindestens 3.100 Treckern und anderen Fahrzeugen an einer Protestfahrt teil, wie eine Polizeisprecherin sagte. Der Verkehr sei dadurch nahezu zum Erliegen gekommen.
Bauernverbandschef Lucht erwartet agrarpolitische Wende
Auf dem Exerzierplatz begann gegen 13.45 Uhr die offizielle Kundgebung. Die bundesweiten Proteste hätten ein Zeichen gesetzt und gezeigt, wie groß der Frust unter den Landwirten, Handwerkern und Spediteuren sei, sagte Schleswig-Holsteins Bauernverbandschef Klaus-Peter Lucht. Er erwarte von der Politik eine agrarpolitische Wende herbeizuführen, die der Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft zugutekomme. Nach der Protestwoche und der anstehenden Demonstration am Montag in Berlin wolle der Verband zwar wieder an den Verhandlungstisch zurückkehren. Dafür sei es von Seiten der Bundesregierung aber nötig, die Abschaffung der Steuerbegünstigung für Agrardiesel wieder vom Tisch zu nehmen. Die Bäuerinnen und Bauern bat der Verbandspräsident um mindestens drei Wochen Zeit: "Es hilft uns nichts, jeden Tag auf der Straße zu sein." Er wolle die Unterstützung der Bevölkerung für die Proteste nicht verspielen.
Lucht dankte den Mitbürgerinnen und Mitbürgern, dass sie die Proteste ertragen und teils sogar mitgemacht hätten und dass diese zum größten Teil ihre Gründe verstünden. Mit den Treckerkolonnen hätten die Bauern der städtischen Bevölkerung ihre Arbeitsgeräte zeigen wollen. "Damit sie wissen, was für Maschinen wir brauchen, um unsere Betriebe zu führen und die Lebensmittel zu produzieren, die unsere Gesellschaft braucht", so Lucht.
Agrarminister Schwarz: Sparmaßnahmen für alle, nicht nur für die Landwirte
Auch nach Ansicht des schleswig-holsteinischen Agrarministers Werner Schwarz (CDU) sind die von der Ampel-Koalition beschlossenen Kürzungen falsch. Es könne nicht sein, dass berechtigte Ausnahmen bei der Kfz-Steuer ohne Diskussion und Ausgleich gekürzt werden, sagte Schwarz bei der Kundgebung in Kiel. Zudem gebe es für den Agrardiesel auch keine wirklichen Alternativen, so Schwarz. Wasserstoff- und Elektroantriebe für die Landwirtschaft seien noch in weiter Zukunft. Sparmaßnahmen müssten für alle gelten und nicht nur auf den Schultern der Landwirte und Fischer lasten. Nun sei es Aufgabe der Politik, Wege zu finden, um den Bundeshaushalt einigermaßen zu schließen und trotzdem eine gerechte Lösung für alle Bevölkerungsgruppen zu finden.
Die Kundgebung wurde gegen 15 Uhr beendet und die Landwirte machten sich auf den Rückweg. Autofahrer mussten sich daher erneut in ganz Kiel und Umgebung auf Verkehrsbehinderungen einstellen.
Niedersachsen: 100 Landwirte in Cuxhaven versammelt
Auch in Niedersachsen sind die Proteste am Freitag weiter gegangen. Am Morgen versammelten sich etwa 100 Landwirte mit Traktoren zu einer Protestaktion am Autobahnkreisel in Cuxhaven. Dabei handelte es sich laut Polizei jedoch nicht um eine Blockade. Die Fahrzeuge seien in der Mitte des Kreisels positioniert, weshalb der Verkehr ganz normal weiter fließen könne. Der Autobahnkreisel ist Cuxhavens Anbindung an die A27.
Bauern versperrten zudem nach Angaben der Polizei mit Traktoren den Zugang zum Aldi-Warenlager in Weyhe (Landkreis Diepholz). Die Blockade begann bereits am Donnerstagabend, wie der Sprecher der Polizeiinspektion Diepholz sagte. Das An- und Abliefern der Waren war nur eingeschränkt möglich. Am Nachmittag begannen die Landwirte, die Blockade wieder aufzulösen.
Am Wochenende wird in Niedersachsen zusätzlich zu weiteren Aktionen ein stiller Protest geplant. Dazu werden orangene Rundumleuchten auf den Höfen eingeschaltet, wie das Landvolk Niedersachsen mitteilte. Mit der Aktion solle aus dem ländlichen Raum ein Signal nach Berlin geschickt werden, hieß es. Am Montag ist dort eine Großdemonstration angekündigt. Nach einer Übersicht des Landvolks plant der Kreisverband Lüneburger Heide am Sonnabend um 14.30 Uhr in Walsrode (Landkreis Heidekreis) eine Abschlusskundgebung. Der Landkreis Leer teilte mit, dass am Sonnabend in Weener von 12.00 bis 20.00 Uhr eine Versammlung angemeldet sei. Etwa 100 Teilnehmer werden erwartet.
Mecklenburg-Vorpommern: Grenzübergang blockiert und Schafe auf B194
In Mecklenburg-Vorpommern wurde am Freitagvormittag der Grenzübergang Linken in beide Fahrtrichtungen gesperrt. Die Blockade erfolgte durch Traktoren, Lkw und Transporter - sowohl auf deutscher als auch auf polnischer Seite. Mehrere Schäfer trieben südlich von Stralsund rund 400 Schafe über die B194 zu einer anderen Koppel und wieder zurück. Ursprünglich wollten sie die Herde als Protestaktion durch die Hansestadt laufen lassen. Der Landkreis hatte dies mit Verweis auf den Tierschutz untersagt.
Am Montag Gespräche zwischen Politikern und Bauern in Berlin
Die andauernden Proteste, mit denen die Bauern auf ihre wirtschaftliche Lage und die Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft aufmerksam machen wollen, zeigen offenbar Wirkung. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) äußerte bei einem Termin am Donnerstag in Cottbus Verständnis für die Demonstrationen, er bot den Landwirten einen Dialog an. Die Spitzen der Koalitionsfraktionen luden die Vorsitzenden der acht Bauernverbände für kommenden Montag zu einem Gespräch nach Berlin ein.
Auch Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sucht das Gespräch mit den Landwirten. Wie sein Ministerium mitteilte, will er sich ebenfalls am Montag am Brandenburger Tor den Protestierenden stellen. Dort findet zum Abschluss der Aktionswoche der Bauern die zentrale Kundgebung statt. Ziel der Landwirte ist es unter anderem, dass die Bundesregierung die geplanten Kürzungen bei den Agrar-Subventionen zurücknimmt.