"Fünf nach zwölf für die Fischerei" - Proteste in Büsum
Die Bundesregierung will Fischereien die Ausgleichszahlungen für wegfallende Fanggebiete durch Windkraftflächen kürzen. Statt 670 Millionen sollen sie nur noch 134 Millionen Euro erhalten. Das reiche zum Überleben nicht, sagen die Fischereien. Deswegen haben am Freitag dutzende Fischer auf 16 Kuttern die Büsumer Hafeneinfahrt blockiert.
"Die Krise der Fischerei ist so groß, dass wir das nicht auf die lange Bank schieben dürfen, sonst gibt es bald keine kleine Küstenfischerei mehr", sagt Christopher Zimmermann, Leiter des Thünen-Instituts für Ostseefischerei in Rostock. Er hat Verständnis für die Proteste der Fischerei. Die 134 Millionen, die jetzt übrig bleiben, seien ein guter Anfang, aber das reiche nicht. "Durch den Windpark-Ausbau verlieren die Fischer einen Teil ihrer Lebensgrundlage, dafür waren die Ausgleichszahlungen gedacht", sagt Zimmermann. Wenn die ganze Gesellschaft vom Ökostrom profitiere, dürften die Fischer und Fischerinnen nicht die Leid tragenden sein.
Es fehlen 150.000 Euro im Jahresumsatz
"Wenn man in Schleswig-Holstein weiterhin Küstenfischerei haben will, brauchen wir finanzielle Unterstützung - einen Ausgleich", sagt Fischermeister Lorenz Marckwardt vom Landesfischereiverband Schleswig-Holstein. Viele Betriebe hätten in den letzten Jahren schon aufgegeben, es glaubt, dass weitere Folgen werden. "Die Kleinbetriebe versuchen durch Eigenvermarktung und Fischveredelung zu überleben, aber im Schnitt fehlen den Fischern jetzt schon 150.000 Euro im Jahresumsatz, um weitermachen zu können", sagt der Fischermeister.
Sollen Landwirte und Fischer gegeneinander ausgespielt werden?
Mit der Ausgleichszahlung für die Offshore-Flächen sollten eigentlich die Flotten modernisiert werden. Das sei jetzt nicht mehr möglich. In Nord- und Ostsee wird die Küstenfischerei und Kleine Hochseefischerei laut Landesamt für Landwirtschaft und nachhaltige Landentwicklung Schleswig-Holstein (LLNL) von 758 Fischern im Haupt- und Nebenerwerb mit 486 Fischkuttern und offenen Booten ausgeübt. Bei den Protesten im Büsumer Hafen äußerten Fischer und Fischerinnen, dass sie befürchteten, dass die 670 Millionen Euro Ausgleichszahlungen nun an die Landwirtschaft gehen sollen, um die Bäuerinnen und Bauern zu beruhigen - und so Fischerei und Landwirtschaft gegeneinander ausgespielt werden soll.
Zukunft der Fischerei muss neu gedacht werden
"Jedes Jahr gehen 15 Fischer in den Ruhestand und nur zwei bis drei kommen nach", ergänzt Institutsleiter Zimmermann. Dazu seien viele von ihnen mit 60, 70 Jahre alten Kuttern unterwegs. Eine Umrüstung auf Elektromotoren sei für die alten Schiffe nicht mehr sinnvoll. Deswegen benötige die Branche eine Modernisierung, der Beruf müsse attraktiver werden, es müsse in Ausbildung investiert und Forschungstätigkeiten berücksichtigt werden. Es brauche neue, moderne Schiffe ohne, dass die Fangquote dabei erhöht werde.
Langfristig müssten sich die Fischer und Fischerinnen jedoch auf einen Wandel einstellen, andere Einnahmequellen im Blick haben. Das könnten gelegentliche Tourismusfahrten oder die Hilfe bei der Sammlung von Forschungsdaten sein, die sie bezahlt bekommen. Jetzt müsse aber erstmal schnell gehandelt werden. "Wir dürfen jetzt nicht drei, vier, fünf Jahre warten, bis die Küstenfischerei ausstirbt. Die Situation für die Fischerei ist wirklich ernst und sonst geht uns auch ein wichtiger Teil der kulturellen Identität und Tourismus verloren", sagt Christopher Zimmermann.