Ostseefischer sollen Meeres-Förster werden
Mehr als ein Jahr haben sich Experten mit der Frage beschäftigt, wie die Zukunft der deutschen Ostseefischerei aussehen könnte. Nun haben sie in Berlin Empfehlungen dazu vorgelegt.
Erst im vergangenen Oktober hatten die EU-Fischereiminister die neuen Fangquoten für die Ostsee im kommenden Jahr festgelegt. Damit sich Dorsch und Hering weiter erholen können, dürfen Fischer sie auch 2024 nur eingeschränkt aus dem Wasser holen: den Dorsch im westlichen Fanggebiet - in dem auch die schleswig-holsteinische Ostseeküste liegt - so gut wie gar nicht. Beim Hering ist minimal mehr erlaubt. Die Ostsee-Fischerei treffen die immer neuen Fangquoten hart. Die Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, Claudia Müller (Grüne), spricht von einer "beispiellosen Krise", in der die Ostseefischer seit einiger Zeit stecken.
Lebensräume schützen, Fischerei anpassen
Der in Berlin vorgelegte Abschlussbericht der Leitbildkommission soll helfen, ihnen eine Zukunft zu ermöglichen. Und zwar eine, die unter anderem "gesellschaftlich anerkannt" und Teil eines "gesunden Ökosystems Ostsee" ist, heißt es in dem Bericht. Damit das klappen kann, hat die Kommission neun Maßnahmen-Vorschläge in dem Papier formuliert. Kernpunkte sind neben dem besseren Schutz von Lebensräumen und einer Verbesserung der ökologischen Situation vor allem die Anpassungen der Fischerei.
Fischerei muss attraktiver werden
Aus Sicht der Kommission muss unter anderem der Beruf des Fischers beziehungsweise der Fischerin für junge Menschen attraktiver werden. Dazu gehört für die Kommission auch, dass jemand, der sich für den Beruf entscheidet, Möglichkeiten zur Aus- und Weiterbildung bekommen soll, beispielsweise zum "Sea Ranger" oder auch zum "Meeres-Förster". So könnten sich die Fischer einerseits um die Nahrungsmittelproduktion kümmern, andererseits "aber auch um die Hege und Pflege des Ökosystems", meint Marie Catherine Riekhof, die Vorsitzende der Leitbildkommission und Professorin an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.
Hafeninfrastruktur modernisieren
Außerdem empfiehlt die Kommission, dass Fischer sich künftig breiter aufstellen sollten, sich also beispielsweise im Tourismus-Sektor ein weiteres Standbein aufbauen sollten. Das Ziel: "Die wirtschaftliche Widerstands- und Anpassungsfähigkeit steigern", heißt es in dem Papier. Die Kommission schlägt auch vor, die für die Fischerei wichtige Hafeninfrastruktur zu verbessern, damit sich die Fischerei zu einem emissionsarmen Sektor entwickeln kann. Grundsätzlich sollten im Sinne eines zukunftsfähigen Berufes Fischerei und Wissenschaft enger miteinander verknüpft werden - gemeint sind zum Beispiel Fischerboote, die auf See auch Meeresdaten erfassen.
Die neun Punkte im Einzelnen
- Junge Menschen für die Fischerei gewinnen
- Diversifizierung des Tätigkeitsfeldes
- Infrastruktur für Fischerei anpassen und modernisieren
- Fischereimanagement weiterentwickeln
- Mit Meeresnaturschutz in die Zukunft investieren
- Entwicklung nachhaltiger Fischereitechnologien
- Flottentransformation ermöglichen
- Digitalisierung gestalten, Daten erheben und Wissen schaffen
- Organisation und Beteiligung der Fischerei stärken
Weitere Gespräche im kommenden Jahr
Staatssekretärin Müller kündigte an, dass das Bundeslandwirtschaftsministerium im kommenden Jahr auf Basis der Vorschläge mit den Ostseeküstenländern darüber sprechen will, welche konkreten Schritte notwendig und zielführend seien, um die Küstenfischerei an der Ostsee zu erhalten.
Schwarz: "Einmalige Gelegenheit, die wir nutzen müssen"
Das Landwirtschaftsministerium von Schleswig-Holstein begrüßt die Vorschläge der Leitbildkommission, wie Fischereiminister Werner Schwarz (CDU) mitteilte. Die Lage der Ostseefischerei sei "hochdramatisch", die Fischerei als Traditionsberuf müsse erhalten bleiben. Wichtig ist dem Minister auch, dass ein vergleichbarer Prozess an der Nordsee stattfinde. Eine "Gesamtstrategie zur Erhaltung und Neuausrichtung der Fischerei in Deutschland" müsse zeitnah erarbeitet werden. Schwarz bietet bei der Erstellung und Umsetzung eines solchen Konzepts die Hilfe des Landes an. Finanziert werden könnte eine Umstrukturierung der Fischerei unter anderem aus den Einnahmen der Fischereikomponente des Windenergie-auf-See-Gesetzes, so Schwarz. Der Bund müsse schnell und verbindlich die rechtlichen Rahmenbedingungen dafür schaffen.