10.09.2024, Berlin: Nancy Faeser (l, SPD), Bundesministerin für Inneres und Heimat, Marco Buschmann (M, FDP), Bundesminister der Justiz, und Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen), Außenministerin, bei einer Pressekonferenz über die Fortsetzung der Gespräche der Ampel-Koalition mit Union und Ländern zur Migrationspolitik. © dpa Foto:  Carsten Koall

Asylpolitik: Keine Einigung zwischen Regierung und Union

Stand: 10.09.2024 20:35 Uhr

Die Gespräche zwischen Bundesregierung sowie Vertretern der Länder und Unionsparteien sind ohne eine Verständigung auf konkrete Maßnahmen zu Ende gegangen. Niedersachsens Innenministerin Behrens wirft der Union vor, von vornherein auf ein Scheitern der Gespräche gesetzt zu haben.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat bei den Beratungen am Dienstagnachmittag in Berlin ein Dublin-Schnellverfahren vorgestellt, um Schutzsuchende von der Einreise nach Deutschland abzuhalten und - auch mithilfe von Inhaftnahmen - schnell wieder in das zuständige EU-Land zurückzuschicken. Dies würde geltendem nationalen Recht entsprechen, sagte Faeser. Ihr Ministerium hatte zuvor nochmals geprüft, ob pauschale Zurückweisungen an der Grenze - wie von der Union gefordert - mit EU-Recht vereinbar wären.

Was besagt die Dublin-Regelung?

Nach der Dublin-Regelung ist der Staat für das Asylverfahren zuständig, über den ein Antragsteller in die EU eingereist ist. Reist er in ein anderes Land weiter, kann er in das Erstaufnahmeland zurück überstellt werden. In der Praxis findet dies jedoch nur selten statt. Die Union fordert deswegen pauschale Zurückweisungen, die aber nach Auffassung der Bundesregierung nicht mit dem Europarecht vereinbar sind, weil zunächst geprüft werden muss, welches Land zuständig ist.

Damit war die Opposition nicht einverstanden und beendete die Konferenz. Was auf dem Tisch gelegen habe, werde den Vorstellungen der Union nicht gerecht, sagte der Erste Parlamentarische Geschäftsführers der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei. "In diesem Format macht es keinen Sinn", so der Union-Verhandlungsführer.

Bundesregierung bedauert Abbruch der Asylgespräche

Die Bundesregierung bedauerte die Entscheidung der Union zum Abbruch der Gespräche. "Wir sind bereit, das Gespräch weiterzuführen", sagte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP). Bei Maßnahmen zur Eindämmung der irregulären Migration sei die Bundesregierung bereit, alles zu tun, was im Rahmen des nationalen und des europäischen Rechts möglich ist. Die Forderungen der Union nach Zurückweisungen an den deutschen Grenzen gingen aber darüber hinaus. "Man kann von einer Bundesregierung nicht verlangen, dass sich sich in Widerspruch zu Recht begibt", sagte Buschmann. 

Grenzkontrolle Bundespolizei an der deutsch-polnischen Grneze © Screenshot
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Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) äußerte Bedauern und Unverständnis für den Abbruch der Gespräche durch die Union. "Bedauerlicherweise hat die Union gesagt, dass sie jetzt nicht mehr weiter reden möchte", sagte Baerbock. Dabei seien bei dem Treffen "viele Themen noch gar nicht besprochen worden".

Behrens: Union hat von vornherein auf Scheitern der Gespräche gesetzt

Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens, die als Vertreterin der SPD-Länder an dem Gespräch teilgenommen hat, sagte: "Ich bedauere, dass die Union offenbar von vornherein auf ein Scheitern der Gespräche gesetzt hat."

Die Maximalforderung der Union nach flächendeckenden Zurückweisungen an den Grenzen habe sich "in der Prüfung als nicht umsetzbar erwiesen". Faesers Vorschlag sei hingegen ein "gangbaren Weg, um die Zugangszahlen und die Anreize für eine Weiterreise aus anderen EU-Staaten nach Deutschland zu reduzieren".

Der niedersächsische CDU-Chef Sebastian Lechner ist wie die Bundes-CDU der Meinung, dass der Vorschlag der Bundesinnenministerin nicht weit genug geht. Dies sei keine grundsätzliche Wende in der Asyl -und Migrationspolitik.

Tschentscher: "Gipfeltreffen ist nicht gescheitert"

Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) sagte dem NDR: "Der Gipfel ist nicht gescheitert. Die Bundesregierung hat schon viele Schritte unternommen, um die irreguläre Migration zurückzudrängen. Das kommt auch an. Das sehen wir in Hamburg. Die Zahlen haben sich stabilisiert. Aber jetzt kommt es darauf an, die Grenzkontrollen zu intensivieren. (…) Wir haben gesehen, wie wirksam die Kontrollen an der polnischen und tschechischen Grenze waren. Und das soll jetzt generell eingeführt werden."

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Faeser ordnet Grenzkontrollen an

Montag hatte die Bundesinnenministerin bereits Kontrollen an allen deutschen Landgrenzen angeordnet und mehr Zurückweisungen als bisher in Aussicht gestellt. Dies hatte die Union zur Bedingung für die Teilnahme an dem Treffen gemacht.

Die erste Beratungsrunde war vergangenen Dienstag ebenfalls ohne Ergebnis zu Ende gegangen.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Aktuell | 10.09.2024 | 19:25 Uhr

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