Kosten, Ablauf, Ausnahmen: FAQ zu Abschiebung
Immer wieder gibt es Debatten darum, wie viele ausreisepflichtige Ausländer abgeschoben werden, wie effektiv das ist und wieso Abschiebungen scheitern. Hier finden sie wichtige Informationen zum Thema Abschiebungen.
Was ist eine Abschiebung?
Als Abschiebung bezeichnet das Bundesinnenministerium (BMI) die "Durchsetzung der Ausreisepflicht eines Ausländers aus dem deutschen Bundesgebiet" - gegebenenfalls auch unter Zwang. Sie betrifft Ausländer, die keine gültige Aufenthaltserlaubnis besitzen, also ausländische Studierende, Arbeitnehmer oder Touristinnen, deren Visum abgelaufen ist. Dazu gehören auch Asylbewerber, deren Asylantrag vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) abgelehnt wurde und die zudem vor den Verwaltungsgerichten keine rechtlichen Abschiebungshindernisse nachweisen konnten. Von 234.000 ausreisepflichtigen Ausländern hatten 130.000 einen Asylantrag gestellt. (Stichtag 21. März 2024)
Abschiebungen sind Sache der jeweiligen Innenressorts der Bundesländer. Dabei obliegt der Vollzug in den meisten Bundesländern den örtlichen Ausländerbehörden, für die alle Entscheidungen des BAMF und der Verwaltungsgerichte aus den Asylverfahren verbindlich sind.
Wie läuft eine Abschiebung ab?
Wird ein Ausländer vom BAMF zur Ausreise aufgefordert, muss er dieser Forderung innerhalb einer bestimmten Frist Folge leisten. Einige Ausländer entscheiden sich für eine freiwillige Rückkehr. Für sie gibt es Förderprogramme, die die Betroffenen bei der Ausreise unterstützen sollen. Jene, die nicht freiwillig gehen, können zwangsweise abgeschoben werden und werden beispielsweise in Polizeibegleitung in ein Flugzeug Richtung Heimat gesetzt. Dafür werden sie oft nachts abgeholt - auch Familien. An dieser Art der Durchführung entzündet sich oftmals Kritik. Bei einigen Abschiebungen sind Beobachter vor Ort. Regelmäßig organisieren die deutschen Behörden auch Charterflüge für größere Gruppen von Menschen, die das Land verlassen müssen. Wer sich seiner Abschiebung entzieht, der kann als letztes Mittel in Abschiebehaft landen. Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern haben dafür 2021 in Glückstadt eine Hafteinrichtung in Betrieb genommen, in der bis zu 42 Männer inhaftiert werden können.
Woran scheitern Abschiebungen?
Die Gründe dafür, dass Abschiebungen nicht durchgeführt werden, sind vielschichtig. Etwa jeder Fünfte besitzt eine Duldung wegen fehlender Reisedokumente. Diese muss der Herkunftsstaat ausstellen. Einige Länder verweigern dies und helfen nicht dabei, ihre Landsleute zurückzunehmen. Wegen dieses Problems strebt die Bundesregierung Migrationsabkommen an. Der Sonderbevollmächtigte Joachim Stamp hat beispielsweise ein Abkommen mit Georgien verhandelt. Auch mit anderen Ländern laufen Gespräche.
Etwa jeder zehnte Geduldete kann wegen ungeklärter Identität oder familiärer Bindung zu anderen Duldungsinhabern nicht abgeschoben werden. Zudem ist es nicht erlaubt, in Länder abzuschieben, in denen den Menschen Gefahr wie Folter oder Todesstrafe droht. Andere Geduldete arbeiten oder befinden sich in einem behördlichen Verfahren.
Da Abschiebungen nicht angekündigt und oft nachts durchgeführt werden, werden die Menschen nicht angetroffen. Manchmal ist die Familie nicht vollständig, die Leute sind erkrankt oder es wurden Rechtsmittel eingelegt.
Was passiert mit denen, die nicht abgeschoben werden können?
Ist bei einem Ausländer eine Abschiebung nicht möglich, können die Ausländerbehörden eine Duldung erteilen. Diese gilt manchmal für Tage, manchmal Wochen oder wenige Monate. Während einer Duldung ist die Ausreisepflicht vorübergehend ausgesetzt. Menschen mit Duldung unterliegen verschiedenen rechtlichen Beschränkungen. Geduldete Personen können in der Regel nicht reisen und auch der Familiennachzug ist ausgeschlossen. Um arbeiten zu können, müssen geduldete Personen eine Arbeitserlaubnis beantragen, die verweigert werden kann. Manche geduldete Personen unterliegen allerdings auch einem Arbeitsverbot. Zudem haben sie Wohnsitzauflagen, können also ohne Erlaubnis nicht in ein anderes Bundesland oder eine andere Stadt ziehen. Duldungen werden ausgestellt, wenn ein Abschiebestopp für ein Land vorliegt, eine Person krank ist oder eine Familie auseinandergerissen würde. Auch fehlende Papiere sind ein möglicher Grund, genauso wie der Abschluss von Schule oder Ausbildung.
Wie hat sich die Zahl der Abschiebungen in den vergangenen Monaten entwickelt?
Immer wieder wir darüber diskutiert, wie mehr Menschen abgeschoben werden können. Die Zahl der ausreisepflichtigen Menschen ist in den vergangenen Monaten zurückgegangen. Zum Stichtag 31. März 2024 waren laut Bundesregierung etwa 234.00 Ausländer ausreisepflichtig, davon hatten 80 Prozent eine Duldung (188.000). Unter den Ausreisepflichtigen befinden sich 130.000 abgelehnte Asylbewerber. Im Juni 2023 lebten noch insgesamt 280.000 Ausreisepflichtige in Deutschland.
Aus Deutschland abgeschoben wurden im ersten Quartal bundesweit nach Regierungsangaben 4.791 Menschen. Die meisten stammten aus Georgien, Nordmazedonien und der Türkei. Bei 272 von ihnen setzten die Beamten körperliche Gewalt ein. 907 von ihnen waren unter 18 Jahren.
Wie hoch sind die Kosten der Abschiebungen und wer trägt sie?
Laut Paragraf 66 des Aufenthaltgesetzes ist die finanzielle Frage klar geregelt: "Kosten, die durch die Durchsetzung einer räumlichen Beschränkung, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung entstehen, hat der Ausländer zu tragen." Zahlen muss also der Abzuschiebende selbst. So ist es zumindest theoretisch. In der Praxis treten jedoch die "an der Abschiebungsmaßnahme beteiligten Behörden für die entstandenen Kosten in Vorleistung", wie es vom niedersächsischen Innenministerium heißt. Kosten entstehen in den Behörden, unter anderem durch den Einsatz von Polizeibeamten, in der Verwaltung, in der Abschiebehaft und für die Reisekosten.
Informationen der Bundesregierung zeigen: Im März 2024 brachte beispielsweise ein Flugzeug elf Menschen aus Schleswig-Holstein von Hamburg aus nach Kroatien, wobei für das Fluggerät allein 54.085 Euro anfielen. 26 Bundespolizisten begleiteten den Flug. Im März wurden auch 45 Serben und 42 Nordmazedonier aus Niedersachsen in ihre Heimatländer zurückgeflogen. Das Flugzeug allein kostete 114.600 Euro. 80 Bundespolizisten waren dabei im Einsatz. Insgesamt waren im ersten Quartal 2024 bei den Abschiebungen 3.187 Polizisten und 486 Sicherheitskräften begleitet.
Was ist eine Dublin-Überstellung?
Bei einer Dublin-Überstellung werden Asylbewerber in ein anderes EU-Land gebracht, in dem sie erstmals innerhalb der EU registriert worden sind. Dies ist in der Regel für den Asylantrag zuständig, muss das Übernahme-Gesuch allerdings auch akzeptieren. Die meisten Überstellungen gingen 2023 nach Österreich, Frankreich und Spanien.
Wie haben sich die Rahmenbedingungen in jüngster Zeit geändert?
Seit 2015 sind die rechtlichen Rahmenbedingungen für Abschiebungen mehrmals verändert worden. Seit 1. August 2015 gilt das Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung. Es ermöglicht Einreiseverbote für Ausgewiesene, regelt den Aufenthalt von Langzeit-Geduldeten und Jugendlichen während der Ausbildung. Zudem können Ausreisepflichtige auch ohne das Vorliegen spezieller Haftgründe in Haft genommen werden.
Das Asylpaket I vom Oktober 2015 sieht unter anderem vor, dass Ausländern ihr konkreter Abschiebungstermin nicht vorab mitgeteilt wird, wenn sie die Frist zur freiwilligen Ausreise haben verstreichen lassen. Länderabschiebestopps gelten nur noch für drei statt zuvor sechs Monate.
Mit dem Asylpaket II vom März 2016 wurden sogenannte (schein)medizinische Abschiebungshindernisse abgebaut, wie es beim Bundesinnenministerium heißt. Das bedeutet unter anderem, dass Anforderungen an eine ärztliche Bescheinigung konkretisiert wurden. Es gilt eine "gesetzliche Vermutung der Reisefähigkeit".
Im Juli 2017 trat ein neues Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht in Kraft. Ausreisepflichtige, von denen eine Gefahr für Leib und Leben Dritter oder die innere Sicherheit ausgeht, können dadurch einfacher in Abschiebehaft genommen werden. Anfang 2024 beschlossen Bundestag und Bundesrat neue Regeln. Demnach können abgelehnte Asylbewerber länger in Gewahrsam bleiben, die Polizei erhält mehr Rechte bei Wohnungsdurchsuchungen und Asylbewerber müssen im Asylverfahren stärker mitwirken.
Im April 2024 beschloss die EU eine Verschärfung der Asylgesetze. Die Reform sieht im Wesentlichen schärfere Asylregeln, Asylverfahren an den Außengrenzen sowie einen obligatorischen Solidaritätsmechanismus zwischen den Mitgliedsländern vor, um Hauptankunftsländer wie Italien oder Griechenland zu entlasten.
Welche Abkommen gelten mit den Herkunftsländern?
In der Ampelregierung ist seit 2023 Joachim Stamp Sonderbevollmächtigter für Migrationsabkommen. Mit Georgien und Indien wurden bereits Abkommen geschlossen, auch mit Ländern wie Kolumbien, Moldau, Kenia und Marokko laufen Gespräche, um die Migration zu reduzieren und legale Wege in den deutschen Arbeitsmarkt zu ermöglichen.
In den vergangenen Jahren schloss die EU zudem mehrere Abkommen mit der Türkei, Ägypten, dem Libanon und Tunesien, um Menschen davon abzuhalten, über das Mittelmeer in die EU zu kommen. Die EU unterstützte auch die sogenannte libysche Küstenwache, der weitreichende Menschenrechtsverletzungen nachgewiesen wurden.
Dieses Thema im Programm: