Präventivhaft für Gefährder in Schleswig-Holstein soll kommen
Die Landesregierung Schleswig-Holsteins möchte konsequenter gegen die steigende Zahl von Messerangriffen vorgehen. Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) kündigte an, dafür die Befugnisse der Polizei auszuweiten.
In Schleswig-Holstein soll künftig eine konkrete Gefahr für einen Angriff als Grund für Präventivgewahrsam ausreichen. Mit der Präventivhaft, also dem vorbeugenden Gewahrsam sollen Rechtsbrüche im Voraus verhindert werden. Bisher verlangt das Gesetz, dass der Angriff "unmittelbar bevorsteht". Durch die Änderung bekommt die Polizei laut Landesregierung die Möglichkeit, beispielsweise Gefährder aus dem terroristischen Spektrum früher in Haft zu nehmen. Außerdem soll die elektronische Fußfessel nicht mehr nur bei terroristischen Gefährdern, sondern auch zur Verhinderung von Gewalt- und Tötungsdelikten eingesetzt werden. Dafür soll das Landesverwaltungsgesetz überarbeitet werden. Ein entsprechender Gesetzentwurf soll in Kürze ins schwarz-grüne Kabinett eingebracht werden.
Günther: Neuregelungen sollen schnell in Kraft treten
Daniel Günther selbst erklärte, dass die rechtliche Grundlage für diese Änderungen im Landesverwaltungsgesetz liege. Er betonte: "Das geht sehr schnell. Wir können das im Kabinett auch in kürzester Zeit verständigen und einen solchen Gesetzentwurf in den Landtag einbringen." Der Ministerpräsident setzt darauf, dass die Neuregelungen zeitig in Kraft treten, damit Polizei und Justiz besser auf solche Straftaten reagieren können.
Auf Nachfrage reagierte der Fraktionschef der Grünen, Lasse Petersdotter, eher zurückhaltend. "Um angemessen auf die Sicherheitslage reagieren zu können, sollten wir diese noch besser aufklären. Hierzu sollte das Innenministerium zügig ein großes Lagebild zur Messerkriminalität, ähnlich wie in NRW, entwickeln." Sobald der Gesetzesentwurf aus dem Innenministerium vorliege, werden man sich in der Koalition auf "gemeinsame und wirksame Maßnahmen verständigen", so Petersdotter.
Polizeigewerkschaft fordert Details: "Was genau ist eine konkrete Gefahr?"
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) begrüßt grundsätzlich Günthers Vorschläge, fordert jedoch eine präzisere Ausgestaltung des Gesetzes. Der GdP-Landesvorsitzende Torsten Jäger erklärt, dass das Gesetz so gestaltet werden muss, dass Polizisten es anwenden können: "Eine konkrete Gefahr muss klar definiert werden, etwa durch einen Katalog. Was genau ist eine konkrete Gefahr? Ist es die Androhung eines Amoklaufs oder eine erneute Messertat? Es muss so sicher geregelt werden, dass ein Richter die Anordnung für Präventivgewahrsam trifft."
Christine Schmehl, Vorsitzende des Schleswig-Holsteinischen Richterverbands, warnt, dass die Gerichte und Staatsanwaltschaften bereits jetzt überlastet sind. Sie weist darauf hin, dass zusätzliche Aufgaben bei den Staatsanwaltschaften und Gerichten den Personalbedarf weiter erhöhen würden. "Die Justiz muss so ausgestattet sein, dass sie ihre Aufgaben auch alle gut wahrnehmen kann", betont Schmehl.
Opposition: Vorstoß als "schnelle Schlagzeile"
Von Seiten der Opposition kommt Kritik an den Vorschlägen. SPD-Politiker Niclas Dürbrook bezeichnet die Ankündigung als "schnelle Schlagzeile" und stellt infrage, wie realistisch die Umsetzung in der Praxis ist. Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion erinnert daran, dass erst kürzlich das Justizministerium wegen verfahrensbedingter Entlassungen aus der Untersuchungshaft im Innenausschuss Rede und Antwort stehen musste.
Fraktionsvorsitzende Serpil Midyatli (SPD) ergänzt, dass es "2023 schon mal so einen Vorstoß von Ministerpräsident Günther" gegeben hätte, aus dem nichts gefolgt sei. "Ich hoffe, das ist nicht nur der Wahl-Taktik geschuldet, dass er jetzt einen auf 'ich bin hier ein Macher' macht und dann nach der Wahl ist wieder still ruht der See." Auch Christopher Vogt von der FDP befürchtet, dass der Vorstoß des Ministerpräsidenten ein "schwarz-grüner Papiertiger" bleiben könnte. Trotz der bestehenden Möglichkeit zur Präventivhaft werde diese in Schleswig-Holstein nur selten angewendet, so Fraktionschef Vogt.
SSW: Mangelnde Ressourcen gefährden Umsetzung
Die SSW-Fraktion äußert ebenfalls Bedenken. Fraktionschef Christian Dirschauer stellt infrage, ob die Grünen diesem Kurs tatsächlich zustimmen werden, und kritisiert, dass der Polizei bereits jetzt Personal und Mittel fehlen. Zudem werde im Land immer wieder von Platzmangel in der Untersuchungshaft berichtet, sodass verdächtige Personen entlassen werden müssten. Dirschauer fordert, dass die Voraussetzungen für ein härteres Vorgehen gegen potenzielle Täter erst geschaffen werden müssten, bevor solche Ankündigungen sinnvoll seien.
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