Noten-App soll Arbeit für Musiker vereinfachen
Vieles wird digitaler - auch im Konzertbetrieb: Online-Programmhefte, Konzerteinführungen per QR-Code und Tablets statt Papierpartituren. Nun kommt eine Noten-App hinzu, die das Leben für Laien- und Profi-Musiker leichter machen soll.
Viele Chorleiter oder Musiker mit kleinen Ensembles kennen das Problem: Der Kopierer streikt mal wieder, die letzten Noten rechts auf der Seite sind nicht mehr deutlich zu lesen oder vielleicht sogar abgeschnitten. Dann werden Noten geklebt und ein Format gesucht, das praktikabel ist. Ob beim Kammermusik machen in den eigenen vier Wänden, bei Chor-Proben und -Auftritten oder am Orchesterpult - der geeignete Moment fürs Blättern und die Optik der Noten haben viel Einfluss auf das Gelingen, die Freude und den Hörgenuss.
"Der Wunsch war da, moderne Technologie so einzusetzen, dass sie uns Musikern weiterhilft", sagt App-Initiator Boian Videnoff. "Sie soll uns unterstützen, so dass wir uns dadurch auf das Fokussieren können, was uns wirklich wichtig ist, nämlich Musikmachen." Er selbst ist Musiker und Gründer und Leiter der Mannheimer Philharmoniker.
Zugriff auf großes digitales Notenarchiv
Das Interesse an Technik wurde bei Boian Videnoff schon als Kind geweckt, ebenso wie das für die Musik: "Mein Vater war ein großer Computerfan. Schon immer hat er sich die neuesten Gadgets geholt und in irgendwelchen Nachtsessions dann neue Computer erkundet. Das war natürlich damals eine aufregende Zeit, weil jede Neuerung weltbewegend war."
Nun hat Videnoff vor ein paar Jahren selbst etwas Neues auf den Markt gebracht: Die App Enote. Gemeinsam mit Software-Entwicklern ist eine App entstanden, durch die man auf ein riesiges Notenarchiv zugreifen kann - mit unterschiedlichen Stilen und vielen gemeinfreien Stücken. Nach und nach entstehen aber auch immer mehr Kooperationen mit Verlagen. Die App hat bereits rund 150.000 Nutzer - Laien wie Profis.
Mannheimer Philharmoniker sind "aktives Testkaninchen"
In die Noten, die man vom Tablet abliest, kann man Notizen machen. "Das funktioniert heutzutage mit den Stiften auf den Tablets sehr natürlich", erklärt Boian Videnoff. "Aber es geht sogar noch weiter. Man kann die App bitten, manche Symbole nach gewissen Regeln automatisiert zu highlighten und sich damit recht viel Arbeit ersparen, die man sonst manuell machen müsste. Ich denke hier z.B. an Sänger und Schauspieler." Die Noten können in eine andere Tonart transponiert werden, eigene Noten können hochgeladen werden und man kann sich selbst aufnehmen - auch ein hilfreiches Tool für den Musikunterricht.
Mit seinem Orchester, den Mannheimer Philharmonikern, ist Boian Videnoff seit zwei Jahren ein "aktives Testkaninchen, wenn man das so sagen kann", sagt er lächelnd. Ein großer Vorteil ist natürlich auch die Beleuchtung der Partitur durch das Licht des Tablets. Die App ist work-in-progress mit ständig neuen Funktionen. Momentan wird unter anderem daran gearbeitet, dass die KI-gestützte App erkennt, wo auf der Seite man gerade ist und dann punktgenau umblättert. Auch eine Version für Android soll bald kommen, bisher gibt es die App nur für Apple-Nutzer.
Gesangbücher ins digitale Zeitalter bringen
Seit kurzem besteht eine Kooperation mit Büchereien in einigen deutschen Städten, vor allem in Berlin, Nordrhein-Westfalen und Hessen. Das Netzwerk erweitert sich stetig und Bücherhallenkarten-Besitzer können künftig nicht nur Bücher digital ausleihen, sondern auch Noten. Auch der Evangelische Presseverband wurde auf die App Enote aufmerksam. "Es ist ja so, dass wir im 21. Jahrhundert ernsthaft Gesangbücher auf den Kopierer legen, die Lieder ausschneiden, auf Zettel kleben und wieder ausschneiden", erzählt der Geschäftsführer des Evangelischen Presseverbands Nord Matthias Gülzow. "Das ist die real existierende Welt von Kirchengemeinden. Seit vielen Jahren haben wir nach einer Lösung gesucht, das technisch zu machen und sind daran gescheitert."
Das Gesangbuch ist jetzt online verfügbar auf gesangbuch.de. In Druckform wird es 2028 aber nochmal ein neues Gesangbuch geben, das wie bisher auf 500 Lieder beschränkt sein wird. "Wir haben ja jetzt erst einmal das alte Gesangbuch angeboten, weil das existierte", so Matthias Gülzow. "Die Rückmeldungen, die wir von den Gemeinden bisher kriegen, sind durchweg sehr positiv, weil es die Arbeit enorm erleichtert. Sie können bei uns das Lied auswählen, können entscheiden, welches Lied sie wollen, drücken auf einen Knopf und dann kann ihr Rechner das in jedes Textverarbeitungsprogramm einfügen. Und das gibt es in der Form bisher nicht."
Angebot für die jungen Generationen
Ein unbegrenztes Archiv, viele Hilfsfunktionen und die Gewinnung neuer Zielgruppen für jede Art von Musik - das sind die großen Vorteile von Enote. "Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass es eine Notwendigkeit ist, die jungen Generationen mit einem digitalen Angebot abzuholen", findet App-Initiator Boian Videnoff, "weil sie sonst den Bezug verlieren. Das ist aber etwas, was wir sehr leicht ändern können, indem wir es ihnen, in der Welt, die sie kennen, anbieten."