Hamburg: HFBK hält an Gastprofessur für Ruangrupa-Künstler fest
Nach der von Antisemitismusvorwürfen überschatteten documenta treten zwei Mitglieder des Kuratorenkollektivs Ruangrupa eine Gastprofessur an der Hochschule für bildende Künste (HFBK) an. Forderungen die Gastprofessoren auszuladen, will die Hochschule für bildende Künste nicht nachkommen.
Die Hochschule für bildende Künste wird am Mittwoch bei der Semestereröffnung die beiden Ruangrupa-Mitglieder Reza Afisina und Iswanto Hartono als Gastprofessoren des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) vorstellen. Die Jüdische Gemeinde in Hamburg bezeichnet die Gastprofessur in einem Statement als eine "Schande für unsere Heimatstadt Hamburg". Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Michael Fürst, sagte im Interview mit dem Hamburg Journal: "Ich habe dafür absolut kein Verständnis. Wer nach mehrmonatiger Dauer auf der documenta gezeigt hat, dass er von antisemitischen Gedanken überhaupt nicht ablassen will, der hat an einer öffentlichen Hochschule in Deutschland nichts zu suchen."
Hochschule für bildende Künste hält an Gastprofessuren fest
Die Entscheidung über die Gastprofessur für Reza Afisina und Iswanto Hartono sei bereits im Januar - also vor Beginn der documenta - gefallen, erklärt Hochschul-Präsident Martin Köttering. Der Forderung, die Gastprofessoren auszuladen, will die Hochschule für bildende Künste nicht nachkommen. "Wir sehen es als unsere Pflicht an, diese Themen jetzt nicht einfach vorbeiziehen zu lassen und zum Alltagsgeschäft überzugehen: Sondern uns mit Antisemitismus in Deutschland und in allen gesellschaftlichen Schichten zu beschäftigen", sagt Köttering.
Seine Hochschule sei sensibel, wenn es um Rassismus oder Antisemitismus gehe. "Ich glaube, dass die Kunsthochschule ein guter Ort ist, um das mit den Studierenden aufzuarbeiten", sagt der Präsident der Hochschule. In diese Diskussion will er die beiden Gastprofessoren, Reza Afisina und Iswanto Hartono, einbinden. "Es ist besser mit ihnen zu sprechen, als nur über sie zu sprechen", so Köttering.
Unterstützung bekommt er dabei von Meron Mendel, dem Direktor der Bildungsstätte Anne Frank. "Ich finde die Idee der Gastprofessur eine hervorragende Idee, denn das gibt uns die Möglichkeit, viele von den Debatten, die vergangenes Jahr so schiefgelaufen sind, noch aufzufangen", so Meron Mendel im Gespräch mit NDR Kultur. "Vielleicht ist das die Chance, einen produktiven Dialog zu starten."
Antisemitismus-Vorwürfe gegen Ruangrupa
Dem Kuratorenkollektiv der diesjährigen documenta, Ruangrupa, wird unter anderem eine Nähe zur BDS-Bewegung, die einen Boykott Israels fordert, vorgeworfen. Kurz nach der Eröffnung der documenta Mitte Juni wurde eine Arbeit mit antisemitischer Bildsprache entdeckt und abgebaut. Auch danach wurden weitere Werke mit antijüdischen Stereotypen auf der documenta festgestellt.
Hamburger Senat und HFBK im Austausch
Die Wissenschaftsbehörde führt, laut Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne), Gespräche mit der HFBK. "Die Hamburger Hochschulen sind autonom in der Berufung ihrer Gastprofessuren, dies ist von der Wissenschaftsfreiheit gedeckt", sagte Fegebank. Hochschulen müssten Orte der kritischen Diskussion sein. "Aber die Wissenschaftsfreiheit kann und darf niemals Freibrief für antisemitisches Gedankengut sein." Es dürften keine offenen Fragen im Raum stehen, wenn Mitglieder von Ruangrupa in Hamburg lehren sollen.
Anke Frieling von der CDU sagt, dass die Hochschule schon im Sommer die Reißleine hätte ziehen und die beiden Ruangrupa-Vertreter ausladen müssen. Die Freiheit der Kunst decke niemals Antisemitismus.
Antisemitismusbeauftragter fordert grundsätzliche Debatte
Der Antisemitismusbeauftragte des Senats, Stefan Hensel, fordert eine Grundsatzdiskussion ein. "Ich denke, es ist an der Zeit, dass eine grundsätzliche Debatte darüber geführt wird, wie der Kulturbetrieb in Hamburg seine Haltung zu Israel-bezogenem Antisemitismus und zur jüdischen Gemeinschaft insgesamt definieren möchte", so Hensel. Das, was sich an der HFBK zutrage, sei schockierend,
Protest von der Deutsch-Israelischen Gesellschaft
Die Deutsch-Israelische Gesellschaft teilte mit, man habe mit einem Schreiben ihres Präsidenten Volker Beck an die zuständigen Stellen im Auswärtigen Amt gegen die Verleihung der Gastprofessur an Hartono und Afisina protestiert. Beck schrieb darin demnach von einem "fatalen Signal für die deutsche auswärtige Kulturpolitik und das Bekenntnis zu Israels Sicherheit und Existenz im Koalitionsvertrag: 'Die Sicherheit Israels ist für uns Staatsräson.'" Außerdem widerspreche die Entscheidung dem Beschluss des Deutschen Bundestages zur anti-israelischen Boykottbewegung BDS. Der Bundestag verurteilt darin Boykottaufrufe gegen Israel.
Afisina und Hartono haben weitere Gastprofessur in Kassel
Afisina und Hartono teilen sich auch eine Gastprofessur an der Kunsthochschule Kassel, wie ein Sprecher bestätigte. Dort waren sie demnach bereits im Sommersemester 2022 tätig und setzen ihr Engagement im kommenden Wintersemester fort. Von Seiten der Hochschule hieß es, Kuratoren der documenta übernähmen traditionell Veranstaltungen.
Mit Informationen von Daniel Kaiser (NDR 90,3), Peter Helling (NDR Kultur), Friederike Trumpa (Hamburg Journal) und der Deutschen Presseagentur.