Eine Frau betrachtet eine Informationstafel im Museum © picture alliance/KEYSTONE | MICHAEL BUHOLZER Foto: Michael Buholzer

Offener Brief gegen Schiedsgerichtverfahren bei NS-Raubkunst

Stand: 08.01.2025 11:12 Uhr

Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) und die Länder wollen noch vor der Wahl das Rückgabeverfahren für NS-Raubkunst reformieren. Juristen und Historiker befürchten, Opfer werden schlechter gestellt.

Im Koalitionsvertrag hatten sich die Ampelparteien vorgenommen, die Restitution von NS-Raubkunst zu verbessern. Bund und Länder hatten sich im Oktober 2024 zusammen mit den kommunalen Spitzenverbänden auf eine Reform des Verfahrens geeinigt. Nun richtet eine größere Zahl von mit NS-Raubkunstfällen befassten Anwälten und Historikern gemeinsam mit Nachkommen von Geschädigten die Bitte an Bundeskanzler Olaf Scholz, "das Restitutionsrecht von NS-Raubgut in Deutschland zu erhalten und zu verbessern". 

In einem Offenen Brief heißt es: "Das von Frau Roth geplante Schiedsverfahrensrecht für Restitution von NS-Raubkunst verschlechtert die Situation der Opfer eklatant". Ganze Opfergruppen könnten mit den neuen Restitutionsregeln ihre während der NS-Zeit unter dem Druck der Verfolgung veräußerten Kunstwerke nicht mehr zurückerhalten.

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Rechtliche Rahmenbedingungen unklar

Künftig soll über die Rückgabe von NS-Raubkunst eine Schiedsgerichtsbarkeit entscheiden. Die Schiedsstelle soll an Stelle der bisherigen Beratenden Kommission eingesetzt werden. Die Unterzeichner des offenen Briefs an den Bundeskanzler sehen darin allerdings keine Stärkung der Opfergruppen. "Auf den letzten Metern der Legislaturperiode die Beratende Kommission NS-Raubgut abzuschaffen und ein für die Opfer schlechteres neues Verfahren zu beschließen, ist unredlich", heißt es in dem Brief.

Tausende Kommunen mit Kultureinrichtungen hätten sich nicht zu den Schiedsverfahren bekannt, es sei nicht absehbar, dass sie das in Zukunft tun würden. In dem Schreiben wird zudem kritisiert , dass die Rahmenbedingungen des geplanten zivilrechtlichen Schiedsgerichts nie öffentlich diskutiert worden seien. Eine Anhörung im Kulturausschuss scheiterte laut den Unterzeichnern daran, "dass die bereits zwischen Staatsministerin Roth und den Kulturministerinnen und -ministern der Länder beschlossenen Verfahrens- und materiellen Regeln den Sachverständigen nicht vorgelegt worden waren".

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Im Offenen Brief heißt es weiter, dass das Restitutionsrecht von NS-Raubgut in Deutschland erhalten und verbessert werden müsse. Die Unterzeichner des Briefes forderten demgegenüber eine Sachverständigenanhörung im Rechtsausschuss, bei der das geplante Schiedsverfahren erörtert werden solle. Zudem solle ein intensiver Austausch zwischen Politik und Personen, die sich als Praktiker, Betroffene oder Forschende seit vielen Jahren mit den Fragen des NS-Restitutionsrechts auseinandersetzen, initiiert werden. Darüber hinaus solle die Beratende Kommission NS-Raubgut ihre Tätigkeit fortsetzen können. Dazu gehöre die Nachbesetzung ausgefallener Kommissionsmitglieder und die Sicherstellung der dauerhaften Finanzierung der Kommission, hieß es abschließend.

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