Benin-Bronzen: "Müssen lernen, nicht alles bestimmen zu wollen"
Die Debatte um die Benin-Bronzen und die Restitution afrikanischer Kulturgüter polarisiert. "Wir müssen lernen, nicht alles bestimmen zu wollen", sagt die Provenienzforscherin Bénédicte Savoy bei DAS! im NDR Fernsehen.
Im Dezember hat Deutschland zahlreiche Benin-Bronzen, die als Beutekunst nach Europa kamen, an Nigeria zurückgegeben. Auch die Stadt Hamburg unterzeichnete einen Vertrag zur vollständigen Rückgabe von 179 Bronzen. Die an Nigeria feierlich und unter großem öffentlichen Interesse zurückgegebenen Benin-Bronzen sind, anders als angekündigt, nicht ausgestellt worden.
Der Präsident Nigerias hat entschieden, dass die von Deutschland im Dezember restituierten Kunstwerke an eine einzige Person zurückgehen, den Oba von Benin, Oberhaupt des alten Königreichs Benin im heutigen Nigeria.
Savoy: Entscheidung den Afrikanern überlassen
Die Provenienzforscherin Bénédicte Savoy sagte bei DAS! in Bezug auf die Rückgabe von Kunstobjekten an afrikanische Staaten: "Wir müssen lernen, nicht alles bestimmen zu wollen und nicht für alles eine Lösung finden zu wollen, sondern wir müssen zurückgeben und schauen was passiert." Savoy zählt zu den angesehensten Kunsthistorikerinnen und Kunsthistorikern der Welt. Sie untersucht, woher Kulturgüter und Kunstwerke in Museumsbeständen ursprünglich stammen. Es war unter anderem ihre Forschungsarbeit, die dazu geführt hat, dass die Benin-Bronzen von Deutschland an Nigeria zurückgegeben worden sind.
Debatte um Restitution gibt es seit der Unabhängigkeit
Mit "Afrikas Kampf um seine Kunst" hat Bénédicte Savoy ein Buch vorgelegt, in dem sie zeigt, dass die Debatte um die Restitution afrikanischer Kulturgüter schon viel älter ist als angenommen. "Wir dachten, wir sind im 21. Jahrhundert die ersten, die das machen. Dann fingen wir an, in Archiven zu schauen und stellten fest: 'Oh mein Gott, die Debatte hat es schon gegeben als wir Schulkinder waren.'", schildert die Provenienzforscherin auf dem roten Sofa bei Das!. "Afrikanische Länder haben spätestens im Moment ihrer Unabhängigkeit - als England, Belgien, Frankreich ihre letzten Kolonien loslassen mussten - ganz klar gesagt: 'Wir brauchen diese Kultur für Zukunft'."
Debatte über 50 Jahre ausgesessen
In ihrem neuen Buch beschreibt Savoy, wie schon vor 50 Jahren afrikanische, aber auch europäische Politiker*innen, Journalist*innen und Museen einen Weg suchten, afrikanische Kulturgüter im Sinne einer postkolonialen Solidarität zurückzugeben - und daran scheiterten. Es gab durchaus Unterstützung, sagt Savoy: "Wir waren in den 1970er- und 1980er-Jahren schon kurz davor, die richtigen Entscheidungen zu treffen."
Am Ende seien die Bemühungen afrikanischer Staaten um Kulturgüter, die während der Kolonialzeit in europäische Staaten kamen nicht nur vergebens, sie wurden auch erfolgreich vergessen gemacht. "Es waren Argumente und es waren Taktiken", schildert Savoy. Eine Taktik sei gewesen: "Wir lassen sie reden und wir antworten nicht. Wir lassen die Briefe sich stapeln, wir ignorieren das, wir reden nicht öffentlich darüber." Es habe aber auch vorgeschobene und zum Teil rassistische Argumente gegeben. Von "Dort würden Insekten alles fressen" bis "Die haben kein Gefühl für das eigene Kulturerbe".
Entscheidungen werden nicht in Europa gefällt
Die Anmaßung aus Westeuropa vermeintlich besser zu wissen, was mit dem afrikanischen Kulturerbe geschehen soll, klingt nun auch bei der aktuellen Debatte um die Benin-Bronzen wieder mit. "Ich habe gelernt, dass ich von meiner Position aus Deutschland oder Paris gar keinen Lösungsansatz brauche", schildert Savoy. "Sondern es viel lebendiger wird, wenn ich schweige und dann aus den Ländern selbst höre - von den Kolleginnen aus den Universitäten, in Künstlerkreisen - was sie mit diesen sogenannten Objekten vorhaben."