Buchcover: Silvia Moreno-Garcia - Der mexikanische Fluch © Limes Verlag

"Der mexikanische Fluch": Gruselroman von Silvia Moreno-Garcia

Stand: 08.12.2022 06:00 Uhr

Silvia Moreno-Garcia interpretiert den Schauerroman neu und ist dabei nicht zimperlich. Die Schriftstellerin schreibt bildgewaltig, ihre Figuren sind lebendig und nicht selten skurril.

von Katja Eßbach

Silvia Moreno-Garcia, eine in Mexiko geborene Kanadierin, hat mit "Der mexikanische Fluch" ("Mexican Gothic") international bereits für Furore bei Kritik und Publikum gesorgt. Die Autorin ist sehr vielseitig, erfindet sich mit jedem Roman neu und bringt frischen Wind in angestaubte Genres. Im Oktober ist ihr Überraschungserfolg auf Deutsch erschienen.

"Der mexikanische Fluch": Gruselroman um ein düsteres Herrenhaus

Ein kleiner Hinweis vorweg: Für diesen Roman braucht man starke Nerven und einen Hang zum Gruseln. Silvia Moreno-Garcia interpretiert den Schauerroman neu und ist dabei nicht zimperlich. Es geht um die lebenslustige Noemi, die in den 1950er-Jahren in Mexiko-Stadt lebt. Sie gehört zur besseren Gesellschaft, hat eine Privatschule besucht und liebt Partys. Ihr größter Wunsch aber ist nicht etwa, wie in diesen Kreisen üblich, ein angemessener Ehemann, sondern der Masterstudiengang in Anthropologie. Dieses Studium würde ihr Vater auch erlauben, unter einer Bedingung: Noemi soll ihre Cousine Catalina besuchen, die nach ihrer überstürzten Heirat in einem abgelegenen Herrenhaus lebt. Und die einen verstörenden Brief geschrieben hat, einen Hilferuf:

(...) er versucht mich zu vergiften. Dieses Haus ist krank vor Fäulnis, stinkt nach Verfall, fließt über vor bösen und grausamen Empfindungen. (...) Es gibt mich nicht frei, also muss ich dich bitten, mich zu befreien, mich loszuschneiden, sie aufzuhalten. Um Gottes Willen... Beeil dich! Leseprobe

Also macht sich Noemi auf den Weg nach High Place, dem weitentfernten Familiensitz von Catalinas Ehemann Vergil, irgendwo in den mexikanischen Bergen. High Place präsentiert sich ihr als ziemlich düsteres, unbedingt renovierungsbedürftiges Herrenhaus, in dem die Wände zu flüstern scheinen. Oberhaupt der Familie ist Howard Doyle:

Das Wort alt wäre unzureichend gewesen, um ihn zu beschreiben. Er war uralt, das Gesicht von Runzeln zerfurcht, und nur wenige Haare hafteten noch hartnäckig an seinem Kopf. Sehr blass war er auch, wie eine Kreatur, die unter der Erde lebte. Eine Bodenschnecke vielleicht. Seine Adern, dünne, spinnwebartige Linien in Purpur und Blau, bildeten einen scharfen Kontrast zu seiner fahlen Haut. Leseprobe

Howard ist nicht nur uralt, sondern regelrecht widerwärtig. Noemi fürchtet sich vom ersten Augenblick an vor ihm. Als sie ihre Cousine das erste Mal wiedersieht, ist sie schockiert. Die einst so herzliche Catalina wirkt willenlos und in sich gekehrt. Angeblich hat sie Tuberkulose und muss betreut werden. Noemi ist skeptisch.

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Ungewöhnliche Frauenfigur, die ihr Schicksal selbst in die Hand nimmt

Silvia Moreno-Garcia schreibt bildgewaltig, die Figuren sind lebendig und nicht selten skurril. Allerdings neigt die Autorin leider auch etwas zu Langatmigkeit und Abschweifungen, die Geschichte kommt erst allmählich in Fahrt. Dann aber wird die Atmosphäre immer gruseliger, Noemi beginnt unter Wahnvorstellungen und wiederkehrenden Alpträumen zu leiden:

Auch in diesem Traum hatte sich das Haus verwandelt, aber nun war es nicht aus Fleisch und Sehnen. Sie schritt über einen Teppich aus Moos, Blumen und Ranken krochen über die Wände, und lange schmale Pilze schimmerten in einem fahlen gelben Licht, das Decke und Boden erhellte. Es war, als hätte sich der Wald mitten in der Nacht ins Haus geschlichen und einen Teil von sich zurückgelassen. Leseprobe

Noemi will nur noch eines: Catalina schnappen und weg. Dann aber kommt sie einem furchtbaren Familiengeheimnis auf die Spur. Und die Doyles haben längst einen Plan für sie. Noemi soll das Haus nie wieder verlassen dürfen.

Silvia Moreno-Garcia schafft mit Noemi eine ungewöhnliche Frauenfigur dieser Zeit. Forsch, redegewandt und selbstbewusst, behauptet sie sich gegen die schrecklichen Doyles. Sie nimmt ihr Schicksal selbst in die Hand, ohne auf einen ritterlichen Mann zu warten.

Der mexikanische Fluch

von Silvia Moreno-Garcia
Seitenzahl:
416 Seiten
Genre:
Roman
Zusatzinfo:
Aus dem Amerikanischen Englisch von Frauke Meier
Verlag:
Limes
Bestellnummer:
978-3-8090-2747-8
Preis:
22 €

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Neue Bücher | 08.12.2022 | 12:40 Uhr

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