Uwe Tellkamp liest in Neubrandenburg und kritisiert "wokes Denken"
Uwe Tellkamp stellte am Dienstagabend bei den Uwe-Johnson-Tagen im Stadtarchiv in Neubrandenburg sein neues Buch "Der Schlaf in den Uhren" vor. Dabei forderte er Schriftstellerinnen und Schriftsteller in Deutschland auf, sich deutlicher gegen die Einführung von Gendersprache zu positionieren.
"Der Schlaf in den Uhren", der neue Roman von Uwe Tellkamp, war lange erwartet worden. 14 Jahre nach "Der Turm" ist die Fortsetzung im Frühjahr erschienen. Für den Wenderoman über die letzten sieben Jahre in der DDR wurde Tellkamp 2008 von der Literaturkritik gefeiert und mit den Uwe-Johnson-Preis und dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet. Christian Schwochow verfilmte den Roman mit Jan Josef Liefers und Claudia Michelsen für die ARD 2012 in den Hauptrollen. Ins Abseits gerät er später durch seine Kritik an der Flüchtlingspolitik und durch seine Äußerungen über einen angeblichen Gesinnungskorridor in Deutschland. "Der Teil der Meinung, der beklatscht wird - wir müssen weltoffen sein, wir müssen bunt sein, wir müssen woke sein - das wird nicht wirklich kritisch hinterfragt", bekräftigte Uwe Tellkamp im Interview mit dem Nordmagazin seinen Standpunkt.
Tellkamp fordert Schriftsteller zu Position gegen Gendersprache auf
Die Schriftsteller in Deutschland müssten sich nach Auffassung des Autors deutlicher als bisher gegen die Einführung von Gender-Sprachregeln positionieren, sagte er bei der Veranstaltung in Neubrandenburg. "Die Sprache ist wie eine tausendstimmige Orgel", so der 53-Jährige. Das Gendern sei "eine Vergewaltigung von Sprache". Das sei, als ob man einem Organisten zwei Register der Orgel wegnehme, weil diese irgendwie kolonial belastet seien, betont Tellkamp. Dann klinge die Orgel nicht mehr. Eine überwältigende Mehrheit der Bevölkerung lehne das ab. "Es ist mir unverständlich, warum sich Autoren noch nicht intensiver dagegen einsetzen.", sagte der Schriftsteller unter kräftigem Beifall des Publikums.
Uwe-Johnson-Literaturtage wollen Dialog Raum geben
Zu Lesungen eingeladen wird der Dresdner Schriftsteller in den vergangenen Jahren laut eigenen Aussagen vergleichsweise selten - fast nur im Osten, im kleinen Rahmen wie in Neubrandenburg. "Ich erwarte nicht, dass man mir von früh bis spät die Füße küsst, sondern ich weiß schon, dass Literatur eine bedrohte Gattung ist und dass ich froh sein kann, dass für ein Buch überhaupt noch wer irgendwo hinkommt", sagt der Autor. "Aber eigentlich gehört sowas nach Berlin oder Frankfurt oder Hamburg oder München."
Die Uwe-Johnson-Literaturtage in Neubrandenburg wollen dem Dialog in der Gesellschaft wieder mehr Raum geben. "Es geht uns nicht, um ein politisches Statements oder darum einen Autor zu befragen, wie er zu konkreten politischen Entwicklungen steht", betont Carsten Gansel, der Vorsitzende der Mecklenburgischen Literaturgesellschaft. "Im Zentrum steht das Werk - das ist auch ganz im Sinne von Uwe Johnson, der einmal gesagt hat: 'Dichter soll man nur nach ihrem Werk beurteilen.'"
Kritik an "Der Schlaf in den Uhren": "Nichts davon stimmt"
"Der Schlaf in den Uhren" ist mehr als 900 Seiten dick. Im Zentrum stehen die Wendezeit und das Jahr 2015, das Jahr der Flüchtlingskrise, - für Tellkamp beides mögliche Epochenbrüche. In seinem Roman arbeitet eine Sicherheitsbehörde unter der Erde. Kritiker sehen darin ein Liebäugeln mit einer bekannten Verschwörungstheorie, der des tiefen Staates, der im geheimen die Fäden zieht. "Das ist Unfug - nichts davon stimmt", sagt Uwe Tellkamp. "'Hier unten' heißt, dass wir in die Geschichte hineingehen. Die Archive liegen unten in der Vergangenheit - das ist ein einfaches Bild. Das Bergwerk ist ein uraltes, romantisches Motiv." Er wolle aber sein eigenes Buch nicht erklären. "Wenn die zu blöd sind, das zu verstehen, kann ich dem nicht abhelfen, das ist ihr Problem. Ich muss es ertragen und weitermachen."
Bewunderer der Schriftstellerin Brigitte Reimann
Bei der Lesung äußerte sich Tellkamp zudem als Bewunderer der Schriftstellerin Brigitte Reimann (1933-1973), die in Neubrandenburg gelebt hatte. "Sie hat mir sehr imponiert", sagte Tellkamp nach einem Besuch im Reimann-Literaturmuseum. Reimann gehörte zu den bekanntesten und streitbarsten Autoren in der DDR, ihr Hauptroman ist "Franziska Linkerhand".
Mit Informationen von Claudia Krüger (Nordmagazin) und der Deutschen Presseagentur.
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