Neue Graphic Novels: Studenten, Zombies und lebendige Skulpturen
Drei aktuelle Comics fallen aus graphischen, aber auch inhaltlichen Gründen aus dem Rahmen: ein frischer Ritt durch Buenos Aires, eine Zombie-Geschichte mit interessanten Wendungen und eine feministische Fabel im Museum.
"Kartographie" von Sike
Wenn man neu in einer Stadt ist, helfen neuerdings Navigations-Apps auf dem Smartphone, den richtigen Weg zu finden - oder wie früher: Karten. So ergeht es auch der Hauptfigur in Sikes Graphic Novel. Der argentinische Zeichner lässt sie durch die Straßen von Buenos Aires treiben - mal alleine, mal mit Freunden. Dort erlebt sie Studentenproteste, Hausbesetzungen und Polizeigewalt. Sike erzählt das aus einer sehr persönlichen Sicht und findet dafür ungewöhnliche Bilder.
Mit dünnem Strich, der manchmal an Kugelschreiber-Zeichnungen erinnert, überlagert er seine kleinteiligen und detaillierten Bilder teilweise und schafft damit eine zweite Ebene. Immer wieder tauchen Stadtpläne auf, verwandeln sich zu Menschen, Organen oder anderen Objekten, und so werden die Karten zu einer Allegorie des Seelen- und Charakterzustandes der Hauptfigur: optisch rasant und modern - inhaltlich philosophisch, aber auch den Alltag-widerspiegelnd. "Kartographie", so der Titel, ist ein junger, frischer Ritt durch Buenos Aires und ein Blick auf eine Generation, die sich durch die Gegenwart kämpft und sich mit den Ungewissheiten der Zukunft auseinandersetzen muss.
"Death be damned" von Mike Alcazaren, Noel Pascual, AJ Bernardo und Josel Nicolas
Einen wilden Ritt liefern auch die vier philippinischen Comic-Künstler und Filmemacher Mike Alcazaren, Noel Pascual, AJ Bernardo und Josel Nicolas ab. Die Handlung der Graphic Novel ist schnell erzählt - handelt es sich doch um eine klassische Zombie-Geschichte mit Besonderheiten. Da findet sich ein Fernsehteam unangemeldet auf einer Gartenparty der philippinischen High-Society ein. Da fließt Champagner in Strömen und nicht mehr lange: auch viel Blut. Doch dabei bleibt es nicht.
Mit ausdrucksstarken Schwarz-Weiß-Bildern, die vor Kraft und immer wieder knalligem Rot strotzen und oft grafisch spannend gebaut sind, reißen die vier Comic-Macher den Leser wie in einem Musikvideo sprichwörtlich mit. "Death be damned" ("Der Tod sei verdammt") ist nichts für schwache Nerven - dennoch spart der Zombie-Plot nicht mit interessanten Wendungen und Gesellschaftskritik.
"Der große Zwischenfall" von Zelba
Feinsinniger geht es in der Graphic Novel von Wiebke Petersen, alias Zelba, zu. Die in Aachen geborene Zeichnerin entführt uns in den Louvre nach Paris. Dort kommt es zum titelgebenden "großen Zwischenfall". Plötzlich verschwinden sämtliche weibliche Aktmodelle aus Gemälden oder auch von den Sockeln in den Skulptur-Sälen - und das, kurz bevor ein neuer Direktor bestimmt werden soll. Ein kleiner Kreis versucht die Modelle wieder an ihren Platz zu bekommen, denn schließlich steht der Louvre für höchst kulturelle Meisterwerke, und ein Skandal soll vermieden werden.
Petersen dreht die Perspektive einfach um und erzählt auf originelle wie empathische Weise aus der Sicht der dargestellten Frauen in den Rahmen und auf den Sockeln, denn die fühlen sich nur begafft, angestarrt und gedemütigt. Das große Thema bindet sie in eine zauberhafte und unterhaltsame Verwechslungs- wie Krimikomödie ein. Ihre Zeichnungen sind cartoonesk, einfach in Schwarz und Rot und bieten oft eine zweite Erzählebene. "Der große Zwischenfall" lässt einen beim Blättern schmunzeln und nachdenken - vor allem bei der Lösung des Rätsels.