Krimi des Monats: "Tanz im Dunkel" über eine Mordserie im Köln der 50er
Viermal wurde der Autor Max Annas bereits mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichnet. Nicht undenkbar, dass er für seinen neuen Thriller "Tanz im Dunkel" die fünfte Auszeichnung bekommt.
Köln im Herbst 1959, die Freunde Adi, Hagen, Gisela und Karl lieben Rock 'n' Roll und sein Versprechen auf Freiheit. Auf dem Rückweg von einer Demo gegen die Wiederbewaffnung nach dem Krieg passiert etwas Schreckliches: Karl wird von einem Auto überfahren und stirbt. Seine Freunde finden heraus, dass das Unfallauto noch in derselben Nacht repariert wird und folgen dem Besitzer bis zu seiner Villa. Es ist der stadtbekannte Unternehmer Salz. Sie fangen an, ihn zu beschatten, wollen wissen, warum Karl sterben musste. Was sie nicht ahnen: Salz wird bereits beschattet und sie jetzt auch:
Warten. Warten und beobachten. Er hatte schließlich Zeit. Und er wunderte sich über diese Kinder. Er saß in seinem DKW und beobachtete das Haus. Die waren doch wirklich fast noch Kinder. Was machten die da überhaupt?
Mysteriöse Morde in Nazi-Kreisen
Der Beobachter, der sich selbst Reinhard Clausen nennt, hat es aber nicht nur auf den Unternehmer Salz abgesehen. Scheinbar wahllos folgt er mittelalten Männern und tötet sie. Erst nach und nach erfährt man den Grund dafür. Die Opfer verbindet eine Vergangenheit in der NS-Zeit, in der sie sich schuldig gemacht haben. Aber ist diese dunkle Zeit wirklich Vergangenheit? Längst ist ein Netzwerk alter und neuer Nationalsozialisten wieder aktiv:
Gisela zog Adi an der Hand zu der Mauerecke und um sie herum. Dort prangte ein großes Hakenkreuz. Von einer Ecke aus tastete sich ein fetter weißer Farbtropfen den Weg über die Ziegelsteine nach unten.
Bitterböser Thriller mit lustigen Momenten
Max Annas schreibt sehr konzentriert und auf den Punkt. Da gibt es kaum Ausschmückungen oder Umwege. Das mutet manchmal etwas spröde an, steht aber ganz im Dienst der Geschichte. Und die ist lange unübersichtlich. Wer verfolgt hier welchen Plan und vor allem, wer verfolgt hier wen? Das führt zu skurrilen Szenen wie in einem Billy-Wilder-Film, in denen die Verfolger längst die Verfolgten sind und auch der geheimnisvolle Beobachter zwischendurch komplett den Überblick verliert.
Aber man sollte sich nicht allzu gemütlich in diesen lustigen Momenten einrichten, denn Max Annas hat einen bitterbösen Thriller geschrieben. Er schildert die westdeutsche Nachkriegszeit, in der Nazis kaum zur Rechenschaft gezogen worden waren und viele Täter unbehelligt lebten. Und beschreibt, wie das Versagen der Justiz ein Opfer dazu bringt, das Recht selbst in die Hand zu nehmen. Sehr bedrückende Lektüre.
Tanz im Dunkel
- Seitenzahl:
- 237 Seiten
- Genre:
- Krimi
- Verlag:
- Suhrkamp
- Bestellnummer:
- 978-3-518-47461-7
- Preis:
- 17 €