Streitbare Literatur: Uwe-Johnson-Tage starten in Neubrandenburg
Uwe Johnson ist seit 40 Jahren tot, doch sein Name und seine Werke hallen nach. Die Uwe-Johnson-Tage, die am Montag in Neubrandenburg begonnen haben, erinnern an den wichtigen deutschen Schriftsteller, der dieses Jahr 90 geworden wäre.
Die Uwe-Johnson-Tage dürften ganz im Sinne des Schriftstellers sein. Denn ihm war Streitbarkeit immer wichtig, weiß Organisatorin Gundula Engelhard: "Die Uwe-Johnson-Tage sind gestartet, um dem Autor Uwe Johnson die Aufmerksamkeit zu bringen, die er verdient. Zum zweiten wollen wir insbesondere die aktuelle, die gegenwärtige Literatur ins Gespräch bringen. Und zum Dritten wollen wir vor allen Dingen auch junge Menschen interessieren für Literatur und für den Autor Uwe Johnson."
Lesung und Gespräch mit Uwe Tellkamp am 7. November
Engelhard gehört zur Mecklenburgischen Literaturgesellschaft, die die Veranstaltungsreihe organisiert. Insgesamt acht Schriftsteller und Wissenschaftlerinnen sind bei den diesjährigen Uwe-Johnson-Tagen eingeladen. So gibt es am 7. November auch eine Lesung und ein Gespräch mit Uwe Tellkamp in Neubrandenburg. 2008 hat er für seinen Roman "Der Turm" den Johnson-Preis bekommen. Der Autor wurde später für seine Aussagen zur Flüchtlingspolitik kritisiert.
Vor zwei Jahren war Tellkamp zuletzt in Neubrandenburg bei den Literaturtagen, las damals aus seinem Werk "Der Schlaf in den Uhren". Dort arbeitet eine Sicherheitsbehörde unter der Erde. Kritiker sahen darin Parallelen zu einer Verschwörungstheorie, in der es um einen Staat im Staat geht, der im Untergrund die Fäden zieht.
Parallelen zu einer Verschwörungstheorie? Uwe Tellkamp widerspricht
Tellkamp sagt damals dazu in einem Interview mit dem NDR: "Das ist ein Unfug. Nichts davon stimmt. 'Hier unten' heißt nur, dass wir in die Geschichte hineingehen. Die Archive liegen hier unten. In der Vergangenheit. Das ist ein einfaches Bild. Das Bergwerk ist ein uraltes, romantisches Motiv, aber ich will mein eigenes Buch nicht erklären. Wenn die zu blöd sind, das zu verstehen, kann ich dem nicht abhelfen. Das ist ihr Problem. Ich muss es ertragen. Ich muss es schlucken und weitermachen."
Dieses Jahr wird der gebürtige Dresdner aus der Fortsetzung von "Der Schlaf in den Uhren" lesen. "Archipelagus 2" lautet der Arbeitstitel des Buches, das noch nicht veröffentlicht wurde. Für Gundula Engelhard aber kein Grund, von einer Einladung abzusehen. Im Gegenteil: "Gehen wir davon aus, dass Autoren in ihren Texten versuchen, Erfahrungen über die Gegenwart und die Geschichte zu vermitteln. Dann möchten wir versuchen, so vielseitig wie möglich die angesprochenen Problematiken zu beleuchten. Und wenn Sie 'umstrittene Autoren' sagen - dann ist das doch gerade die Vorlage, um ins Gespräch zu kommen."
Dirk Oschmann liest aus "Der Osten: eine westdeutsche Erfindung"
Auch der Literaturprofessor Dirk Oschmann ist in der ehemaligen DDR geboren. Mit seinem Buch "Der Osten: eine westdeutsche Erfindung" gastiert er in dieser Veranstaltungsreihe am 17. Oktober im Neubrandenburger Stadtarchiv.
In einem Interview charakterisiert Oschmann sein Werk als zornige Bestandsaufnahme: "Ich bevorzuge das Wort Zorn, weil es etwas ist, was sich über lange Jahre angesammelt und aufgebaut hat. Was sich jetzt artikuliert in einer möglichst scharfen Form. Es gibt keinen Grund, die Schärfe, die der Westen gegenüber dem Osten an den Tag legt, nicht auch einmal umzukehren, statt immer nur mit Samthandschuhen über den Westen zu reden und darum zu bitten, dass man es vielleicht anders sehen kann oder dass man Dinge ändert. Nein, auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil."
Anne Drescher über Oschmanns Buch: "Fehler in der Darstellung"
Seitdem das Buch auf dem Markt ist, sorgt es für Diskussionen. Zum Beispiel wollte die ehemalige Landesbeauftrage zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Anne Drescher, einige Inhaltspunkte richtigstellen: "Was mich hier dran sehr stört: Dass die Fakten, die er wiedergibt, wenn wir zum Beispiel auf den Sport gucken oder auf die Treuhand, schlichtweg nicht stimmen. Da sind Fehler drin in der Darstellung, auf die aber seine Rhetorik und diese Polemik aufbaut. Das ist nicht statthaft."
Zwölf Veranstaltungen stehen auf dem Programm der Literaturtage. Ein Höhepunkt ist die Verleihung des mit 20.000 Euro dotierten Johnson-Preises an die Autorin Iris Wolff in Berlin. Sie erhält ihn für ihren Roman "Lichtungen". Die Uwe-Johnson-Tage gehen noch bis zum 14. November - mit Lesungen, Vorträgen und Gesprächen.