Doppelbiografie über Elfriede und Erich Maria Remarque
Zum 50. Todestag von Erich Maria Remarque ist die Doppelbiografie über den Schriftsteller und seine Schwester erschienen: "Die verlorene Schwester".
Schneetreiben in Manhattan. Aber im Hotel Ambassador ist es warm, vor allem nach einem Dinner mit Garnelencremesuppe, Rumpsteak und einem Pinot Noir aus Kalifornien. Die Birkenscheite im Kamin glühen, und die Wärme ganz eigener Art spendet der Scotch. Tausende Meilen östlich von New York heulen in dieser Nacht wieder die Sirenen. (…) Im Strafgefängnis Plötzensee ist von allem nichts zu hören. Gespenstische Stille: Es ist, als graute bereits der Morgen. Ein Morgen, der in die ewige Nacht führt. Für 5 Uhr ist ihre Hinrichtung festgesetzt - die Hinrichtung mit dem Fallbeil. Leseprobe
"Luxussuite und Todeszelle" - so lautet die Überschrift des ersten Kapitels. Die Schicksale der beiden Geschwister könnten nicht gegensätzlicher sein. Aber sie hatten auch einiges gemeinsam: Beide hatten keine Angst, ihre Meinung zu äußern - gegen Krieg und Nazi-Terror.
Elfriede: "Sie werden uns nicht entwischen"
Nach dem spannenden Einstieg schildert der Autor chronologisch das Leben der Geschwister, plakativ in fiktiven Szenen: Elfriede begegnet in Berlin einem Transvestiten. Erich Maria Remarque leidet unter Liebeskummer. Elfriede steht in Dresden mit Otto Dix vor einem seiner Gemälde.
Im zweiten Teil nimmt der Roman Fahrt auf. Die Geschichte wird dichter und spannender. Hier arbeitet der Autor Heinrich Thies stärker mit Originaldokumenten wie Tagebucheinträgen, Briefen und Gerichtsakten - zum Beispiel von der Verhandlung unter Vorsitz des berüchtigten Roland Freisler. "Das Tragische ist, dass ihr Wehrkraftzersetzung vorgeworfen wurde. Diese speist sich auch aus ihrer Lektüre von 'Im Westen nichts Neues' und den vielen Gesprächen, die sie in ihrer Jugend mit Remarque geführt hat", erklärt der Autor. "Elfriede ist von ihrem Bruder geprägt worden. Daraus hat sie auch vor dem Volksgerichtshof kein Hehl gemacht und Freisler sagte zu ihr: 'Ihr Bruder ist uns entwischt. Sie werden uns nicht entwischen.' Also sie ist ein Stück weit auch für ihren Bruder hingerichtet worden."
Handelte Erich Maria Remarque verantwortungslos?
Remarque erfuhr davon erst 1946. Mit der Gegenüberstellung der tragisch verwobenen Schicksale der Geschwister wirft der Autor Heinrich Thies viele Fragen auf: Warum hat sich der reiche Bruder nicht mehr um seine Familie gekümmert? Handelte der berühmte Antikriegsautor verantwortungslos? "Remarque hat, als er die Schweiz in Richtung Amerika verlassen hat, seine Familie und Elfriede aus den Augen verloren", sagt Autor Heinrich Thies. "Er hat sich später heftige Vorwürfe gemacht - bis zur Selbstzerfleischung. Also man kann nicht sagen, dass er verantwortungslos war."
Ungewohnter Blick auf den gefeierten Antikriegsautor
Briefe und Tagebucheinträge dokumentieren Remarques Schuldgefühle:
Deine Schwester ist tot: Sie hätte gerettet sein können: Du wolltest nicht alle in der Schweiz zu ernähren haben müssen. Du warst beschämt über Deine Familie. Leseprobe
"Ich habe mich bemüht, Remarque vom Podest herunterzuheben und ihn als Mensch zu zeigen", sagt Heinrich Thies. "Er war entwurzelt, geriet von einer Affäre in die andere, er war alkoholkrank. Er hat versucht zu schreiben, was ihm aber schwergefallen ist." Heinrich Thies gelingt mit seiner Doppelbiografie ein ungewohnter Blick auf den gefeierten Antikriegsautor. Und er lässt den Leser mit vielen Fragen nach Schuld, Verantwortung, Schicksal und Moral zurück. Ganz bewusst.
Die verlorene Schwester - Elfriede und Erich Maria Remarque
- Seitenzahl:
- 370 Seiten
- Genre:
- Biografie
- Verlag:
- zu Klampen Verlag
- Bestellnummer:
- 9783866747708
- Preis:
- 28 €