Melanie Raabe und das Wunder des Schreibens
Melanie Raabe erlebte ihren Durchbruch mit "Die Falle". Nach weiteren Thrillern und einem Sachbuch hat sie jetzt den Roman "Die Kunst des Verschwindens" veröffentlicht.
Ein kleines Wunder sei das schon, wie sich die Leserschaft mit ihren Büchern verbindet, findet die Schriftstellerin Melanie Raabe: "Die Geschichte habe ich mir ausgedacht, aber bei den Lesenden vollendet sie sich. Schreiben ist immer ein Dialog. Schreiben ist was sehr Abstraktes, es sind diese Zeichen auf weißem Grund. Aber wenn man lang genug drauf guckt, fängt man an, zu halluzinieren. Und verliebt sich in jemanden, oder wird traurig. Man fühlt etwas", erzählt die Autorin.
Becoming Melanie Raabe
Melanie Raabe wird am 1981 in Jena geboren und wächst in einem kleinen Dorf ganz in der Nähe auf. Ihre Kindheit erlebt sie als ruhig, behütet und naturnah. Nach der Wende zieht die Familie nach Nordrhein-Westfalen. Melanie besucht das Gymnasium, ist eine gute Schülerin und liebt Bücher. Vor allem Michael Endes "Unendliche Geschichte" hat es ihr angetan. "Man merkt erst als Erwachsene, wie meta dieses Buch ist, weil es vom Schreiben und Lesen handelt", schwärmt Raabe.
"Ich habe mir Feedback versagt."
Dass sie selbst einmal eine erfolgreiche Schriftstellerin werden wird, ahnt sie noch nicht. Zwar denkt sie sich seit frühester Kindheit Geschichten aus, hält es aber nicht für nötig, sie aufzuschreiben oder anderen zu zeigen. Das mag an ihrer Schüchternheit liegen. "Ich habe mir Feedback versagt", erzählt Melanie Raabe. "Die Leute sagen über Menschen, die sich bei Lesungen zeigen, dass die sich narzisstisch in den Mittelpunkt stellen. Ich sehe das anders. Wenn man etwas kreiert und sich damit auf die Bühne stellt, dann ist das eine total großzügige Geste. Das musste ich mir erst mal erlauben."
Nach dem Abitur beginnt sie ihr Studium in Bochum und schreibt sich für Medien- und Literaturwissenschaften ein, arbeitet anschließend als freiberufliche Journalistin. Wenn der Job erledigt ist, beginnt die eigentliche Arbeit. Nun schreibt Melanie ihre Geschichten auf: es ist ein Mix aus Fiktion, Krimi und Thriller.
Durchbruch gelingt mit "Die Falle"
Bis ihre Manuskripte einen Verlag finden, braucht es Zeit. Melanie Raabe hat vier fertige Geschichten bei sich zu Hause liegen, sieht sich schon als "Sorgenkind ihres Agenten" als ihr 2015 endlich der Durchbruch gelingt. "Die Falle" heißt ihr Roman, der für sie die Türen öffnet. Mittlerweile werden ihre Bücher in 20 Sprachen übersetzt und für Filme adaptiert. Doch den Erfolgsbegriff fasst sie für sich noch weiter: "Erfolg ist, dass ich mich ausdrücken kann. Sowohl literarisch als auch im Privaten, die Freiheit zu haben, die Dinge zu äußern, die ich äußern möchte - verstanden zu werden. So würde ich das definieren."
Freidrehen mit Raabe & Kampf
Während der Pandemie veröffentlicht Melanie Raabe ihr erstes Sachbuch "Kreativität: wie sie uns mutiger, glücklicher und stärker macht." Auch in ihrem Podcast "Raabe & Kampf", dreht sich inhaltlich alles darum, was inspiriert und den Schaffensdrang befeuert. Ausgangsort ist dabei die Küche. Dort trifft sich Melanie Raabe mit ihrer Freundin Laura Kampf, erst zum persönlichen Austausch, dann wird der Podcast aufgenommen - ohne Skript oder vorherige Absprachen. Die Themen entstehen im Gespräch. Ihre Methode hat Erfolg. Der Podcast geht im nächsten Jahr in seine dritte Staffel und hat viele Fans.
Queere Ikone Lady Gaga wird zu ihrem Idol
Dieser gewagte Ansatz - das "Einfach machen", vielleicht hat ihn Melanie Raabe von ihrem Idol Lady Gaga übernommen? In "Melanie Raabe über Lady Gaga" beschreibt sie, was wir von ihr lernen können.
"Dass alle Menschen Facetten haben. Klar, sie ist die Pop-Prinzessin mit den merkwürdigen Kleidern aber auch eine tolle Pianistin, Sängerin und schreibt all ihre Songs selber", meint Melanie Raabe. "Sie ist eine Aktivistin, politisch und eine queere Ikone und sie hat ihren Ruhm dazu genutzt, sich auch in ihrer Verletzlichkeit und Menschlichkeit zu zeigen. Oder über ihre Depressionen zu sprechen."
In ihrem aktuellen Roman "Die Kunst des Verschwindens" erfüllt sich Raabe einen persönlichen Wunsch und lässt David Bowie kurz auftauchen. "Er war ein Meister der Verwandlung", erläutert Melanie Raabe den Einsatz Bowies in ihrem Werk, das vor allem aber von der Magie der menschlichen Verbindung handelt. "Es ist wichtig in der Literatur zu zeigen, wie meine weißen Kolleginnen, dass ich nicht morgens wach werde und über meine Hautfarbe nachdenke, sondern dass ich mein Leben lebe", sagt Raabe.
Lieblingsort M.Bassy in Hamburg
Ihr Schriftstellerinnenleben spielt sich mittlerweile viel und gerne auf den Lesebühnen der Republik ab. Ihr liebster Ort befindet sich in Hamburg, die M.Bassy. Mitbegründet von Bisrat Negassi im Jahre 2016 ist es ein "unfassbar schöner Kulturraum" der Begegnung mit zeitgenössischen Positionen aus Afrika und der Diaspora, "zu denen ich nur ganz entfernt zähle, da in Deutschland aufgewachsen, aber eben auch mit einem afrikanischen Elternteil aus Benin." Denn in erster Linie ist Melanie Raabe eine deutsche Bestseller-Autorin. "Und das möchte ich auch sein, ohne alles andere mit sein zu müssen."
Melanie Raabe liest aus "Die Kunst des Verschwindens" am 17. Dezember in der M.Bassy in Hamburg.