Leipziger Buchmesse: Zehn Jahre Manga-Comic-Con - der Norden feiert mit
Auch zum Jubiläum schieben sich wieder über hunderttausend meist junge Besucher durch die Messehallen im Leipziger Norden. Der Jahresauftakt für Manga-Con-Fans bedeutet in diesem Jahr: noch mehr Platz und ein umfangreicheres Programm.
Seit Jahren nimmt die Leipziger Buchmesse einen besonderen Platz im Kalender der Buchhändler, Verlage und Leseratten ein. Nicht nur, weil sie den jährlichen Startschuss in der Buchbranche bedeutet, sie gilt auch als besonders publikumsnah und herzlich. "Es ist viel los, es ist wuselig und es macht ganz viel Spaß mit den Leuten in Kontakt zu kommen", sagt Antonia Flechsig. Die Ludwigsburger Illustratorin, Grafikdesignerin und zweifache Mutter ist eine von über 170 überwiegend weiblichen Künstlerinnen mit eigenem vier Quadratmeter großen Stand in der Halle 1 im Artist-Bereich der MCC, der Manga-Comic-Con. "Es ist, als würde man in eine Familie zurückkommen."
Die Manga-Comic-Con in Zahlen
Ein Drittel der Ausstellungsfläche gehört in diesem Jahr der Sparte Manga und Comic. Nie zuvor hat die MCC so viel Raum auf der Leipziger Buchmesse eingenommen. Zum Vergleich: Waren es zu Beginn, vor zehn Jahren, noch 31.000 Besucher, so zählten die Veranstalter 2023 über 100.000 Fans und Interessierte - dieses Jahr werden es vermutlich noch mehr. Drei Viertel der Besucher sind unter 30 Jahren und von denen kommt jeder dritte in einem Cosplay-Kostüm.
Allein 2022 machte der Umsatzanteil von Comics & Co 11,9 Prozent aus - das ist ein Zuwachs von 14,9 Prozent. "Ich freue mich sehr, dass Graphic Novels, Comics und Mangas als Kunst- und Ausdrucksform seriös wahrgenommen werden", sagt der Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Peter Kraus vom Cleff, "so wie es in den beiden Gastländern, Niederlande und Flandern, bereits der Fall ist." Dort haben gezeichnete Geschichten eine längere Tradition als in Deutschland, erzählt der niederländische Botschafter in Deutschland, Ronald van Roeden mit leuchtenden Augen: "In den Niederlanden gab es früher immer wöchentliche Magazine wie 'Pep' und 'Sjors' mit allerhand Comics."
Der Norden ist ein wichtiger Player im deutschsprachigen Comic-Markt
Norddeutschland nimmt auf der MCC eine wichtige Rolle ein, findet Börsenverein-Chef Kraus vom Cleff: "Wenn Sie an altraverse, Tokyopop oder Carlsen denken, ist die deutsche Comic- und Graphic Novel-Szene ohne norddeutsche Verlage gar nicht denkbar. Auch hier in Leipzig auf der Messe gäbe es die Manga-Comic-Con sicher nicht, wenn es nicht diese drei Verlage gäbe." So haben die norddeutschen Comic- und Manga-Macher einige hochkarätige Autorinnen und Autoren aus Japan eingeladen. Tokyopop hat mit Satoru Nii und altraverse mit der japanischen Mangaka Sora echte Lieblinge der Szene in Leipzig vertreten.
Highlight ist sicherlich der Besuch von Gou Tanabe, der die Werke des amerikanischen Kult-Autors H.P. Lovecraft bildgewaltig umgesetzt hat (erschienen bei Carlsen Manga). "Ich bin überwältigt", sagt der 49-Jährige über die Messe. "Ich war noch nicht so oft im Ausland auf Conventions und ich dachte, es sei ähnlich wie in Japan. Im Gegensatz zu Japan gibt es hier allerdings verschiedene Bühnen, wie das Schwarze Sofa oder die große Bühne - und ich bin tatsächlich sehr gerührt." Der Hamburger Übersetzer und Content Creator Hiro Yamada fügt an: "Ich finds toll, dass da so eine große Akzeptanz ist und wie glücklich die Leute hier herumlaufen. Das sehe ich immer wieder gerne."
Ähnlich geht es auch Dominik Jell. Der in Landshut geborene Zeichner präsentiert auf der Messe seinen zweiten Manga. Nach "Mortalis" nun eine mit viel Leichtigkeit geschriebene tiefgründige Slice-of-Life-Geschichte "Crossing x Borders.". "Bei mir baut sich der Tag um ein festgelegtes Rahmenprogramm mit Terminen", erzählt der 29-Jährige. Als Besucher wäre es sicher auch anders: "Da würde man es viel intensiver erleben, weil man sich mehr Zeit nimmt."
Sprecher-Idol Sven Palte zu Gast
Zeit nehmen sollte man sich als Besucher vor allem bei Signierstunden. Lange Wartezeiten sind da immer die Regel. Besonders beliebt sind die Treffen mit Anime-Synchronstimmen. Eine von Ihnen gehört Sven Plate, besser bekannt als Stimme von Bugs Bunny: "Ich bin ja von Panini gebeten worden, weil ich bei 'Ranking of Kings' die Figur des Schattens Kage gesprochen habe. Und das ist immer ganz lustig, weil man dann hier auf die Fans trifft. Da kriegt man immer Feedback und das ist das Interessanteste." Mit viel Respekt, Geduld und Freundlichkeit erfüllt der Sprecher viele Wünsche.
Die Basis des Panini Verlags sind nach wie vor die Marvel- und DC-Titel, wie Superman oder Batman. Nun also Manga. "Der Panini Verlag hat in den letzten zwei Jahren sehr stark an seinem Manga-Programm gebastelt", erklärt Steffen Volkmers vom Verlag. "Klar, im Augenblick ist Manga draußen im Verkauf das A und O, und da sollte man dann natürlich auch dabei sein. Also haben wir beschlossen, eine Offensive zu starten und haben sehr viele neue und schöne Serien eingekauft." Und um die richtig zu promoten, gibt es jetzt auch ein Maskottchen: 'Oni' heißt es und entworfen und entwickelt hat es die Hamburger Mangaka Olschi.
Graphic Novels aus dem Messe-Gastland
Neben den Mangas stehen natürlich auch die Graphic Novels im Zentrum der Comic-Liebhaber. Und da bieten die Gastländer Niederlande und Flandern eine breite Auswahl. Mit Joris Mertens ist ein 56-jähriger Shooting Star auf der Messe vertreten. Eigentlich Art Director und Storyboarder, hat er mit seinem wortlosen Buch "Beatrice" (erschienen bei Splitter) für viel Hochachtung gesorgt - ebenso wie Judith Vanisteldael. Die Zeichnerin von "Penelopes zwei Leben" (erschienen bei Reprodukt) arbeitet und wohnt in Brüssel. "Meine Identität ist nicht flämisch - obwohl ich hier auf der Messe Flandern repräsentiere", sagt die 49-Jährige und lacht. "Wir haben alle vermischte Identitäten, weil wir mit so vielen Sprachen in einem Land wohnen, weil wir im 19. Jahrhundert zusammengebastelt worden sind - dieses Nicht-Identitäre von Belgien äußert sich gut in der Repräsentation."
Zu den spannendsten Graphic-Novel-Verlagen gehört sicherlich der Splitter Verlag mit seinem Schwerpunkt auf frankobelgischen Büchern. Neben Joris Mertens hat er Katrin Gal, alias "Radacs" eingeladen, die den dritten Band ihrer "Radius"-Reihe im Gepäck hat. Für die aus Fulda stammende Zeichnerin ist es mittlerweile die fünfte Buchmesse, auf der sie auch mit einem kleinen Stand im Artist Bereich vertreten ist. Es ist für sie der "wichtigste Termin, weil es zum einen eine sehr große Messe ist und viele verschiedene Zielgruppen vertreten sind und zum anderen, weil man auch das Standkonzept so für sich planen kann."
Hamburger Manga-Verlag mit positiver Messe-Bilanz
Zu den größten und unübersehbaren Ständen auf der Messe gehört der Stand des Hamburger altravers Verlags in Halle 3. Geschäftsführer Joachim 'Jo' Kaps strahlt schon zur Halbzeit der Messe: "Wir sind total überrascht, weil wir dachten: letztes Jahr war schon nach der langen Pause so fantastisch. Ich hatte ein bisschen Angst, dass es nachlässt - wir erleben gerade das Gegenteil. Ich habe noch nie ein Leipzig wie dieses Jahr erlebt. Wir haben bereits am ersten Tag alle Rekorde, was Besucher- und Verkaufszahlen angeht, gesprengt - im Vergleich zum letzten Jahr." So lässt sich entspannt in die Zukunft blicken: "Bei uns passieren in diesem Jahr rund um unsere Autoren viele wichtige Sachen, z.B.: die Themen auf ein neues Level zu heben und zu internationalisieren. So werden wir 'Scarecrow' nach Italien und Frankreich ausbauen", erzählt Kaps. "Das Geheimnis von Scarecrow" ist eine altraverse-Eigenproduktion der schweizer Mangaka Gin Zarbo.
Während also in Halle 3 international gedacht und entschieden wird, schlendern Zehntausende in Halle 1 an den liebevoll dekorierten Ständen im Artist Bereich vorbei - auch an dem von Antonia Flechsig, die wieder in einem Gespräch mit interessierten Jugendlichen steckt.