Graphic Novels im September: "I’m Still Alive", "Roaming", "Beatrice"
Am 28. September startet das Hamburger Comicfestival. NDR Kultur stellt drei herausragende Graphic Novels vor, über die sicherlich auch beim Festival gesprochen werden wird: "I’m Still Alive", "Roaming" und "Beatrice".
"I’m Still Alive": Im Fadenkreuz der Mafia
Auf offener Straße erschießt ein Mafia-Killer einen in Ungnade gefallenen Mann - eine wahre Begebenheit. Der junge Roberto wird Zeuge eines Auftragsmordes in seiner Heimatstadt Casal di Principe in Süditalien. Der Junge wächst heran und in ihm das Bedürfnis, nicht mehr zu schweigen und den Krieg zweier Camorra-Clans detailliert aufzuschreiben. Das entstandene Buch heißt "Gomorrah" und sprang nach dem Erscheinen 2006 auf die Bestsellerlisten. Der Name des Autors, Roberto Saviano, gelangte hingegen auf die Todeslisten. Bis heute lebt der Schriftsteller und Journalist unter Polizeischutz und auf der Flucht.

"I’m Still Alive" - "Ich lebe noch" - heißt eine Graphic Novel, in der Saviano sein bisheriges Leben beschreibt: klar, unverblümt, offen. Er erzählt von Mordversuchen, ständigen Ortswechseln und dem permanenten Personenschutz. Seine Ängste, Wünsche, sein Alleinsein, seine Erlebnisse hat der israelische Zeichner Asaf Hanuka eindringlich in Bilder übersetzt - mal nur schwarzweiß, mal setzen einzelne Farben Akzente. Oft findet Hanuka mit seinem kräftigen Strich berührende, bildnerische Metaphern, so zum Beispiel als Saviano seine emotionale Zurückgezogenheit beschreibt und in einer Ganzkörperrüstung, wie C-3PO aus "Star Wars", zusammengesunken auf dem Bett hockt. "I’m Still Alive" ist eine bewundernswerte Dokumentation über einen Mann, der von der Mafia seiner Freiheit beraubt und terrorisiert wird, nur weil er die Wahrheit ausspricht.
"Roaming. Fünf Tage in New York": Jugendliches Gefühlschaos
New York City ist für viele ein Traumziel, auch für die Studentinnen Zoe, Dani und Fiona aus Kanada. Fünf Tage Zeit haben sie in den Frühlingsferien, um Big Apple zu erkunden und Erlebnisse fürs Leben zu sammeln. Während Zoe und Dani alte Schulfreundinnen sind, sucht und findet Fiona ihren Platz an der Seite der beiden - aber auch dazwischen. Flirts, Enttäuschungen, Küsse und Wut geben diesem Gefühlseintopf die Würze.

Das preisgekrönte Autoren-Duo Mariko und Jillian Tamaki erzählt in "Roaming" auf 448 Seiten mit einer Leichtigkeit von unverhofften Unwegbarkeiten beim Erwachsenwerden, sich finden und behaupten. Der Zeichenstil ist einfach, lebendig und sehr erfrischend - auch durch das immer wieder Aufbrechen der traditionellen Panels und die Verwendung von nur zwei Farben: Lila und Beige - neben Schwarz, versteht sich. "Roaming" ist ein College-Freundinnen-Ferien-Comic, das durch die grafische wie inhaltliche Unbekümmertheit überzeugt.
"Beatrice": Mitreißende Graphic Novel voller Empathie
Eine junge Frau schwimmt im alltäglichen Strom der morgendlichen Pendler in Paris. Sie wird mitgerissen bei der Ankunft im Bahnhof, eingeklemmt in der U-Bahn und im Aufzug des Kaufhauses, in dem sie als Verkäuferin arbeitet. Abends geht es im gleichen Strom wieder nach Hause. Eines Tages entdeckt sie im Gedränge eine verlassene rote Tasche - in ihr ein Fotoalbum. Was folgt, ist eine Mischung aus "Alice im Wunderland" und "The Shining".
All das zeichnet der Belgier Joris Mertens und kommt in "Beatrice", so der Titel, ohne Sprechblasen aus. Trotzdem reißt diese Graphic Novel einen, wie Beatrice im morgendlichen Großstadtgetümmel, mit. Mertens nimmt sich Zeit für Details oder Momente voller Empathie. Meisterlich, wie er die Kohlezeichnungen mit kräftigen Farben kombiniert, dass sie am Ende voller Dichte und Poesie auch einzeln stehen könnten. Damit sticht "Beatrice", wie die rote Tasche im Bahnhof, aus dem Comic-Getümmel in diesem Herbst heraus.
