Frankfurter Buchmesse: Comics wieder mehr im Blick
Langsam kämpfen sich Graphic Novels, Comics und Mangas aus ihrem Schattendasein im großen, deutschen Literaturbetrieb heraus. Denn die Nachfrage steigt und die Szene wächst kontinuierlich.
Im Herbst wird gefiebert. Jedes Jahr im Oktober steigt die Aufregung bei den Büchermachern und Buchhändlern, wenn es auf die größte Bücherschau der Welt, der Frankfurter Buchmesse, zu geht. Verlage richten mit ihren Autoren ihr Programm danach aus - international wie national. In diesem Jahr sind es mehr als 4.000 Aussteller aus 130 Ländern. Da kommen eine Menge Bücher zusammen.
Comic-Verlage und Händler auf der Buchmesse mehr vernetzen
Einen Teil der Bücherwucht machen die graphischen Erzählungen aus, wie Comics, Mangas und Graphic Novels. Auch wenn deren Bedeutung stetig steigt, so beherrschen nach wie vor die großen Belletristik-Verlage mit ihren Romanen, Erzählungen und Sachbüchern die Optik der Messehallen. "Das ist ein deutsches Phänomen, was sich mit der Geschichte des Comics in Deutschland erklären lässt," sagt Birgit Fricke von der Frankfurter Buchmesse. "Wir haben nicht die Geschichte, wie etwa vergleichbar mit den franko-belgischen Comics. In den 50er-Jahren waren Comics absolut verpönt und galten als schlechte Literatur. Historisch gesehen gab es hier mehr Widerstand gegen das Genre als zum Beispiel in Frankreich, Spanien oder auch Italien. Das zieht sich leider bis heute durch."
Dennoch steigt die Nachfrage. Allein das Manga-Segment erlebt einen gewaltigen Boom. Lag der Umsatz im deutschen Buchhandel dort 2018 noch bei 39 Millionen hat er sich bis Ende 2022 auf 106 Millionen Euro mehr als verdoppelt. Grund genug für die Messemacher einen Comic-Rundgang anzubieten. Zudem ist nach 20 Jahren erneut ein Center für das Genre eingerichtet worden - allerdings am äußersten Rand der Messe in Halle 6. "Die Hoffnung ist, dass die Frankfurter Buchmesse das Geschäft der internationalen Comic-Verlage unterstützt, in dem wir Orte bieten, in denen man das Geschäft besser betreiben kann", sagt Birgit Fricke. Mehr Bündelung statt viel Rennerei zwischen den verstreuten Ständen. "Dieses kleine Pflänzchen, was da jetzt grünt, wollen wir ein bisschen zur Pflanze erziehen."
Andere Länder - andere Comic-Sitten
Frankreich muss man nicht von der Bedeutung des Genres überzeugen. So präsentieren sich auf den 1.600 Quadratmetern französischer Ausstellungsfläche allein 78 Verlage und circa 20 Agenturen im Literary Agents & Scouts Centre mit Schwerpunkt auf dem Comic. Graphic Novels sind aber auch in anderen Ländern zu finden, wie zum Beispiel beim finnischen "Otava" Verlag, dem dänischen "Babel Bridge" oder den brasilianischen "Cohete Comics".
Umschwärmt sind die Stände aus Korea. Hier sehen einige europäische Verlage in der Lizenzierung und Rechte-Sicherung von Webtoons ihre große Chance. Ein Markt, der nicht nur für Manga-Verlage sehr lukrativ ist. Schnellere Veröffentlichungen, schnellere und steigende Umsätze in der umschwärmten jungen Zielgruppe sind die Hoffnungen bei manchen.
Deutsche Comic-Verlage verstreut auf der Buchmesse
Die rund 20 relevanten deutschen Comic-Verlage muss man schon teilweise zwischen den zahlreichen Belletristik, Kinderbuch- und Sachbuchverlagen geduldig suchen. Manche findet man nicht, weil sie gar nicht auf der Messe vertreten sind, wie der Splitter- oder avant-Verlag. Die, die da sind, hoffen auf Sichtbarkeit und gute Geschäfte mit dem Kauf und Verkauf von Titel-Rechten.
Klassen-Primus Carlsen ist im Erdgeschoss der Halle 3 nicht zu übersehen. Allein 220 Quadratmeter belegt der Verlag aus Hamburg. In Reichweite sind Publisher wie altraverse oder Reprodukt zu finden. Kleinere wie der Mairisch Verlag, die editionfaust oder der Kibitz Verlag genügen vier oder acht Quadratmeter. An der Qualität der Bücher ändert das allerdings nichts. "Es ist auch die Präsenz, die man zeigt," sagt Ulla Bayerl vom Verlag editionfaust: "Ich weiß nicht, ob es sich wirklich lohnt für so einen kleinen Verlag, obwohl wir die Graphic Novels auf der Messe gut verkaufen. Man kriegt aber neuen Input durch Gespräche, zudem kommen Autoren vorbei und stellen sich vor."
Kontakt mit Lesern und Verlegern
Die Comic-Autorinnen und -Autoren, die zur Messe kommen, zeigen sich beeindruckt - allein schon Aufgrund der Größe der Bücherschau. Die frisch gekürte Jugendliteraturpreis-Trägerin Tanja Esch aus Hamburg denkt zuerst beim Gedanken an die Buchmesse an "viele Bücher und viele Begegnungen mit netten Leuten, zum Beispiel Verlegern oder Literaturhaus-Mitarbeitern und Leuten aus allen Sparten." Der türkische Zeichner und Cartoonist Ersin Karabulut stellt sein Buch "Das Tagebuch der Unruhe" vor: "Ich bin zum dritten Mal auf der Messe, aber das erste Mal als Autor und es ist voll aufregend und eine große Ehre."
Der Münchner Zeichner und Preisträger der Berthold Leibinger Stiftung 2016 Uli Oesterle freut sich aufs Signieren: "Was ich immer am Signieren besonders schön finde ist, dass man auch mit dem Leser ins Gespräch kommt. Ich finde dann immer sehr interessant, was die dann sagen, welche Figur ihnen am besten gefallen hat oder welche Szene für sie herausgestochen hat." Reinhard Kleist allerdings zuckt erstmal zusammen. "Zu viele Menschen," sagt der Zeichner und lacht. Mit seine gezeichneten Biografien über David Bowie, Nick Cave oder Johnny Cash hat er international für großes Aufsehen gesorgt: "Ich habs aber auch ein bisschen die letzten drei, fast vier Jahre vermisst."
Frankfurter Buchmesse: Marktplatz für Buch-Broker und -liebhaber
Hartes Geschäft und kalkulierte Wirtschaftlichkeit aber auch erzählerischer Spaß und bildnerische Gastalltungsfreude prägen die sechs Tage Messe. Für die Verlagsmitarbeiter sind das oft komprimierte Branchentreffen mit Händlern, Berichterstattern und Fans. So viel Buch auf einem Haufen gibt es erst wieder in fünf Monaten, wenn die Leipziger Buchmesse eine erneutes Fieber auslöst.