altraverse-Verlag: Ein Manga-Universum im Herzen Altonas
Das Segment der Mangas in der Literaturbranche wächst zusehends. Aber auch in der Gesellschaft nimmt die Liebe zu japanischen Comics immer mehr zu. Ein Porträt des Hamburger altraverse-Verlags.
"Ich bin dran geblieben, weil ich bis heute aus dem Staunen nicht mehr rausgekommen bin", sagt Joachim Kaps. Der Gründer und Geschäftsführer von altraverse hat Comics im Blut - egal ob westlich oder fernöstlich. Die Magie, mit einem Zeichenstift ganze Welten erfinden zu können, verstehen einige. Die wenigsten wissen aber um das ganze Drumherum. Kaps ist so einer.
altraverse: Gründung aus Leidenschaft und großer Vision
Angefangen hat seine Leidenschaft vor rund 50 Jahren. Immer freitags gleich nach der Schule ging es für den Knirps zum Zeitungskiosk, um das neue "Fix und Foxi"-Heft zu verschlingen. Highlight damals: die Fotos der Zusammenkunft der Macher in der Villa Grünwald des "Fix und Foxi"-Vaters Rolf Kauka. "Dieser Moment, dass da irgendwas 'Klick' machte und ich merkte: Stimmt, irgendwo kommt das alles her, und das ist doch bestimmt aufregend, daran teilzunehmen."
Aus dem "Klick" wurde Berufung und daraus Beruf. Kaps wurde Verlagsleiter von Carlsen Comics im Carlsen Verlag. Dort führte er das Manga-Segment zum Erfolg und betreute unter anderem den späteren Manga-Hit "Dragonball". Nach sieben Jahren war dort allerdings Schluss. Zwölf Jahre im Verlag Tokyopop folgten, 2017 dann die Gründung von altraverse. Ein neues Zeitalter nicht nur für Kaps, sondern für die gesamte deutschsprachige Comic-Sparte.
Manga-Verlag mit großem Potenzial
altraverse steht für ein fantasiereiches, alternatives Universum - ein altraverse eben. "Mangas sind einfach so faszinierend, weil sie das Potenzial für vielschichtige und unterschiedliche Geschichten haben", erklärt Julia Mangel. Sie ist eine der Social-Media-Spezialistin im Verlag und hat den Draht zur Community auf Instagram, Facebook oder den Conventions. "Es gibt alles mögliche: von Romantik über Comedy bis hin zu düsteren, epischen Fantasy-Abenteuern - eine unglaubliche Bandbreite. Viele Menschen sehnen sich danach in der Literatur."
Das zeigt sich auch in den Verkaufszahlen. Allein im ersten Jahr 2018 gingen bei altraverse zweieinhalb Millionen Bücher über den Ladentisch. Bereits nach zwei Jahren gab es einen Umsatz von über sechs Millionen Euro und der Verlag war profitabel. Titel wie "Goblin Slayer" oder "Meine Wiedergeburt als Schleim in einer anderen Welt" trugen am Anfang maßgeblich zum Erfolg bei.
Mega-Manga-Boom auch durch die Corona-Krise
Die Corona-Zeit machte den Verlag und die Branche zu einem der Gewinner der Krise. Manga-Publisher wie Carlsen, Egmont, Hayabusa, Panini, Tokyopop, Manga Cult oder Chrunchyroll konnten ihren Umsatz teilweise um bis zu 75 Prozent steigern. Die Buchbranche schaut seitdem neidisch auf die oft belächelten Sprechblasen. Die großen Belletristik-Verlage überlegen hektisch, selbst das Segment zu bespielen - drei von ihnen wollen noch iin diesem Jahr Titel veröffentlichen. Doch Joachim Kaps bremst die Euphorie: "Wissen die alle, was die eigentlich sein wollen und welche Rolle sie spielen wollen? Oder machen die was, weil alle gerade was machen?" Denn der Branchenkenner weiß, "dass man in dieser Marktsituation zwischen Wahnsinn und Mainstream eine Rolle einnehmen sollte, um als Verlag auf Dauer Einfluss auf etwas zu nehmen."
Das Angebot an Manga-Lizenzen aus Japan und Korea ist groß. Allein bis heute verzeichnet der Hamburger Verlag weit über 600 Titel und jeden Monat erscheinen rund 20 Neuheiten, inkl. Fortsetzungsbände laufender Serien. Zu den aktuellen Verkaufsschlagern gehört der Webtoon "Solo Leveling" - eine Geschichte, die ursprünglich für Online konzipiert wurde und nun in Buchform erscheint. Das südkoreanische Format verzeichnete allein für den ersten Band bei Altravers bis zum Sommer vergangenen Jahres circa 85.000 verkaufte Exemplare. Gerade ist im Verlag der achte Band erschienen und Marketing-Expertin Julia Mangel ergänzt: "Mal abwarten, was dann beim Anime-Start im Winter los ist. Vielleicht kommt die Geschichte ja in die Nähe von 'One Piece' oder 'Dragonball'. Die sind nach wie vor die leuchtenden Vorbilder im Markt."
Mehr als nur ein Buchverlag
Dass Manga-Bücher allein zwar schön, aber nicht alles sind, um den Markt zu verstehen, weiß Verlagsgründer Kaps genau: "Was altraverse einzigartig macht, ist, über das Buch hinaus zu denken; Manga als ein Phänomen zu begreifen, das nicht bei einem Buchumschlag endet, sondern auch durch die Begleitung über Merchandise und das Nachdenken über zukunftsfähige digitale Formen funktioniert." So stehen auch Fanartikel bereit - zum Beispiel Kissen, Acrylaufsteller oder besondere Sammlungen. Über 60 sind derzeit im Sortiment.
Zudem kommt ein weiterer wichtiger Punkt: die Förderung deutscher Mangaka, also Zeichnerinnen von Mangas. Aktuell sind rund 13 von ihnen unter Vertrag. Während der Druck auf japanische Zeichner im dortigen Markt durch kurze Abgabefristen sehr groß ist, sieht es im Vergleich dazu in Deutschland eher entspannt aus. Rund vier bis sechs Monate braucht ein Band, bis er zu haben ist. Doch allein davon leben - dafür reicht's oft nicht. So versucht der Verlag, durch limitierte Collector Editons die Einnahmen für die Macher wachsen zu lassen.
Heft in der Hand - Community im Blick
"Wir wollen künftig eine bessere Lösung für die Produktion deutscher Themen finden", sagt Kaps, "um dieses Fehlen von Magazinen zu ersetzen. Da geht es kurz gesagt darum, einen schnelleren Rhythmus bei Fortsetzungsgeschichten zu bekommen, damit es auch spannend bleibt." In Japan erscheinen Manga immer kapitelweise und erst später als Bände. Die Leserinnen und Leser dürsten also nach schnellen Fortsetzungen - wie der Chef selbst. "Da bin ich wohl 'Fix und Foxi'-geprägt", sagt Kaps und lacht.
Eine weitere strategische Überlegung wird in Zukunft auch die Zusammenarbeit mit europäischen Manga-Verlagen sein, damit der Boom nicht nur der Branche, sondern auch den stetig wachsenden Fangruppen zugutekommt. Denn die bilden - wie bei keinem anderen literarischen Format - die Basis, weiß Julia Mangel bei der Social-Media-Arbeit: "Klischees müssen wir dabei nicht beachten. Wir schauen darauf, was wir cool finden oder glauben, was die Leute ansprechen würde." So wird stetig an der Zukunft in der alten Fabrikhalle des ehemaligen Eisenwerks in Hamburg-Bahrenfeld geschraubt - zur Freude der Macher und Leser.