Tokyopop Verlagschefin Susanne Hellweg lehnt an einer Bücherwand © NDR.de Foto: Mathias Heller

20 Jahre Tokyopop: Mangas, von verrückt bis historisch

Stand: 23.03.2024 06:00 Uhr

Seit 20 Jahren versorgt der Manga-Verlag Tokyopop aus Hamburg Fanszene mit unterschiedlichsten Comics aus Japan und gehört damit zu den Top 5 der Manga-Verlage in Deutschland. Ein Porträt.

von Mathias Heller

Susanne Hellweg blickt aus dem Fenster auf die Speicherstadt. "Schon schön hier", sagt die Verlagschefin von Tokyopop. Vor knapp vier Jahren hat sie die Büroräume mit ihrem Team bezogen. Bücherregale ziehen sich bis unter die hohen Decken - gefüllt mit unzähligen Manga-Bänden. Heute zählt der Verlag 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, meist junge Leute zwischen 20 und 30 Jahren, studiert und tief in der Materie verwurzelt.

Tokyopop: Manga-Verlag mit großer Themenvielfalt

Verschiedene Buchtitel auf einem Tisch © NDR.de Foto: Mathias Heller
Große Manga-Auswahl pro Monat

"Wir achten vor allem auf die Vielfältigkeit", erzählt Susanne Hellweg, "weil uns das ganz wichtig ist, möglichst authentisch zu zeigen, was das Medium eigentlich kann - und das hauptsächlich Japan-basiert, durch alle Gesellschaftsschichten, durch alle Altersklassen und durch alle Interessen." Der Verlag kauft überwiegend Lizenzen aus Japan für den deutschsprachigen Markt ein. Über Jahre hat er dort ein Netzwerk aufgebaut, aus Verlagen und Beobachtern, die neue Geschichten entdecken und auf die neuen Entwicklungen reagieren. Aber auch die Redakteure durchstöbern den Markt und die Foren liefern Anregungen für neue Titel - gerade bei den Light Novels.

Dieses Genre hat es der Verlagschefin besonders angetan: "Was mir besonders gut gefällt ist, dass wir die Light Novels bei uns vor zwei Jahren eingeführt haben, weil dass ist eben der Anspruch, den wir haben, die Fans, neben den Serien die wir haben, mit allem zu versorgen, was dazu gehört." Light Novels sind geschriebene Romane, die oftmals die Grundlage für Animes oder Mangas sind und ausführlicher und tiefer in die Geschichten eintauchen. Davon veröffentlicht der Verlag monatlich zwei bis drei Bände. "Wir glauben einfach ganz fest daran, dass sich das auch hier auf dem deutschen Markt etablieren wird." Insgesamt erscheinen pro Monat rund 20 bis 23 neue Titel - inklusive der Reihen, die fortgesetzt werden, wie zum Beispiel "The Rising of the Shield Hero".

Entwicklung von Print zu Digital

"Die Geschichte zeigt ja, dass Deutschland langsam ist, aber früher oder später die Entwicklung aus dem Amerikanischen oder Asiatischen nachvollzieht. Wenn man daran glaubt und dem folgt, könnte man sagen, dass wir in drei bis fünf Jahren eine ähnliche Umgewichtung haben werden: von Print zu Digital." Tatsächlich erscheinen in Japan immer weniger Romane in gedruckter Version - bei steigendem Marktanteil. In Deutschland wird es noch ein bisschen dauern, aber verlagern, da ist sich Susanne Hellweg sicher, wird es sich. So bietet Tokyopop bereits jetzt schon auf seiner Website Mangas als E-Books an.

Weitere Entwicklungen gibt es bereits. Angebote, bei denen zum Beispiel über eine Lese-Flatrate nachgedacht wird. Ähnlich wie bei den Musik- oder Film-Streaming-Anbietern. Einmal monatlich zahlen und so viel schmökern, wie man will. Viele große Belletristik-Verlage, aber auch kleinere Start-Ups, haben das Segment "Manga" aufgrund der wachsenden Verkaufszahlen der letzten Jahre für sich entdeckt und wittern Goldgräberstimmung. Monatlich landen so rund 130 Bücher in den Buchhandlungen. Selbst geschulte Händlerinnen verlieren da gern mal den Überblick, erklärt die Verlegerin: "Die haben ja nicht plötzlich doppelt so viel Platz auf den Tischen und das führt dazu, dass Dinge schneller zurückgeschickt werden. Da muss man sich dann irgendwann sagen, lieber bisschen langsamer und weniger und besser die Stoffe machen, bei denen wir wirklich wissen, dass die Leute sie aus dem Laden tragen." Augenmaß ist also gefragt.

Rollenverschiebung und Überraschungsmomente für eine gute Geschichte

Turnschuhe mit der Aufschrift Tokyopop stehen im Regal © NDR.de Foto: Mathias Heller
Ein Unikat: Tokyopop-Turnschuhe

Aber was macht eine gute Geschichte aus? "Sie dürfen nicht austauschbar sein", meint Susanne Hellweg. "Im Moment entwickelt sich das gut, was ein Überraschungsmoment hat. Wie merken, alles, was so einen Twist und nicht die typische Rollenverteilung hat, oder auch eine dunklere Seite oder vielleicht auch nicht immer alles gut ausgeht, dass die Geschichten viel interessanter werden." Besonders gut laufen im Verlag die Boys Love Titel.

Dieses Genre kommt, neben den Romance-, Mystery- und Slice of Life-Titeln gut bei der Community an. Und die ist, wie im ganzen Manga-Universum, ein entscheidender Faktor für den Erfolg. Deswegen schaut der Verlag auch bei den derzeitigen Preissteigerungen auf dem Buchmarkt genau hin. Der große Pool ist nach wie vor die Altersgruppe zwischen 13 und 16 Jahren. Und dort sitzt das Geld nicht so locker. "Das ist nämlich nicht nur super Lesefutter, was sie im Manga entdeckt haben, das ist eine Art Lifestyle. Da gehört ja in den allermeisten Fällen nicht nur dazu, dass sie die Anime schauen und die Bücher lesen, sondern die haben auch Lust, ihr Zimmer zu gestalten und sich ein Universum zu erschließen, das sie von der Elterngeneration abgrenzt."

Verlagsgeschichte und Zukunft

Joachim Kaps vom Altraverse-Verlag vor Grünpflanzen © NDR.de/ Christina Grob Foto: Christina Grob
Joachim Kaps war erster Verlagschef bei Tokyopop 1999 - heute leitet er den Manga-Verlag Altraverse.

Angefangen hat die Geschichte des Verlags 1997 in Amerika. Der Filmproduzent Stuart J. Levy, genannt Stu, reist viel nach Japan und entwickelt dort eine enge Verbundenheit. Dort stößt er durch seine Medienkontakte auf die Mangas, bringt das Genre in die Vereinigten Staaten und gründet 1999 Tokyopop. Levy ist einer der ersten, der die originale japanische Leserichtung von hinten nach vorne und von rechts nach links beibehält und somit den Manga für die westliche Welt erschließt. Fünf Jahre später öffnet er ein Büro in Hamburg. Erster Verlagschef wird hier 2004 Joachim Kaps, der nach seinem Abschied 2016 heute mit altraverse einen weiteren großen Player im deutschen Manga-Markt betreut.

Seit Anfang 2020 leitet nun Susanne Hellweg die geschäftlichen Belange bei Tokyopop. Ihre Karriere hat sie als Verlagsbuchhändlerin bei Carlsen gelernt. So ist es nicht verwunderlich, dass die Liebe zum Comic schon da war, aber die Begeisterung für Manga erst noch wachsen musste: "Was mich total getoucht hat, war 'Yotsuba!'. Das ist ein so schöner Humor. Das war mir nicht klar, dass es so etwas Feinsinniges aus dem Leben in diesem Genre auch gibt - dass hat mich sehr neugierig gemacht" - bis heute. Und so wird 2024 ein Jahr, in dem nicht nur das 20-jährige Jubiläum des Verlags gefeiert wird, sondern das ganze Genre neue Wege und viele neue Geschichten erleben wird.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Der Sonnabend | 23.03.2024 | 15:20 Uhr

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