Blick auf das Hotel Atlantic und die Straße An der Alster, Aufnahme von 1910 © picture alliance / arkivi

Hotel Atlantic: Von Luxus und Fernweh, Lindenberg und 007

Stand: 27.02.2025 14:45 Uhr

Das "weiße Schloss an der Alster" ist seit jeher ein Hamburger Sehnsuchtsort. Nach dem Krieg diente es den britischen Besatzern als Offiziersklub. Vor 75 Jahren wurde es wieder für den Tourismus eröffnet.

von Kathrin Bädermann

Marmorsäulen, Kristallleuchter, eine weitläufige Treppe mit Handlauf aus Messing, Clubsessel, ein Kamin und ganz viel Aura: Wer die Lobby des Hotels Atlantic betritt, spürt, dass dies keine x-beliebige Hotelhalle ist, sondern eine altgediente Bühne - ein Ort des Sehens und Gesehenwerdens. Viel Reichtum und Ruhm sind hier ein- und ausgekehrt: Könige, Scheichs und Maharadschas. Marlene Dietrich, Romy Schneider und Madonna. Henry Ford, Hans Albers und Neil Armstrong - um nur einige zu nennen. Und oben auf dem Dach bei der weithin sichtbaren, berühmten Weltkugel kletterte schon James Bond herum - oder zumindest das Stunt-Double von 007-Darsteller Pierce Brosnan in "Der Morgen stirbt nie".

Hotel Atlantic Hamburg, Eingang, Februar 1955. © NDR Archiv Screenshot
AUDIO: Staatsbesuch in Hamburg: Interview über die Appartements für das persische Kaiserpaar im Hotel Atlantic (4 Min)

3 Minuten vom Hauptbahnhofe in unvergleichlicher Lage an der Aussen-Alster. 250 Zimmer von RM 4.- an. 100 Privatbäder, fliessendes Wasser und Posttelefon im Zimmer. Geschäftsräume in jeder Grösse, Grill, Konferenzzimmer, Festsäle bis zu 500 Personen, Halle, Amer. Bar Anzeige zur Hoteleröffnung im Jahr 1909 in der Hamburger Tagespresse

Rohrpost & Co.: Das Atlantic begeistert die Hanseaten

Luftbild historisch Hotel Atlantic und Alteranleger © Jens Wunderlich Foto: www.hamburg-bildarchiv.de
Vorteil Atlantic: Die Reisenden hatten es nicht weit vom Hauptbahnhof zum Hotel.

Ein Blick zurück in die Zeit der Eröffnung des Grandhotels: In Hamburg herrscht Aufbruchstimmung, viele Institutionen der Stadt entstehen in diesen Jahren. 1906 wurde der nahe gelegene Hauptbahnhof eingeweiht, 1912 eröffnete das Kaufhaus Karstadt in Mönckebergstraße, ebenso der Vorgänger des Alsterhauses, und die erste U-Bahn ging in Betrieb. Und genau dazwischen, am 2. Mai 1909, präsentierte sich nach zweijähriger Bauzeit das Atlantic einem ausgesuchten Galadiner-Publikum. Schon Wochen vorher wurde dem Haus in der Presse absolute Exklusivität und Modernität bescheinigt. Eine Wasserdestillationsanlage, eine Ozonerzeugungsanlage und eine hauseigene Rohrpost - die Hamburger waren schier begeistert. Gerne nutzten auch sie das Hotel als gesellschaftlichen Treffpunkt, wenigstens die gut betuchten Hanseaten: zum Lunchen, Geschäfte-Machen oder um auf einem der vielen hier - auch heute noch stattfindenden - Bälle die Nacht durchzutanzen.

"Sie sollen sich bei mir nicht satt essen"

Was das Hotel von Beginn an zu einem Selbstgänger machte, war die Verknüpfung des Hauses mit zwei besonderen Menschen: dem Spitzenkoch Franz Pfordte und dem Reeder Albert Ballin.

Historisches Bild des Restaurant Hotel Atlantic © Jens Wunderlich Foto: www.hamburg-bildarchiv.de
Restaurant Pfordte: Der Spitzenkoch zog seine Klientel ins Atlantic.

Franz Pfordte betrieb seit 30 Jahren die "vornehmste Gaststätte Norddeutschlands", das "Weinhaus am Plan" nahe dem Hamburger Rathaus. Als er das Angebot bekam, ein Restaurant im neuen Hotel zu eröffnen, war er schon 69 Jahre alt und hatte sich einen enormen Ruf erarbeitet. "Sie sollen sich bei mir nicht satt essen, Sie sollen sich an den erlesenen Genüssen meiner Küche nur etwas delektieren", soll er einmal zu einem Gast gesagt haben, dem die kleinen Portionen nicht gefielen. Der Name Pfordte war so eng mit feiner Kulinarik verknüpft, dass die Hotelbetreiber gerne damit für sich warben: "ATLANTIC - PFORDTE" prangte zu Beginn der Hotelgeschichte auf der Fassade.

Ein Haus wie ein Luxusliner

Große Halle des  Hotel Atlantic © Jens Wunderlich Foto: www.hamburg-bildarchiv.de
Das Entree des Hotels erinnerte an die großen Hallen der Luxusliner.

Der andere Mann, mit dem das Hotel Atlantic eine Symbiose einging, war Albert Ballin, der Generaldirektor derHamburg-Amerikanischen Packetfahrt-Actien-Gesellschaft (Hapag), auch Hamburg-Amerika-Linie genannt. Sitz des Unternehmens war - und ist - unweit des Atlantic an der Binnenalster, am Alsterdamm, der seit 1947 Ballindamm heißt. Ballin machte aus dem Unternehmen Hapag die größte Schifffahrtslinie der Welt und gilt als einer der Pioniere der Kreuzfahrtindustrie. Die gemeinsame Vision von Ballin und den Gründern des Atlantic war es, First-Class-Touristen eine Kombi-Reise anzudienen: eine Kreuzfahrt in die Ferne, gekoppelt mit einem Aufenthalt im "weißen Schloss an der Alster", so der Spitzname des Atlantic. Dank Ballin und seiner Werbung bei seinen Passagieren war das Hotel von Beginn an ausgebucht. Und es ist kein Zufall, dass die Innenarchtitektur und die Einrichtung des Atlantic derjenigen von Luxuslinern ähnelten. Auch der Name ist bewusst gewählt: Atlantic, schick noch mit C geschrieben, ließ an Fernweh denken und an die aufregenden Ziele auf der anderen Seite des Ozeans: New York zum Beispiel.

Dieser Geist des Reisens, des Aufbruchs in ferne Länder - für den unser Hotel von Beginn an steht - und die damit verbundene Weltoffenheit sind auch im herzlichen Miteinander spürbar, das unser Hotel Atlantic auszeichnet André Vedobelli, seit 2022 Direktor des Hotels

Hotelgäste als Spiegel der politischen Lage

Blick von der Alster auf das Hotel Atlantic, Aufnahme von 1934 © picture alliance / arkivi
Das weiße Schloss an der Alster zieht seit 1909 Ruhm und Reichtum an.

Weit mehr als ein Jahrhundert liegt zwischen der Eröffnung und der Gegenwart. Und wie das Land so hat auch das Hotel eine wechselvolle Geschichte erlebt, gespiegelt auch durch die mächtigen Gäste, die hier nächtigten. Den gekrönten Häuptern der wilhelminischen Ära folgten die Politiker der Weimarer Republik, danach kamen die Nationalsozialisten. Und mit der neuen Bundesrepublik kehrten hier auch Bundespräsidenten und ihre Gäste ein.

1945-1949: Das Atlantic in britischen Händen

Eine besondere Phase für das Hotel lag zwischen dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Gründung der Bundesrepublik. Da nämlich zogen die britischen Offiziere der norddeutschen Besatzungsmacht ins Hotel, der zivile Tourismus hatte Pause. Die Briten hatten das Atlantic schon vor Kriegsende als angemessenes Domizil ins Auge gefasst, war es doch praktisch und hübsch gelegen und vor allem: nahezu unversehrt. Das Haus diente zum einen als britischer Offiziersklub, zum anderen als Übergangswohnung für englische Familien. Ende 1949 beschloss man, das Hotel in deutsche Hände zurückzugeben.

1950: Wiedereröffnung für das touristische Publikum

Der Direktor des Atlantic Hotels in Hamburg, Oscar H. Geyer, präsentiert eines der hochmodernen Badezimmer im Hotel, 1954. © picture alliance/United Archives Foto: Siegfried Pilz
Hoteldirektor Oscar Geyer zeigt 1954 eines der seinerzeit hochmodernen Bäder.

Oscar Geyer, der von 1932 an und bis 1968 Direktor des Atlantic war, hatte auch in diesen Jahren aus dem Hintergrund gewirkt und stand nun vor der Aufgabe, das Haus wieder auf Vordermann zu bringen. Weil das Geld fehlte, packten die Angestellten selbst an. Priorität hatten die "Visitenkarten" des Hauses: die Lobby samt Treppenhaus und die gläserne Weltkugel auf dem Dach. Am 1. März 1950 feierten Geyer und sein Team die Wiedereröffnung.

In dieser zweiten langen Phase des Hotels hat man immer wieder versucht, an die goldenen Zeiten der Anfangsjahre anzuknüpfen. Der Komfort blieb über all die Jahre, mit einer Ausnahme in den Jahren nach 2008, in denen das Hotel seine Sterne verlor - es war über die Zeit ein wenig unmodern geworden. Nach umfassenden Renovierungsmaßnahmen gab es die Sterne 2011 aber zurück: Fünf Sterne Superior.

Sonderwünsche von Hunde-Bier bis Dromedar

Der Dachgiebel des Hotels Atlantic mit Weltkugel und Flagge der Stadt. © picture alliance / imageBROKER Foto: Stefan Ziese
Den Dachgiebel des Hotels Atlantic zieren eine Weltkugel und die Flagge der Stadt Hamburg.

Zum Wohlfühlpaket für die Gäste gehört es manchmal auch, ihnen Sonderwünsche zu erfüllen. Es gibt viele Geschichten über skurrile Ansinnen: Da war zum Beispiel der Hund eines Stammgastes, der eine spezielle Biersorte liebte - jawohl, der Hund, nicht das Herrchen. Dieses Bier wurde daher eigens importiert, berichtete die "Bild"-Zeitung zum 100. Geburtstag des Hotels. Oder die Sache mit dem Dromedar, wie Atlantic-Chronist Kurt Grobecker in seinem Buch "100 Jahre Atlantic Hotel zu Hamburg 1909–2009", erzählte: Geschäftsleute aus Asien fragten, ob man ihnen für die Präsentation ihrer Exportgüter in einem möglichst morgenländischen Ambiente ein solches Tier besorgen könne. Konnte man - mithilfe des Tierparks Hagenbeck.

Und der äthiopische Kaiser Haile Selassie, der Hamburg 1954 als erster Staatsgast der noch jungen Bundesrepublik besuchte, wollte an einem Sonntag spontan mal einen dieser neuartigen Messerschmidt-Kabinenroller sehen. Kein Problem! Wenig später wurde ihm ein solches dreirädriges Mobil vor die Zimmertür gestellt. Der jugendliche Sohn des Direktors Geyer hatte es aufgetrieben und mithilfe des Lastenaufzugs in die obere Etage bugsiert, erzählte die Tochter der Familie Jahrzehnte später dem NDR.

Weitere Informationen
Mannequin bei der Präsentation von Designermode 1963 im Hotel Atlantic
2 Min

Modenschau im Hotel Atlantic in Hamburg (stumm)

Dabei präsentieren Models Damenmode des Münchener Modesigners Heinz Schulze-Varell für den Sommer 1963. 2 Min

Spukt es im Atlantic?

Das Phantomzimmer des Hotel Atlantic (Aufnahme von 2015) © picture alliance / dpa Foto: Felix Hörhager
Das Phantomzimmer vom Hotel Atlantic. Der Hausgeist bittet um Diskretion.

Skurril ist auch das, was man sich über die Dachkammer erzählt, die sich nahe der Weltkugel befindet. Altes Zeug liegt hier herum, Devotionalien aus der Geschichte des Hotels. Es heißt, die Pagen, die früher aufs Dach mussten, um eine Flagge zu hissen, wollen aus diesem Raum Stimmen gehört haben. Seitdem heißt der Raum unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern "das Phantomzimmer". Spukt es etwa im Hotel Atlantic? Direktor André Vedovelli antwortet: "Diskretion in Bezug auf unsere Gäste ist bei uns oberstes Gebot. Aber unser Hausgeist sagt: nein."

"Rekorde brechen, unser Ding!"

Szene mit Udo Lindenbeg mit Hut und langem Mantel im Flur des Hotel Atlantic ARD/NDR TATORT: ALLES KOMMT ZURÜCK, am Sonntag (26.12.21) um 20:15 Uhr im ERSTEN © NDR / Frizzi Kurkhaus Foto: Frizzi Kurkhaus
Udo Lindenberg flaniert durchs Atlantic - Szene eines "Tatorts" von 2021.

Ein guter Hausgeist, den es wirklich und wahrhaftig gibt, ist Udo Lindenberg. Der Künstler lebt seit 1994 im Atlantic. Und andere Gäste lieben es, ihn an der Hausbar, am Flügel oder auf dem Flur zu treffen. Im Herbst 2024 wurde das Atlantic auf der Busche Gala mit dem Titel "Hotel des Jahres" ausgezeichnet. Die Atlantic-Crew und Lindenberg standen gemeinsam auf der Bühne, und der Musiker beschrieb, was er am Haus so liebt: "Das Atlantic ist wie ein großes Schiff, mit dem wir durch die Zeiten fahren. Ich bin jetzt schon 30 Jahre an Bord. Rekorde brechen, unser Ding! Über so eine Zeit wird das Hotel natürlich ein echtes Zuhause und die ganze Crew ist dann voll deine Big Family. Fettes Dankeschön - ihr seid so super und leuchtet wie ein Feuerwerk von Kometen!"

Was Lindenberg pro Nacht bezahlt, ist streng geheim, nur so viel sagt er selbst dazu: "Wir haben einen guten Deal gemacht, der cool ist."

Warum hängt ein Gemälde von Kaiser Wilhelm II. im Altantic-Foyer?

In den ersten Jahren wachte Kaiser Wilhelm II. über das Geschehen in der Lobby. Zumindest sein mannshohes Abbild auf Majolika-Fliesen - kunstvoll gefertigte Keramik-Fliesen - über dem Kamin der Halle. Das passte, schließlich war er nicht nur der Regent, sondern auch noch Premium-Tourist - sein Spitzname war "der Reisekaiser". Als er nach dem Ende des Ersten Weltkriegs abdanken musste, wurde sein Abbild verschalt und ein Steuerrad kam als Symbol für die Weltoffenheit des Atlantic an seine Stelle. Mitte der 70er-Jahre betrat eine neugierige Hamburgerin das Hotel, zeigte eine alte Ansichtskarte von der Lobby und fragte, ob sich der Kaiser wohl noch hinter dem Steuerrad befände. Man holte kurzerhand Leiter und Bohrmaschine und setzte zur Probebohrung an, die sich auf Höhe des Kaiser-Bauchnabels in Form eines kleinen Lochs verewigte, als nämlich der Bohrer auf die entsprechende Majolika-Fliese aufschlug. Ein paar Jahre beließ man die Ex-Majestät noch hinter der Verschalung, doch dann verloren sich die Berührungsängste und man legte ihn wieder frei. Seitdem prüft der Reisekaiser wieder mit Zwirbelbart und strengem Blick, was in der Lobby geschieht.

 

Weitere Informationen
Historische Aufnahme des Dampfschiffs "Augusta Victoria" der Reederei Hapag auf See.

Luxus auf See: Vom Beginn der Kreuzfahrt

Die Vergnügungsreise der "Augusta Victoria" von Cuxhaven ins Mittelmeer 1891 geht später als erste Kreuzfahrt in die Geschichte ein. mehr

Porträt des Hamburger Reeders Albert Ballin. © picture-alliance / dpa

Albert Ballin: Der Mann, der die Hapag prägte

Als Generaldirektor macht der Hamburger die Hapag zur größten Reederei der Welt. Doch sein Leben endet tragisch. mehr

Das erste deutsche Seebad wurde 1793 in Heiligendamm an der Ostsee eröffnet. © Radio Bremen/vidicon

Grand Hotel Heiligendamm: Zwischen Traum und Pleite

Am 30. Mai 2003 ist das Grand Hotel Heiligendamm eröffnet worden. Der Investor sammelte viel Geld, erfüllte sich einen Traum - und ging pleite. mehr

Dieter Hallervorden bei "Movie Meets Media" im Hotel Atlantic © Screenshot
2 Min

Promi-Auflauf bei "Movie Meets Media" im Hotel Atlantic

Beim Event in Hamburg vernetzt sich die Branche. Aber es werden auch Kunstwerke für den guten Zweck versteigert. 2 Min

Udo Lindenberg vor einer seiner Illustrationen. © Screenshot
ARD Mediathek

Udos Ding - Deutschlands umfangreichste Lindenberg-Schau

Likörelle, Goldene Schallplatten, Musikpreise, Kostüme und Requisiten - die Kunsthalle lockt Udo-Lindenberg-Fans nach Rostock. Video

Ein Blick in die Halle des Hotel Atlantic in Hamburg. © NDR
1 Min

Tag der offenen Tür im Hotel "Atlantic"

Hamburgerinnen, Hamburger sowie Besucherinnen und Besucher konnten einen Blick hinter die Kulissen des Hotels werfen. Karsten Sekund berichtet. 1 Min

Dieses Thema im Programm:

01.03.1963 | 00:00 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Die 50er-Jahre

Zeitgeschichte

Neuzeit

Mehr Geschichte

Der damalige Bundesfinanzminister Helmut Schmidt (SPD) mit seiner Ehefrau Hannelore "Loki" Schmidt an seiner Seite auf dem Weg zum Wahllokal im Hamburger Stadtteil Langenhorn am 03.03.1974, vorne links ein Wahlplakat der SPD. © picture-alliance/ dpa Foto: Werner Baum

Ergebnisse der Bürgerschaftswahlen: So wählte Hamburg seit 1946

Hamburg gilt seit Langem als Hochburg der Sozialdemokraten. Seit 1946 wurde der Bürgermeister fast ausschließlich von der SPD gestellt. mehr

Norddeutsche Geschichte