Hotel Atlantic: Von Luxus und Fernweh, Lindenberg und 007
Das "weiße Schloss an der Alster" ist seit jeher ein Hamburger Sehnsuchtsort. Nach dem Krieg diente es den britischen Besatzern als Offiziersklub. Vor 75 Jahren wurde es wieder für den Tourismus eröffnet.
Marmorsäulen, Kristallleuchter, eine weitläufige Treppe mit Handlauf aus Messing, Clubsessel, ein Kamin und ganz viel Aura: Wer die Lobby des Hotels Atlantic betritt, spürt, dass dies keine x-beliebige Hotelhalle ist, sondern eine altgediente Bühne - ein Ort des Sehens und Gesehenwerdens. Viel Reichtum und Ruhm sind hier ein- und ausgekehrt: Könige, Scheichs und Maharadschas. Marlene Dietrich, Romy Schneider und Madonna. Henry Ford, Hans Albers und Neil Armstrong - um nur einige zu nennen. Und oben auf dem Dach bei der weithin sichtbaren, berühmten Weltkugel kletterte schon James Bond herum - oder zumindest das Stunt-Double von 007-Darsteller Pierce Brosnan in "Der Morgen stirbt nie".
3 Minuten vom Hauptbahnhofe in unvergleichlicher Lage an der Aussen-Alster. 250 Zimmer von RM 4.- an. 100 Privatbäder, fliessendes Wasser und Posttelefon im Zimmer. Geschäftsräume in jeder Grösse, Grill, Konferenzzimmer, Festsäle bis zu 500 Personen, Halle, Amer. Bar Anzeige zur Hoteleröffnung im Jahr 1909 in der Hamburger Tagespresse
Rohrpost & Co.: Das Atlantic begeistert die Hanseaten
Ein Blick zurück in die Zeit der Eröffnung des Grandhotels: In Hamburg herrscht Aufbruchstimmung, viele Institutionen der Stadt entstehen in diesen Jahren. 1906 wurde der nahe gelegene Hauptbahnhof eingeweiht, 1912 eröffnete das Kaufhaus Karstadt in Mönckebergstraße, ebenso der Vorgänger des Alsterhauses, und die erste U-Bahn ging in Betrieb. Und genau dazwischen, am 2. Mai 1909, präsentierte sich nach zweijähriger Bauzeit das Atlantic einem ausgesuchten Galadiner-Publikum. Schon Wochen vorher wurde dem Haus in der Presse absolute Exklusivität und Modernität bescheinigt. Eine Wasserdestillationsanlage, eine Ozonerzeugungsanlage und eine hauseigene Rohrpost - die Hamburger waren schier begeistert. Gerne nutzten auch sie das Hotel als gesellschaftlichen Treffpunkt, wenigstens die gut betuchten Hanseaten: zum Lunchen, Geschäfte-Machen oder um auf einem der vielen hier - auch heute noch stattfindenden - Bälle die Nacht durchzutanzen.
"Sie sollen sich bei mir nicht satt essen"
Was das Hotel von Beginn an zu einem Selbstgänger machte, war die Verknüpfung des Hauses mit zwei besonderen Menschen: dem Spitzenkoch Franz Pfordte und dem Reeder Albert Ballin.
Franz Pfordte betrieb seit 30 Jahren die "vornehmste Gaststätte Norddeutschlands", das "Weinhaus am Plan" nahe dem Hamburger Rathaus. Als er das Angebot bekam, ein Restaurant im neuen Hotel zu eröffnen, war er schon 69 Jahre alt und hatte sich einen enormen Ruf erarbeitet. "Sie sollen sich bei mir nicht satt essen, Sie sollen sich an den erlesenen Genüssen meiner Küche nur etwas delektieren", soll er einmal zu einem Gast gesagt haben, dem die kleinen Portionen nicht gefielen. Der Name Pfordte war so eng mit feiner Kulinarik verknüpft, dass die Hotelbetreiber gerne damit für sich warben: "ATLANTIC - PFORDTE" prangte zu Beginn der Hotelgeschichte auf der Fassade.
Ein Haus wie ein Luxusliner
Der andere Mann, mit dem das Hotel Atlantic eine Symbiose einging, war Albert Ballin, der Generaldirektor derHamburg-Amerikanischen Packetfahrt-Actien-Gesellschaft (Hapag), auch Hamburg-Amerika-Linie genannt. Sitz des Unternehmens war - und ist - unweit des Atlantic an der Binnenalster, am Alsterdamm, der seit 1947 Ballindamm heißt. Ballin machte aus dem Unternehmen Hapag die größte Schifffahrtslinie der Welt und gilt als einer der Pioniere der Kreuzfahrtindustrie. Die gemeinsame Vision von Ballin und den Gründern des Atlantic war es, First-Class-Touristen eine Kombi-Reise anzudienen: eine Kreuzfahrt in die Ferne, gekoppelt mit einem Aufenthalt im "weißen Schloss an der Alster", so der Spitzname des Atlantic. Dank Ballin und seiner Werbung bei seinen Passagieren war das Hotel von Beginn an ausgebucht. Und es ist kein Zufall, dass die Innenarchtitektur und die Einrichtung des Atlantic derjenigen von Luxuslinern ähnelten. Auch der Name ist bewusst gewählt: Atlantic, schick noch mit C geschrieben, ließ an Fernweh denken und an die aufregenden Ziele auf der anderen Seite des Ozeans: New York zum Beispiel.
Dieser Geist des Reisens, des Aufbruchs in ferne Länder - für den unser Hotel von Beginn an steht - und die damit verbundene Weltoffenheit sind auch im herzlichen Miteinander spürbar, das unser Hotel Atlantic auszeichnet André Vedobelli, seit 2022 Direktor des Hotels
Hotelgäste als Spiegel der politischen Lage
Weit mehr als ein Jahrhundert liegt zwischen der Eröffnung und der Gegenwart. Und wie das Land so hat auch das Hotel eine wechselvolle Geschichte erlebt, gespiegelt auch durch die mächtigen Gäste, die hier nächtigten. Den gekrönten Häuptern der wilhelminischen Ära folgten die Politiker der Weimarer Republik, danach kamen die Nationalsozialisten. Und mit der neuen Bundesrepublik kehrten hier auch Bundespräsidenten und ihre Gäste ein.
1945-1949: Das Atlantic in britischen Händen
Eine besondere Phase für das Hotel lag zwischen dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Gründung der Bundesrepublik. Da nämlich zogen die britischen Offiziere der norddeutschen Besatzungsmacht ins Hotel, der zivile Tourismus hatte Pause. Die Briten hatten das Atlantic schon vor Kriegsende als angemessenes Domizil ins Auge gefasst, war es doch praktisch und hübsch gelegen und vor allem: nahezu unversehrt. Das Haus diente zum einen als britischer Offiziersklub, zum anderen als Übergangswohnung für englische Familien. Ende 1949 beschloss man, das Hotel in deutsche Hände zurückzugeben.
1950: Wiedereröffnung für das touristische Publikum
Oscar Geyer, der von 1932 an und bis 1968 Direktor des Atlantic war, hatte auch in diesen Jahren aus dem Hintergrund gewirkt und stand nun vor der Aufgabe, das Haus wieder auf Vordermann zu bringen. Weil das Geld fehlte, packten die Angestellten selbst an. Priorität hatten die "Visitenkarten" des Hauses: die Lobby samt Treppenhaus und die gläserne Weltkugel auf dem Dach. Am 1. März 1950 feierten Geyer und sein Team die Wiedereröffnung.
In dieser zweiten langen Phase des Hotels hat man immer wieder versucht, an die goldenen Zeiten der Anfangsjahre anzuknüpfen. Der Komfort blieb über all die Jahre, mit einer Ausnahme in den Jahren nach 2008, in denen das Hotel seine Sterne verlor - es war über die Zeit ein wenig unmodern geworden. Nach umfassenden Renovierungsmaßnahmen gab es die Sterne 2011 aber zurück: Fünf Sterne Superior.
Sonderwünsche von Hunde-Bier bis Dromedar
Zum Wohlfühlpaket für die Gäste gehört es manchmal auch, ihnen Sonderwünsche zu erfüllen. Es gibt viele Geschichten über skurrile Ansinnen: Da war zum Beispiel der Hund eines Stammgastes, der eine spezielle Biersorte liebte - jawohl, der Hund, nicht das Herrchen. Dieses Bier wurde daher eigens importiert, berichtete die "Bild"-Zeitung zum 100. Geburtstag des Hotels. Oder die Sache mit dem Dromedar, wie Atlantic-Chronist Kurt Grobecker in seinem Buch "100 Jahre Atlantic Hotel zu Hamburg 1909–2009", erzählte: Geschäftsleute aus Asien fragten, ob man ihnen für die Präsentation ihrer Exportgüter in einem möglichst morgenländischen Ambiente ein solches Tier besorgen könne. Konnte man - mithilfe des Tierparks Hagenbeck.
Und der äthiopische Kaiser Haile Selassie, der Hamburg 1954 als erster Staatsgast der noch jungen Bundesrepublik besuchte, wollte an einem Sonntag spontan mal einen dieser neuartigen Messerschmidt-Kabinenroller sehen. Kein Problem! Wenig später wurde ihm ein solches dreirädriges Mobil vor die Zimmertür gestellt. Der jugendliche Sohn des Direktors Geyer hatte es aufgetrieben und mithilfe des Lastenaufzugs in die obere Etage bugsiert, erzählte die Tochter der Familie Jahrzehnte später dem NDR.
Spukt es im Atlantic?
Skurril ist auch das, was man sich über die Dachkammer erzählt, die sich nahe der Weltkugel befindet. Altes Zeug liegt hier herum, Devotionalien aus der Geschichte des Hotels. Es heißt, die Pagen, die früher aufs Dach mussten, um eine Flagge zu hissen, wollen aus diesem Raum Stimmen gehört haben. Seitdem heißt der Raum unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern "das Phantomzimmer". Spukt es etwa im Hotel Atlantic? Direktor André Vedovelli antwortet: "Diskretion in Bezug auf unsere Gäste ist bei uns oberstes Gebot. Aber unser Hausgeist sagt: nein."
"Rekorde brechen, unser Ding!"
Ein guter Hausgeist, den es wirklich und wahrhaftig gibt, ist Udo Lindenberg. Der Künstler lebt seit 1994 im Atlantic. Und andere Gäste lieben es, ihn an der Hausbar, am Flügel oder auf dem Flur zu treffen. Im Herbst 2024 wurde das Atlantic auf der Busche Gala mit dem Titel "Hotel des Jahres" ausgezeichnet. Die Atlantic-Crew und Lindenberg standen gemeinsam auf der Bühne, und der Musiker beschrieb, was er am Haus so liebt: "Das Atlantic ist wie ein großes Schiff, mit dem wir durch die Zeiten fahren. Ich bin jetzt schon 30 Jahre an Bord. Rekorde brechen, unser Ding! Über so eine Zeit wird das Hotel natürlich ein echtes Zuhause und die ganze Crew ist dann voll deine Big Family. Fettes Dankeschön - ihr seid so super und leuchtet wie ein Feuerwerk von Kometen!"
Was Lindenberg pro Nacht bezahlt, ist streng geheim, nur so viel sagt er selbst dazu: "Wir haben einen guten Deal gemacht, der cool ist."
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