VIDEO: Hamburg damals: Boy Gobert wird Intendant am Thalia Theater (4 Min)

Wie Boy Gobert das Hamburger Thalia Theater umkrempelte

Stand: 01.08.2024 06:00 Uhr

Unter Boy Goberts Leitung erlangte das Hamburger Thalia Theater künstlerischen Rang und bundesweite Bedeutung. Er drückte dem Haus seinen Stempel auf, meist war es ausverkauft. Doch wer war Gobert eigentlich?

Der am 5. Juni 1929 in Hamburg geborene Boy Gobert war Erzkomödiant, Dandy, Bonvivant und Filmstar der 1950er-Jahre, Burgschauspieler und Sohn des Hamburger Kultursenators Ascan Klée Gobert. Sein virtuoses Sprachfehlerspiel im Kinoerfolg "Pension Schöller" als Eugen Rümpel (1960) war unvergleichlich. Doch das Theater war seine Leidenschaft. Direkt nach seinem Abitur nahm er von 1946 bis 1947 Schauspielunterricht. Er debütierte 1947 am Theater im Zimmer und spielte am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg. Außerdem stand er in den Folgejahren an vielen verschiedenen Häusern auf der Bühne, so etwa am Badischen Staatstheater Karlsruhe, am Fritz Rémond Theater in Frankfurt am Main, am Renaissance-Theater in Berlin und am Schauspielhaus Zürich. Von 1959 an war Gobert Mitglied des Wiener Burgtheaters.

Als er 1969 die klassische Aufgabe des Intendanten am Thalia Theater in Hamburg übernehmen sollte, hatte er schon mehrfach Regie geführt, auch erfolgreich - aber ein Haus geleitet noch nie. Die "Abenteurerlust" habe ihn bewogen, diese Herausforderung anzunehmen, bekennt Gobert damals.

Vom Mimen zum Theaterleiter

Boy Gobert, deutsch österreichischer Theaterintendant, Theaterregisseur, Theaterschauspieler und Filmschauspieler in Wien, Österreich um 1975. © picture alliance/United Archives Foto: kpa
Boy Gobert war deutsch-österreichischer Theaterintendant, -regisseur und Schauspieler.

Das Thalia war damals die Bühne für gediegene Unterhaltung mit einem nicht gerade experimentierfreudigen Abonnementpublikum. Die Premieren galten als gesellschaftliche Ereignisse, auch oder gerade weil sie keineswegs gesellschaftsverändernd im Stil der Zeit wirkten. "Das Haus war voll und es war erfolgreich", erinnert sich Peter Striebeck, 1969 Schauspieler am Thalia und später Nachfolger Goberts als Intendant.

Mit Tradition und Innovation voran

Theater mit Klasse und Stargästen - so begann die Gobert-Ära. Zugleich engagierte Boy Gobert klugerweise vielversprechenden Nachwuchs an die Hamburger Traditionsbühne. So auch Ursela Monn: "Dass dieser Boy Gobert mich als pure Anfängerin, ich war noch nicht mal fertig mit dem Studium, nach Hamburg geholt hat... Was kann dem Menschen Besseres passieren in seinem ganzen Leben? Das war wirklich großartig. Und ich wusste schon gleich, welche Rollen ich spiele, gleich zwei Hauptrollen." Erste wesentliche künstlerische Schritte am Thalia -und dann folgte der Fernsehruhm für Ursela Monn.

Intendant Gobert dachte immer an Kasse und an Qualität zugleich. Für ihn war ein gutes Theater: ein volles Theater. Als Regisseur und Intendant war er kein Mann des Umsturzes, aber der behutsamen Veränderung. So erschuf er das nächtliche Kontrastprogramm - immer freitags und samstags ab 23 Uhr. Die erste Inszenierung in diesem Rahmen war "Der Architekt und der Kaiser" von Fernando Arrabal. Nach einer kurzen Anlaufphase waren die Vorstellungen nur noch ausverkauft, erinnert sich Peter Striebeck: "Es wurde ein Riesenerfolg und wir spielten es sehr, sehr, sehr oft!"

Der Boy-Gobert-Preis

Ein eleganter Antreiber für Bühnenkultur und Publikumsliebling war er also: Boy Gobert, der das Thalia nach gut 125 Jahren Theatergeschichte zum zweiten ersten Haus in Hamburg machte. Und zum Abschied des langjährigen Intendanten 1980 stiftete Kurt A. Körber einen Nachwuchspreis: Seit 1981 verleiht die Körber Stiftung den Boy-Gobert-Preis. Die mit 10.000 Euro dotierte Auszeichnung ehrt junge, herausragende Schauspielpersönlichkeiten an Hamburger Bühnen, um sie am Anfang ihrer Laufbahn zu unterstützen. Die Liste ehemaliger Preistragenden umfasst renommierte Schauspielende wie Susanne Lothar (†), Ulrich Tukur, Michael Maertens, Annette Paulmann, Martin Wuttke und Fritzi Haberland.

In Wien gestorben

Boy Gobert wechselte 1980 zu den Staatlichen Schauspielbühnen Berlin, wo er jedoch nicht an die Hamburger Erfolge anknüpfen konnte. Zum 1. September 1986 sollte er Direktor des Wiener Theaters in der Josefstadt übernehmen. Doch Gobert starb überraschend am 30. Mai 1986 in Wien an Herzversagen. Dort ist er auch begraben.

Weitere Informationen
Die Schauspielerin Pauline Rénevier erhält den Boy-Gobert-Preis. © dpa Foto: Markus Scholz

2023: Schauspielerin Pauline Rénevier erhält den Boy-Gobert-Preis

Die 25-jährige spielt am Hamburger Thalia-Theater - und zwar so überzeugend, dass sie nun mit dem Nachwuchspreis geehrt wurde. mehr

Schauspielerin Pauline Rénevier © Screenshot
3 Min

Schauspielerin Pauline Rénevier erhält Boy-Gobert-Preis

Seit eineinhalb Jahren ist die 25-Jährige fest im Thalia-Ensemble. Neben dem Theater glänzt sie auch in Film und Fernsehen. 3 Min

Johannes Hegemann bei einer Probe zu Toshiki Okadas Stück "Doughnuts" am Hamburger Thalia Theater © picture alliance / Christian Fürst Foto: Christian Fürst

2022: Johannes Hegemann ist mit dem Boy-Gobert-Preis ausgezeichnet worden

Er schlackert und schaukelt sich in das Gedächtnis der Theaterbesucher. Im Thalia Theater erhielt Johannes Hegemann den Boy-Gobert-Preis. mehr

Johannes Hegemann vor dem Thalia Theater in der Gaußstraße. © Screenshot
3 Min

Schauspieler Johannes Hegemann erhält Boy-Gobert-Preis

Der 25-Jährige liebt das Spielen vor Publikum. Seit fast drei Jahren ist er Ensemblemitglied am Thalia Theater in Hamburg. 3 Min

Dieses Thema im Programm:

Hamburg Journal | 30.07.2024 | 19:30 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Theater

Porträt

Mehr Geschichte

Schriftsteller Thomas Mann auf einer undatierten Aufnahme © picture-alliance / dpa Foto: Bifab

Thomas Mann: 100 Jahre "Der Zauberberg"

Für die "Buddenbrooks" erhielt Thomas Mann den Literaturnobelpreis. Sein Werk "Der Zauberberg" wird jetzt 100 Jahre alt. mehr

Norddeutsche Geschichte

Das Logo von #NDRfragt auf blauem Hintergrund. © NDR

Umfrage zum Fachkräftemangel: Müssen wir alle länger arbeiten?