Jever und sein beliebtes Fräulein Maria
Wer in Jever von Maria spricht, meint nicht die heilige Jungfrau, sondern eine Herrscherin aus dem 16. Jahrhundert. Sie verlieh der friesischen Siedlung 1536 Stadtrechte. Am 20. Februar 1575 starb sie in der ostfriesischen Stadt.
An Fräulein Maria kommt in Jever niemand vorbei. Obwohl sie vor 450 Jahren starb - oder, wie man in Jever sagt, seit 1575 nicht mehr gesehen wurde - ist Maria allgegenwärtig: Eine Straße, ein Denkmal, ein Gymnasium und eine Kirchenglocke tragen ihren Namen. Sie war es, die Jever "am ersten Mittwoch im Fasten" - dem Aschermittwoch - 1536 die Stadtrechte verlieh. Maria von Jever, so ihr offizieller Name, regierte die Stadt und die dazugehörigen Ländereien so geschickt, dass sich Jever bis heute Marienstadt nennt.
Tochter des letzten Häuptlings
Die für eine Frau ungewöhnliche Rolle der Regentin fällt Maria als Tochter des letzten Häuptlings der Friesen, Edo Wiemken des Jüngeren, zu. Sie wird am 5. September 1500 geboren, ihre Eltern sterben früh und als auch ihr Bruder ums Leben kommt, steht Maria als Nachfolgerin fest. Allerdings ist sie noch zu jung, um die Regentschaft zu übernehmen. Ihre Vormünder einigen sich mit Graf Edzard von Ostfriesland auf einen Heiratsvertrag, der ihm die Schutzherrschaft über das Jeverland sichert. Die Ostfriesen halten ihr Versprechen aber nicht, sie besetzen Burg Jever. Der ostfriesische Drost Boing von Oldersum kommt Maria zu Hilfe und vertreibt die Eindringlinge. Er gilt später als Marias Geliebter.
Maria von Jever: Eine Frau mit Geschick und Ehrgeiz
Entgegen der Gepflogenheiten heiratet Maria keinen Sohn eines Grafen, sondern regiert das Land mit eisernem Willen und Geschick selbst. Sie erweitert ihr Herrschaftsgebiet, lässt Deiche bauen, fördert den Handel und gestaltet die Festung Jever zu einem Renaissance-Schloss um. Um 1564 schafft sie in der Stadtkirche ein Denkmal für ihren Vater Edo. Das imposante Grabmal im niederländischen Renaissancestil ist bis heute erhalten und gilt als bedeutendstes Kunstwerk Jevers.
Da Maria keine Kinder bekommt, stirbt mit ihr die Dynastie der Häuptlingsfamilie Papinga aus, die in Friesland seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts regierte. Als ihr Todestag wird der 20. Februar 1575 genannt. Ihr Tod wird zunächst geheim gehalten, damit die Erbangelegenheiten geregelt werden können. Eine Legende besagt, Maria sei 1575 in einem unterirdischen Gang im Schlosspark verschwunden. Wie schon damals läutet noch heute - bis zu ihrer Wiederkehr - jeden Abend die Marienglocke im Turm der Stadtkirche.
Die Stadt als Spielball der Mächtigen
Nach dem Tod Marias fällt Jever zunächst an die Grafen von Oldenburg. Knapp 100 Jahre später gehört die Region zu Anhalt-Zerbst und 1793 erbt Kaiserin Katharina II. von Russland, eine Prinzessin aus dem Hause Anhalt-Zerbst, die Stadt. Über Jahre bleibt die Gegend Spielball der Mächtigen Europas, wird an Holland abgetreten, gehört zu Frankreich, erneut zum russischen Zarenreich und von 1818 an schließlich wieder zum Großherzogtum Oldenburg. Nach dem Ende der Monarchie 1918 ist Jever Teil des Freistaates Oldenburg und zählt seit 1939 zum Landkreis Friesland.
Bürgerhäuser prägen die Altstadt
Die Ursprünge Jevers liegen in Siedlungen, die dort schon vor mehr als 1.000 Jahren existierten. Im 11. Jahrhundert gehörte der Ort mit seinem Seehafen bereits zu den wichtigsten Handelsplätzen an der Nordsee. Der Hafen versandete und später sorgten Eindeichungen dafür, dass die Stadt heute im Binnenland liegt. Jever war stets eine Kleinstadt und zählte am Ende des 19. Jahrhunderts etwa 5.000 Einwohner, heute sind es nach mehreren Eingemeindungen knapp 15.000 (Stand 31.12.2023).
Noch immer prägen alte Bürger- und Amtshäuser den historischen Stadtkern am Schloss. Es ist seit jeher Mittelpunkt der Stadt und beherbergt ein kulturhistorisches Museum sowie eine umfangreiche Bibliothek. Das Rathaus am Kirchplatz stammt aus dem frühen 17. Jahrhundert, das Richterhaus des Amtsgerichts von 1704. Das Wahrzeichen Jevers, der Schlossturm und frühere Wehrturm, erhielt seine barocke Haube im 18. Jahrhundert. Als Kreisstadt und staatlich anerkannter Erholungsort lockt Jever jährlich Tausende Besucher an.
Berühmtes Porträt wieder zu sehen
Anlässlich des 450. Todestages Marias von Jever am 20. Februar ist es dem Schlossmuseum gelungen, das berühmte Original-Porträt aus der Mitte des 16. Jahrhunderts wieder zu präsentieren. Im sogenannten Edzardzimmer, wohl die ehemalige Kemenate Marias, ist das Porträt zu sehen.
Karte: Die Kleinstadt Jever auf einen Blick
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