VIDEO: Hamburg damals: 30 Jahre Sprengung des "Tor zum Kiez" (4 Min)

Vor 30 Jahren: Hochhaus auf St. Pauli wird gesprengt

Stand: 17.02.2025 17:00 Uhr

Das Hochhaus am Hamburger Millerntor aus dem Jahr 1966 war asbestbelastet. Sanierungen hatten nicht das gewünschte Ergebnis gebracht. Dann wurde der Abriss beschlossen. Am 19. Februar 1995 gab es einen großen Knall.

Das Millerntor-Hochhaus auf St. Pauli: rund 75 Meter hoch, 24 Stockwerke. Es darf bei der Sprengung am 19. Februar 1995 auf keinen Fall zur Seite kippen, sondern es muss in sich zusammenfallen. Der ehemalige Sprengunternehmer Walter Werner erinnert sich im NDR im Februar 2025: "In Deutschland sind die Gebäude dieser Art und Größe ja immer nur 'umgelegt' worden. Das ging in Hamburg einfach nicht. Da war der Platz nicht vorhanden. Also musste es kollabieren - vertikal. Das war Premiere." Ein Vorhaben, bei dem es "schon gekribbelt hat im Bauch", gibt Werner zu.

Gebäude prägt das Stadtbild

Das im Bau befindliche Iduna-Hochhaus am Hamburger Millerntorplatz im Mai 1964. Es wurde 1995 gesprengt, links das Bismark-Denkmal © IMAGO Foto: Otto Krschak
1964 begannen die Arbeiten für das Hochhaus am Millerntorplatz. 1966 wurde es fertiggestellt.

Entworfen hatte das Millerntorhochhaus der Architekt Carl-Friedrich Fischer (1909-2001). Baubeginn war 1964, zwei Jahre später wurde das Gebäude fertiggestellt. Die Mieter des Hochhauses waren etwa Speditionen, Reedereien und das Oberverwaltungsgericht.

Das Bauwerk - auch als Iduna-Hochhaus bekannt - prägte das Stadtbild Hamburgs, es überragte alle umliegenden Bauwerke. Es markierte die Gabelung am Millerntor in die Reeperbahn und die Budapester Straße. Wer von der Ost-West-Straße (heute: Ludwig-Erhard-Straße und Willy-Brandt-Straße) kam, konnte das Haus schon von Weitem sehen.

Asbest-Alarm, Sanierung, Abriss

Das Iduna-Hochhaus in Hamburg-St. Pauli, aufgenommen am 04.01.1991. © picture-alliance/ dpa Foto: DB
Das Millerntor-Hochhaus war schon von Weitem zu sehen.

Ab Mitte der 1980er-Jahre steht es aber leer - wegen Asbestalarms. Es folgen mehrere Sanierungen, die fehlschlagen, und politische Auseinandersetzungen in der Hamburgischen Bürgerschaft, die einen Abriss weiter hinauszögern. Auch ein Gutachten, das Asbestfreiheit garantiert, ändert daran nichts - vorerst.

"Wir sind überrascht, wir können das nicht verstehen", sagt Wolfgang Schumacher vom TÜV Nord damals. Wir haben die Untersuchungen hier beendet. Wir haben die erforderlichen Bescheinigungen erteilt. Wir haben uns große Mühe gegeben hier. Wir können nicht verstehen, warum nicht gesprengt werden soll." Aber dann geben die Abgeordeten der Bürgerschaft schließlich doch noch grünes Licht für die Sprengung.

3.000 Zünder und 180 Kilogramm Sprengstoff

Am 19.02.1995 wird das Iduna-Hochhaus am Millerntorplatz auf St. Pauli gesprengt. © NDR
Zum Schutz vor herumfliegenden Betonbrocken wurde helles Vlies ausgerollt.

3.000 Löcher bohrt das Team von Sprengleiter Werner damals in den Beton. Vier Tage dauert die Einbringung der Ladungen. Mit Blick auf die Reihenfolge bei der Sprengung des Gebäudes erklärt Werner damals im NDR: "Die Mitte kommt etwa eine Viertelsekunde vor den Außenpfeilern. Dadurch soll ein Absacken, ein Einknicken nach innen - wenn auch nur minimal - erreicht werden. Dadurch brechen die Decken vor."

Die Sprengung ist statisch genau berechnet - 3.000 Zünder und 180 Kilogramm Sprengstoff verteilt auf jeder dritten Etage. Zum Schutz vor Betonbrocken, die bei der Sprengung 80 Meter weit durch die Luft fliegen könnten, wird Vlies ausgerollt. Für die Sprengung wird sichergestellt, dass sich niemand mehr im Gebäude aufhält. In einem Umkreis von 200 Metern ist alles abgeriegelt. Hinter den Absperrungen wollen 80.000 Zuschauer sehen, wie 1.3000 Tonnen Stahl und Beton in sich zusammenfallen.

In drei Sekunden rauschen 24 Etagen nach unten

Am 19.02.1995 wird das Iduna-Hochhaus am Millerntorplatz auf St. Pauli gesprengt. Danach bleibt ein großer Haufen Steine und Schutt. © NDR
Große Haufen aus Steinen und Schutt bleiben nach der Sprengung übrig.

Gegen 13 Uhr erteilt Walter Werner seinem Sprengmeister Ali Özdek per Funk die Freigabe. Öszdek kurbelt daraufhin die Zündmaschine hoch und drückt auf den Knopf. Es gibt einen dumpfen Knall. Der Häuser-Riese sackt in einer riesigen Staubwolke in sich zusammen. In drei Sekunden rauschen 24 Etagen senkrecht nach unten. Alles läuft wie geplant.

"Es war einfach eine Riesenerleichterung, als das Gebäude in der Staubwolke verschwand. Es war uns klar: Das war ein voller Erfolg", erinnert sich Walter Werner.

Nachfolgebau ist deutlich niedriger

Luftaufname von der Reeperbahn auf St. Pauli mit Heiligengeistfeld, Millerntor-Stadion und den tanzenden Türme (16.09.2023) © IMAGO / imagebroker Foto: Thomas Lammeyer
1998 wurde der Nachfolgebau fertiggestellt, 2012 die "Tanzenden Türme".

Nach 29 Jahren ist das Millerntor-Hochhaus, das Tor zum Kiez, am 19. Februar 1995 Geschichte. An der Stelle wird anschließend ein mit 40 Metern Höhe deutlich niedrigeres Gebäude errichtet, das 1998 fertiggestellt wird. In dem Komplex haben sich die unterschiedlichsten Unternehmen eingemietet. Direkt gegenüber stehen seit 2012 die "Tanzenden Türme", zwei Hochhäuser die 75 und 85 Meter hoch sind.

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Hamburg Journal | 16.02.2025 | 19:30 Uhr

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