Irene Butter und die Hamburger Schülerinnen Milla Bessling, Mathilda Foitlinski, Ida Seidel und Lonneke Liebmann (v.l.n.r.) © NDR Foto: Caroline Schmidt

Treffen mit Irene Butter: "Ich kann es noch gar nicht fassen!"

Stand: 05.09.2022 09:20 Uhr

Vier Hamburger Schülerinnen haben 22 Stunden lang mit der Holocaust-Überlebenden Irene Hasenberg Butter für einen NDR Podcast über deren Leben gesprochen. Jetzt kommt die 91-Jährige nach Deutschland - hier treffen sie sich die Fünf zum ersten Mal leibhaftig.

von Caroline Schmidt

Es klingelt am Donnerstagabend, und auf einmal steht sie da - in einer rosa Bluse, immer noch so kerzengerade, wie es irgend geht, und mit diesen wachen Augen, als hätte sie keine lange Flugreise hinter sich. Den vier Mädchen überreicht Irene Butter Geschenke: bunte Armbänder und typisch amerikanische Süßigkeiten in allen Farben, darunter so extravagante Sorten wie die "Jawbreaker", zu Deutsch Kieferbrecher. Man kann sich schon etwas darunter vorstellen, ohne selbst davon gekostet zu haben.

In der Abendsonne sitzen sie im Garten um einen Tisch herum, die vier Schülerinnen Ida Seidel, Lonneke Liebmann, Mathilda Foitlinski und Milla Bessling vom Hamburger Helene-Lange-Gymnasium und die Holocaust-Überlebende. Sie reden und lachen über die verrückten Süßigkeiten, über fast verpasste Flüge und das Chaos am Pariser Flughafen bei Irene Butters Zwischenstopp - als ob sie sich schon sehr lange kennen.

NDR Podcast Zeitkapsel erzählt von Irene Butters Überleben

Irene Butter sitzt mit den Hamburger Schülerinnen Ida Seidel,  Milla Bessling, Lonneke Liebmann und Mathilda Foitlinski (v.l.n.r.) in einem Garten. © NDR Foto: Caroline Schmidt
Irene Butter und Ida Seidel, Milla Bessling, Lonneke Liebmann und Mathilda Foitlinski (v.l.n.r.) treffen sich in Hamburg erstmals persönlich.

Dabei sehen sie sich hier in diesem Hamburger Garten zum ersten Mal persönlich. Bislang haben sie sich immer nur über Zoom getroffen. In dem digitalen Raum haben sie 22 Stunden lang über Irene Butters Leben gesprochen. Über die Kindheit in Berlin, die Flucht nach Amsterdam, die Zeit in den Konzentrationslagern Westerbork und Bergen-Belsen und die Rettung in letzter Sekunde. Daraus ist ein neunteiliger Podcast entstanden.

Gemeinsame Veranstaltung mit Schülerinnen im Zeise-KIno

Hamburger Schülerinnen mit Irene Butter bei der Veranstaltung "One person can make a difference" im Zeise-Kino. © NDR Foto: Caroline Schmidt
Im Hamburger Zeise-Kino erzählt die Holocaust-Überlebende Irene Butter Schülerinnen und Schülern aus ihrem Leben.

Am nächsten Vormittag werden sie sagen, dass es für sie dennoch fast "surreal" war, auf einmal mit Irene tatsächlich zusammenzusitzen. "Ich kann es immer noch gar nicht fassen, dass sie jetzt tatsächlich hier ist", sagt Milla Bessling. Sie steht dabei mitten in den Zeise-Kinos. Gleich beginnt die Veranstaltung "One person can make a difference" mit Irene Butter.

Sie ist ausverkauft. Über 300 Schülerinnen und Schüler und auch einige Erwachsene sind gekommen. Und doch ist es durchgehend still. Anderthalb Stunden lang hören alle Irene Butter gebannt zu, wie diese von ihrem Leben erzählt. Erst in Grundzügen alleine, dann schildert sie im Gespräch mit den Mädchen ganz intensiv die Jahre in den 30ern und 40ern in Amsterdam, als die Deutschen die Niederlande überfallen - und ihre eigentlich ganz glückliche Kindheit in einen Albtraum verwandeln.

Irene Butter: "Sei niemals ein Mitläufer"

Am Ende zieht Irene Butter drei Lehren aus ihrer Geschichte: Sei niemals ein Mitläufer ("Never a bystander"). Bedenke bei allem, was du tust oder nicht tust, dass jeder Mensch etwas bewirken kann ("One person can make a difference"). Und lass dich niemals gegen andere aufhetzen ("Refusing to be ennemies"). Denn vielleicht haben diese anderen Menschen eine Geschichte zu erzählen, die viel mehr mit dir selbst zu tun hat, als du es dir vorstellen kannst.

"Deutschland bleibt natürlich immer ein Teil von mir"

Irene spricht die ganze Zeit Deutsch. Und so fragt eine Schülerin am Ende, ob Irene sich eigentlich noch als Deutsche fühlt. "Nein", erwidert Irene, sie habe den weitaus größten Teil ihres Lebens in Amerika verbracht, und daher fühle sie sich als Amerikanerin. Aber Deutschland werde "natürlich immer ein Teil" von ihr bleiben.

Hamburger Schülerinnen mit Irene Butter und ihrem Poesiealbum © NDR Foto: Caroline Schmidt
Erinnerungen an die Kindheit: Irene Butter zeigt den Schülerinnen ihr Poesiealbum aus den Amsterdamer Tagen.

Vor dem Kino sitzen die vier Mädchen und Irene dann auf einem Stein, blättern gemeinsam durch Irenes Poesiealbum aus Amsterdamer Tagen und lesen die Eintragungen. Etwa diese vom 19. Februar 1942. Da hat ihr Klassenlehrer von der Jüdischen Schule geschrieben: "Und wenn es manchmal Regen gibt, und alles grau und schwarz aussieht, sei stark und freundlich. Es wird vorbeigehen. Geh frisch und aufrecht durchs Leben, liebes Kind. Das rät dir dein Lehrer."

Über die Deutschlandreise von Irene Butter berichtet der NDR zwischen dem 3. und 7. September ausführlich in Hörfunk, Fernsehen, in den Sozialen Medien und unter NDR.de/Geschichte.

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DAS! | 03.09.2022 | 18:45 Uhr

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