Chris Howland: Mr. Pumpernickel brachte "Musik aus Studio B"
Als Mr. Pumpernickel schrieb der Brite Chris Howland deutsche Radio- und TV-Geschichte. Sein Markenzeichen: radebrechendes Deutsch. Der Spaßmacher starb am 29. November 2013 im Alter von 85 Jahren.
"Meine Freunde, wäre ich ein richtiger Conférencier, würde ich anfangen und würde ich sagen: 'Ich freue mich, dass Sie heute Abend hier sind.'" Aber: Chris Howland war wirklich ein richtiger Conférencier. Ein Gastarbeiter, wie er sich selbst einmal nannte, der eine erstaunliche Karriere machte und sich aus einer spontanen Idee heraus einen zweiten Namen gab: "Sie dürfen mich auch Heinrich Pumpernickel nennen, wenn Sie wollen."
Keine leichte Kindheit in England
Doch der immer lustige, gut gelaunte Mr. Pumpernickel hatte eine so gar nicht lustige Kindheit im Süden Englands. Er wurde als John Christopher Howland am 30. Juli 1928 in London geboren. Der Vater, ein Redakteur der BBC, verließ die Familie, seine Mutter - eine Fotografin - musste arbeiten, gab ihn immer wieder ins Heim. "Einmal, als meine Mutter mich besucht hat, waren Gitter in den Fenstern", erinnert er sich. Sich dorthin zu bewegen, war tabu. "Aber ich war trotzdem an den Gittern und habe gewunken, als sie wegging. Die Chefin, die das gesehen hat, hat mich genommen, in ein Kinderbett gelegt, befestigt und hat alle anderen Kinder reingeholt. Die haben alle so 'dädädädä' zu mir gemacht."
Howland war der erste Radio-Discjockey in Deutschland
Howland, der Imkerei gelernt hat, wollte sein Leben nicht auf der britischen Insel mit Bienen verbringen. Er kam kriegsbedingt 1948 nach Hamburg. Sein Arbeitgeber: der Radiosender der britischen Armee. Danach ging er zum NWDR, dem Vorgänger des NDR - als erster Radio-Discjockey in Deutschland. Doch den Begriff DJ wollte man den deutschen Hörern nicht zumuten. Schallplattenjockey - das war okay. Angefangen hat er mit dem Verkünden der Uhrzeit, die er tagelang minutiös geprobt hat. Eine ganze Woche Lampenfieber habe er gehabt und den Text wieder und wieder geprobt. Seine Plattenplauderei setzte er ab 1954 beim NWDR in Köln fort, der 1956 zum WDR wurde.
Schlecht singen konnte er gut
Howland wollte Musik aber nicht nur ansagen, sondern auch selber machen. Und obwohl er nie in Paris war, hieß sein größter Hit "Das hab ich in Paris gelernt". Er selbst hat sich nie als echter Sänger verstanden: "Viele hatten gar keine Stimme gehabt, die konnten nur Lieder verkaufen. Da habe ich mir gedacht, das kannst du doch auch machen. Und ich habe es irgendwie - schlecht singen kann ich auch, und ich habe es über die Jahre bewiesen."
Brite eroberte Film und Fernsehen
Und dann durfte der englische Entertainer auch noch den deutschen Bildschirm erobern. Mr. Pumpernickel als Chefspaßmacher im Fernseh-Chic der 1960er-Jahre: "Musik aus Studio B" war fast zehn Jahre Kult und bei den Zuschauern äußerst beliebt. Doch nach Differenzen mit Harald Vock, dem damaligen Leiter der NDR-Fernsehunterhaltung, wollte Chris Howland seinen Vertrag nicht mehr verlängern. Presse und Publikum reagierten mit Unverständnis. Vock ließ sogar sämtliche Sendungsaufzeichnungen mit Ausnahme einer Jubiläumssendung von 1968 löschen und zerstörte damit ein Stück deutscher Fernsehgeschichte. "Es war eine Auslöschung. Ein biblischer Akt. Du bist tot, hieß das. Aber was wirklich erledigt war, war die Sendung", schreibt die "Welt" 2013 rückblickend. Denn: Die einstige Kultshow konnte nicht mehr an die früheren Erfolge anknüpfen. Daran änderten auch verschiedene Moderatoren nichts. Schauspieler Henning Venske übernahm die Show 1971. In einem Interview sagte er aber, "Musik aus Studio B" sei "eine Sendung für Blöde", was sein Moderationsende 1974 bedeutete. 1976 wurde die letzte Ausgabe der Musiksendung gezeigt.
Mehr als zehn Jahre später moderierte Howland von 1980 bis 1983 im Hörfunksender NDR 2 69 Mal die Radiosendung mit dem selben Namen.
Ausgezeichnet für Rollen in Karl-May-Filmen
Der vielseitige Brite spielte auch in einigen deutschen Filmproduktionen mit, etwa dem Klassiker "Witwer mit fünf Töchtern" mit Heinz Erhard. Außerdem wirkte Howland in mehreren Karl-May-Verfilmungen der 1960er-Jahre mit. 2002 wurde er dafür mit dem Scharlih ausgezeichnet, dem ältesten Preis, der mit dem Namen Karl May verbunden ist.
Vorsicht vor "Vorsicht Kamera"
Howland war auch der erste, der in Deutschland ganz normale Menschen hinters Licht führte - in "Vorsicht Kamera". Dabei brachte er die Idee der britischen Fernsehsendung "Candid" Camera mit von der Insel und moderierte diese Sendung von 1961 an. Damals wurde der TV-Spaß jedoch kritisch gesehen: Der Vorsitzende des WDR-Rundfunkrats und Vizekanzler Erich Mende meldete Bedenken an, und die Sendung wurde schließlich eingestellt. "Die haben geglaubt, dass wir in gefährliche Gebiete gehen könnten. Nicht, dass wir das gemacht haben. Mit anderen Worten, dass wir die Intimsphäre von Leuten verletzen würden. Das haben wir nie, nie getan. Wir waren so vorsichtig mit den Themen, die wir gedreht haben", betonte Howland. Später war man in den Rundfunkanstalten und der Politik entspannter. Denn die Idee ist seitdem unter diversen Namen und mit immer neuen Moderatoren Bestandteil des deutschen Fernsehens geworden.
Hotel und Radioaufbauarbeit auf Mallorca
1970 ging Howland nach Mallorca, um sich dort um sein Hotel zu kümmern. Auf der Balearinsel war er auch am Aufbau des ersten deutschsprachigen Radiosenders beteiligt. 1975 kehrte er zurück nach Deutschland und moderierte über viele Jahre erneut Radio- und Fernsehsendungen.
Im Zeichentrickfilm "Asterix bei den Briten" aus dem Jahr 1986 lieh er dem Briten Teefax seine Stimme.
Gestorben mit 85 Jahren
Der Brite Chris Howland hat die Deutschen viele Jahrzehnte unterhalten - mit Gesang, Klamauk und britischem Humor. Im Juli 2009 erschienen mit "Yes, Sir! - Aus dem Blickwinkel eines englischen Gastarbeiters" seine Lebenserinnerungen. Zu seinem 85. Geburtstag widmete ihm der SWR eine Fernsehsendung, die ein Mitschnitt einer seiner Lesungen seines Buches war. Bis zuletzt moderierte Howland Radiosendungen - sogar noch drei Tage vor seinem Tod. Am 29. November 2013 starb er in Rösrath bei Köln. Die letzten Worte hat er selbst: "Bis dahin sagt Ihnen Ihr alter Freund Chris Howland alles Gute, auf Wiedersehen und natürlich bye-bye!"